Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückwirkende Befreiung von der Rentenversicherungspflicht nach § 231 Abs 4b SGB 6. Syndikusanwalt. "einkommensbezogene Pflichtbeiträge" iS des § 231 Abs 4b S 4 SGB 6
Leitsatz (amtlich)
Zum Merkmal der "einkommensbezogenen Pflichtbeiträge" iS des § 231 Abs 4b S 4 SGB VI.
Tenor
1. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 16.01.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.05.2017 verurteilt, den Kläger für die Zeit vom 01.10.2004 bis 31.03.2014 für seine Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1. von der Rentenversicherungspflicht zu befreien.
2. Die Beklagte hat dem Kläger seine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten noch darüber, ob der Kläger gemäß § 231 Abs. 4b S. 4 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) auch für die Zeit vom 01.10.2004 bis zum 01.04.2014 als Syndikusrechtsanwalt für seine Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1. von der Rentenversicherungspflicht zu befreien ist.
Der Kläger war zunächst als Rechtsanwalt zugelassen. Mit Bescheid vom 29.09.2003 wurde er von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) für seine Tätigkeit als Rechtsanwalt von der Rentenversicherungspflicht befreit (Bl. 26a Betriebsprüfungsakte, im Folgenden „BfA-Bescheid“). Zum 01.10.2014 wurde er bei der Beigeladenen zu 1. als deren Geschäftsführer tätig. In der Annahme, dass er weiterhin von der Versicherungspflicht befreit war, zahlte der Kläger weiter Beiträge an die Beigeladene zu 2. 2011 führte die Beklagte bei der Beigeladenen zu 1. eine Betriebsprüfung nach § 28p Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) betreffend den Zeitraum 2008 – 2011 durch. Mit Bescheid vom 26.10.2012 (Bl. 30 Betriebsprüfungsakte) stellte die Beklagte in diesem Zusammenhang u.a. fest, dass der Kläger der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung unterliegt. Der Kläger veranlasste sodann als Geschäftsführer der Beigeladenen zu 1., dass ab dem 01.01.2008 Beiträge zur Rentenversicherung für seine Tätigkeit an die Beklagte abgeführt wurden. Er selbst zahlte an die Beigeladene zu 2. den einkommensbezogenen Pflichtbeitrag, der nach deren Satzung mindestens 1/10 des Regelpflichtbeitrages betrug (vgl. Bestätigung d. Beigeladenen zu 2, Bl. 125 d. A.). Der auf die Betriebsprüfung bei der Beigeladenen zu 1. ergangene Bescheid ist Gegenstand einer bei der Kammer unter dem Aktenzeichen S 8 R 12/15 geführten Klage.
Im Laufe des dortigen Verfahrens beantragte der Kläger bei der Beklagten, ihn erneut von der Rentenversicherungspflicht zu befreien. Diese lehnte sein Begehren mit Bescheid vom 06.05.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.03.2015 ab. Sie begründete dies mit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG v. 03.04.2014, B 5 RE 3/14 R und die hierzu ergangenen Parallelentscheidungen), demnach bei einem nichtanwaltlichen Arbeitgeber angestellte Rechtsanwälte nicht von der Rentenversicherung befreit werden können. Die Bescheide wurden gemäß § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des Verfahrens. Mit Beschluss v. 27.11.2015 wurde die Entscheidung über den Befreiungsantrag des Klägers von dem übrigen Verfahren abgetrennt.
Das Verfahren über die Befreiung des Klägers von der Rentenversicherungspflicht wurde sodann unter dem Aktenzeichen S 8 R 414/15 geführt. Zwischenzeitlich trat zum 01.01.2016 das Gesetz zur Neuordnung des Rechts der Syndikusrechtsanwälte in Kraft. Daraufhin wurde auch dieses Verfahren zu ruhen gebracht, da zunächst die Entscheidung über die nach neuem Recht zu stellenden Anträge abgewartet werden sollte.
Diese Entscheidung ist Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.
Der Kläger wurde am 02.08.2016 als Syndikusrechtsanwalt zugelassen (Bl. 191 Verwaltungsakte [VA]). Am 29.03.2016 stellte der Kläger sowohl einen Antrag auf Befreiung von der Rentenversicherungspflicht nach § 6 SGB VI als auch einen Antrag auf rückwirkende Befreiung von der Rentenversicherungspflicht nach § 231 Abs. 4b SGB VI (Bl. 156 f. VA). In diesem Zusammenhang legte er eine Bescheinigung der Beigeladenen zu 2. vor. Dort (Bl. 171 VA) wird bestätigt, dass der Kläger seit dem 07.07.2003 durchgehend Pflichtmitglied kraft Gesetzes gewesen ist. Weiter wird bestätigt, dass für die zu befreienden Beschäftigungen bis zum 31.12.2007 einkommensbezogene Pflichtbeiträge analog §§ 157 ff. SGB VI gezahlt wurden.
Mit Bescheid vom (unleserlich, wahrscheinlich 16.01.2017 [Bl. 211 VA]) befreite die Beklagte den Kläger rückwirkend von der Rentenversicherungspflicht für den Zeitraum 01.04.2014 – 02.08.2016. Den Antrag auf rückwirkende Befreiung für den Zeitraum 01.10.2004 – 31.03.2014 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 16.01.2017 (Bl. 210 VA) ab. Zur Begründung gab sie an, dass für die Befreiung folgende Voraussetzungen erfüllt sein müssten:
|
• |
|
Antragstellung bis zum 01.04.2016, |
|
• |
|
Vorliegen einer Befreiung von der Rentenversicherungspflicht als Syndikusrechtsanwalt nach § 6 Abs. 1 S. 1. Nr. 1 SGB VI unter Berücksichtigung der BRAO in der ab 01.01.2016 geltenden Fassung, |