Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Pflegedienst. Versorgungsvertrag für häusliche Krankenpflege und Haushaltshilfe. außerordentliche Kündigung bei grober Pflichtverletzung
Leitsatz (amtlich)
1. Grobe Verletzungen der gesetzlichen oder vertraglichen Verpflichtungen gegenüber dem Patienten oder der Krankenkasse sind nach den - nicht abschließend zu verstehenden - Regelbeispielen der §§ 14 Abs 3,13 Abs 3 des Rahmenvertrages über die einheitliche Versorgung mit häuslicher Krankenpflege und Haushaltshilfe im Saarland gegeben, wenn ua der Patient infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Pflichtverletzung zu Schaden kommt oder nicht erbrachte Leistungen in Betrugsabsicht gegenüber der Krankenkasse abgerechnet werden.
2. Dass die Pflichtverletzungen Leistungen nicht nur nach dem SGB V, sondern auch nach dem SGB XI betreffen, ist ohne Belang, wenn der Pflegedienst Pflegeleistungen in beiden Bereichen anbietet und damit für die sorgfältige Ausführung aller angebotenen Leistungen die Gewähr übernimmt.
3. Lässt die Haltung des Pflegedienstes keine Bereitschaft erkennen, die den Krankenversicherungen Anlass zu der Erwartung geben könnte, bei entsprechenden Anstrengungen könne der Pflegedienst wieder die gesetzlichen und vertraglichen Anforderungen erfüllen, ist eine außerordentliche Kündigung nicht zu vermeiden.
Tenor
1. Der Antrag der Antragstellerin vom 22. April 2021 auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
2. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gründe
I.
Im Streit steht in dem einstweiligen Rechtsschutzverfahren, ob die zwischen der Antragstellerin und den Antragsgegnerinnen zu 1. bis 6. geschlossenen Versorgungsverträge gemäß §§ 132 a, 132 nach dem Fünften Buch des Sozialgesetzbuchs - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V) durch die fristlose, hilfsweise fristgerechte Kündigung der Antragsgegnerinnen vom 25. Februar 2021 rechtmäßig gekündigt worden sind und ob es die Antragsgegnerin zu 2 zu unterlassen hat, Versicherte, die von der Antragstellerin pflegerisch versorgt werden, zu kontaktieren unter anderem mit dem Ziel, einen Wechsel des Pflegedienstes anzuraten.
Die Antragstellerin betreibt unter der Geschäftsbezeichnung „ L. Pflegedienst A., A-Straße, A-Stadt“ (infolge: LPD) einen Pflegedienst in der Form eines Einzelunternehmens. Sie schloss im Jahr 1995 mit den Antragsgegnerinnen zu 1. bis 7. (infolge: Antragsgegnerinnen) einen Versorgungsvertrag nach § 72 SGB XI (häusliche Pflegehilfe) ab. Der Pflegedienst hatte das Institutionskennzeichen IK 461001229 (§ 293 nach dem Fünften Buch des Sozialgesetzbuchs - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V ≪SGB V≫). Weiterhin schloss sie im Jahr 2004 auf der Grundlage eines Rahmenvertrags mit den Antragsgegnerinnen Versorgungsverträge nach §§ 132, 132a SGB V über die einheitliche Versorgung mit häuslicher Krankenpflege und Haushaltshilfe im Saarland, beginnend zum 1. August 2004. Der Pflegedienst war unter der genannten Bezeichnung jedenfalls bis Ende 2019 tätig.
Am 6. November 2019 wandte sich die Antragstellerin an die Antragsgegnerin zu 1) und teilte mit, dass sie zum Jahreswechsel ihren Pflegedienst in eine GmbH & Co KG umwandeln werde. Sie wolle ihren Bestandsschutz nicht aufgeben.
Am 30. Dezember 2019 wurden ein Vertrag über die Gründung der L. Gesundheitsdienst D. A. GmbH sowie ein Vertrag über die Gründung der L. Pflegedienst A. GmbH & Co KG (nachfolgend: GmbH & Co KG) abgeschlossen. Die GmbH und die GmbH & Co KG wurden am 12. März und 7. April 2020 in das Handelsregister des Amtsgerichts D-Stadt eingetragen (HRB 106251 und HRA 12708). Die Bundesagentur für Arbeit (BA) erteilte die Betriebsnummer 56135744. Die Antragstellerin meldete ein Gewerbe für die Betriebsstätte T. Str., A-Stadt am See, mit Beginn am 1. Januar 2020 an. Das Finanzamt D-Stadt teilte eine Steuernummer für die GmbH & Co KG zu. Die Arbeitsgemeinschaft für Institutionskennzeichen (ARGE-IK) vergab das Institutionskennzeichen (IK 461004632).
Die Antragstellerin legte am 6. Januar 2020 über ihre damaligen Bevollmächtigten bei der Antragsgegnerin zu 2) eine Ausfertigung des Vertrags zur Gründung der GmbH & Co KG vor; alleinige Gesellschafterin der GmbH und alleinige Kommanditistin der GmbH & Co KG ist die Antragstellerin.
Am 8. Januar 2020 teilte die Antragstellerin mit, sie habe zum 1. Januar 2020 einen Rechtsformwechsel sowie eine Sitzverlegung nach A-Stadt in die T. Str. vorgenommen. Der nunmehr seit fast 25 Jahren persönlich geführte Betrieb solle weitergeführt werden. Die Pflegedienstleitung und Personal blieben unverändert.
Am 18. Mai 2020 äußerten die Bevollmächtigten der Antragstellerin u.a., nach § 4 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrags der GmbH & Co KG vom 30. Dezember 2019 erfolge die Leistung der Einlagen durch Einbringung des Einzelunternehmens „Pflegedienst“ nach näherer Maßgabe eines Einbringungsvertrags. Dieser Einbringungsvertrag sei mit Datum vom 31. Dezember 2019 mit Wirkung zum Ablauf des 31. Dezember 2019 unterzeichnet worden. Die Str...