Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. Feststellung der Erforderlichkeit eines Umzugs. Anspruch auf Ermessensentscheidung über eine abstrakte Zusicherung ohne Konkretisierung der neuen Unterkunft

 

Leitsatz (amtlich)

Der kommunale Träger hat über die Erteilung einer beantragten Zusicherung zu den Aufwendungen für eine neue Unterkunft nach seinem pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, wenn - anders als von § 22 Abs 2 SGB 2 für einen gebundenen Anspruch vorausgesetzt - aktuell keine andere konkrete Unterkunftsalternative besteht. Auf diesem Wege kann dem Bedürfnis nach einer verbindlichen Klärung der gerichtlich voll überprüfbaren Frage der Erforderlichkeit des Umzuges iS des § 22 Abs 1 S 2, Abs 2 SGB 2 Rechnung getragen werden.

 

Orientierungssatz

Zur Erforderlichkeit des Umzugs iS von § 22 Abs 1 S 2, Abs 2 SGB 2, wenn 2 Personen in einer nur 45 qm großen Zweizimmerwohnung leben, ein eigenes, drittes Zimmer für das Kind benötigt wird, die bisherige Unterkunft nur schlecht beheizbar ist und in diesem Zusammenhang Erkrankungen des Kindes bestehen.

 

Tenor

1. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 06.02.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.02.2007 verpflichtet, den Klägern eine Zusicherung für eine neue angemessene Unterkunft mit einer Kaltmiete bis 352,20 € zu erteilen.

2. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Kläger zu tragen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Verpflichtung der Beklagten zur Zusicherung der Aufwendungen der Kläger für eine andere Wohnung.

Die 1974 geborene Klägerin Ziff 1. (im Folgenden: Klägerin) ist geschieden und bewohnt seit September 2001 - nunmehr gemeinsam mit ihrem am … 2004 geborenen Sohn, dem Kläger Ziff 2. (im Folgenden: Kläger) - eine etwa 45 m² große Zweizimmerwohnung unter der angegebenen Adresse, die von der F. St. GmbH (im Folgenden: FSB) vermietet wird. Die Kaltmiete beträgt 201,70 € monatlich, hinzu kommen Nebenkosten von 51 € monatlich sowie Vorauszahlungen u. a. für Erdgas zu leisten, die zuletzt insoweit 77 € monatlich betragen.

Die Klägerin beantragte am 19.1.2006 erstmals eine Kostenzusage für eine Dreizimmerwohnung, da ihr Sohn ein eigenes Zimmer brauche. Der Antrag wurde von der Beklagte abgelehnt, da die bisherige Wohnung von der Größe her angemessen sei.

Die Klägerin beantragte am 9.1.2007 erneut die Übernahme der Kosten für eine Dreizimmerwohnung. Sie begründete den Antrag damit, dass ihr Sohn in der bisherigen Wohnung kein Zimmer habe. Er habe kein eigenes Bett, da sie keinen Platz dafür habe. Ferner komme aus allen Türen und Fenstern kalte Luft. Ihr Sohn sei ständig krank. Die Beklagte beauftragte ihren Außendienst mit der Prüfung der Notwendigkeit eines Umzuges. Dieser kam am 26.01.2007 zu dem Ergebnis, dass ausreichend Wohnraum vorhanden sei. Wegen Wohnungsmängeln sei die Vermieterin zuständig. Die Klägerin sei darüber aufgeklärt worden, dass sie im Moment keine Kostenzusage erhalte.

Mit Bescheid vom 6.2.2007 lehnte die Beklagte den Antrag ab, weil die bisherige Wohnung angemessen und die Klägerin daher ausreichend wohnraumversorgt sei. Eine “Notwendigkeit im Sinne des SGB II„ liege nicht vor.

Die Klägerin legte am 20.2.2007 bei der Beklagte persönlich Widerspruch gegen den Bescheid ein, weil ihr Sohn seit Monaten trotz intensiven Heizens krank sei. Sie legte ein konkretes Wohnungsangebot der FSB vom 06.02.2007 für eine Dreizimmerwohnung im N.-Weg 13 in F. mit einer Wohnfläche von ca. 71 m² mit Ausstattung mit Bad/Dusche, Zentralheizung und zentraler Warmwasserversorgung vor. Die monatliche Kaltmiete betrug 361,70 €, hinzu kamen Nebenkosten von 122 €. Die Klägerin wurde nach dem gefertigten Aktenvermerk darauf hingewiesen, dass die übersteigende Miete in Höhe von 24,50 € von ihr selbst zu tragen sei.

Die Klägerin teilte am 21.2.2007 mit, der Ofen sei in ihrer jetzigen Wohnung bereits vom Wohnzimmer in die Küche umgestellt worden. Die Wohnverhältnisse seien jedoch sehr schlecht, so dass an die B. ein monatlicher Betrag von 192 € zu zahlen sei. Der Bevollmächtigte der Klägerin zeigte der Beklagte am 8.3.2007 seine Vertretung an und wies darauf hin, dass der Umzug zwingend erforderlich und das Wohnungsangebot der Miete nach angemessen sei. Die Vermieterin habe zugesagt, die Wohnung noch bis zum 16.3.2007 freizuhalten.

Mit Widerspruchsbescheid vom 12.3.2007 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Der Wohnungsbedarf sei durch die Wohnung gedeckt. Hierzu genüge regelmäßig eine einfache und bescheidene Wohnung in ausreichender Größe. Die beiden Zimmer würden derzeit als gemeinsames Schlafzimmer und als Wohnzimmer genutzt. Die Wohnung könne so umgestaltet werden, dass künftig je ein Zimmer für die beiden Kläger eingerichtet werde. Die Klägerin könne dem nicht entgegenhalten, sie habe einen großen Bekanntenkreis und brauche daher ein Wohnzimmer. Die Quadratmeterzahl von 60m² für einen Haushalt mit zwei Familienmitgliedern stelle die maximale Obergrenze dar und besage nicht, wo die Untergrenze a...

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