Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Genehmigungsfiktion umfasst auch Hilfsmittel zum unmittelbaren Behinderungsausgleich. Ausnahmetatbestand des § 13 Abs 3a S 9 SGB 5 ist eng auszulegen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Von der Genehmigungsfiktion des § 13 Abs 3a S 6 SGB 5 werden auch Hilfsmittel zum (unmittelbaren) Behinderungsausgleich umfasst (Entgegen BSG vom 15.3.2018 - B 3 KR 4/16 R, B 3 KR 12/17 R, B 3 KR 18/17 R).

2. Der Ausnahmetatbestand des § 13 Abs 3a S 9 SGB 5 (Leistungen der medizinischen Rehabilitation) ist eng auszulegen (vgl BSG vom 8.3.2016 - B 1 KR 25/15 R = BSGE 121, 40 = SozR 4-2500 § 13 Nr 33 zum Leistungsbegriff der Regelung in § 13 Abs 3a S 9 SGB 5 im engeren Sinne).

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 17.06.2021; Aktenzeichen B 3 KR 11/20 R)

 

Tenor

1. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 08.06.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.08.2017 verurteilt, den Kläger mit einem Paar orthopädischer Straßenschuhe mit diabetes-adaptierten Fußbetteinlagen zu versorgen.

2. Die Beklagte hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Versorgung mit einem Paar orthopädischer Straßenschuhe mit diabetesadaptierten Fußbetteinlagen.

Der 1958 geborene Kläger ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert.

Unter Vorlage einer ärztlichen Verordnung vom 10.04.2017 beantragte er am 15.05.2017 die Versorgung mit einem Paar orthopädischer Straßenschuhe mit diabetesadaptierten Fußbetteinlagen bei einem beidseits bestehenden Knick-Senk-Spreizfuß. Er legte weiter einen Kostenvoranschlag der Firma Schuhtechnik E. über einen Betrag in Höhe von 1.346,76 € vor.

Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 08.06.2017 nach Einholung einer Stellungnahme des SMD ab, da die beim Kläger vorliegende Fußfehlform nicht der begehrten Versorgung bedürfe. Vielmehr genüge es, wenn der Kläger mit Konfektionsschuhwerk mit entsprechenden diabetesadaptierten Einlagen versorgt werden würde. Über die Einholung einer Stellungnahme des SMD unterrichtete die Beklagte den Kläger nicht.

Den vom Kläger am 10.07.2017 erhobenen Widerspruch gegen ihren Bescheid vom 08.06.2017 wies die Beklagte am 16.08.2017 als unbegründet zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 13.09.2017 Klage erhoben und vorgetragen, dass er aus medizinischer Sicht der Versorgung mit orthopädischen Schuhen samt diabetesadaptierter Fußbettung bedürfe.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 08.06.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.08.2017 zu verurteilen, den Kläger mit den beantragten orthopädischen Straßenschuhen zu versorgen.

Der Beklagte beantragt unter Verweis auf die angefochtene Entscheidung,

die Klage abzuweisen.

Mit Verfügung vom 08.12.2017 hat der Vorsitzende der Kammer die Beteiligten im Hinblick auf den Gang des Verwaltungsverfahrens auf die Norm des § 13 Abs. 3a SGB V hingewiesen. Die Beteiligten hatten Gelegenheit, hierzu Stellung zu nehmen.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie den der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten. Der Inhalt dieser Akten liegt der Entscheidung zugrunde.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist in der Sache begründet.

Der Kläger hat einen Anspruch auf Versorgung mit einem Paar orthopädischer Straßenschuhe mit diabetesadaptierten Fußbetteinlagen (dazu 1.).

Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtswidrig, verletzen den Kläger in subjektiven Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG) und sind daher aufzuheben (dazu 2.).

1. Rechtsgrundlage für den Anspruch des Klägers ist § 13 Abs. 3a SGB V.

Hiernach hat die Krankenkasse über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (Medizinischer Dienst), eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden (Satz 1). Wenn die Krankenkasse eine gutachtliche Stellungnahme für erforderlich hält, hat sie diese unverzüglich einzuholen und die Leistungsberechtigten hierüber zu unterrichten (Satz 2). Der Medizinische Dienst nimmt innerhalb von drei Wochen gutachtlich Stellung (Satz 3). Kann die Krankenkasse Fristen nach Satz 1 oder Satz 4 nicht einhalten, teilt sie dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich mit (Satz 5). Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt (Satz 6).

Der Kläger ist als bei der Beklagten Versicherter leistungsberechtigt i. S. d. § 13 Abs. 3a SGB V (vgl. BSG, Urteil vom 08.03.2016, Az.: B 1 KR 25/15 R).

Damit eine Leistung im Rechtssinne nach Ablauf der Frist des § 13 Abs. 3a SGB V als genehmigt gelten kann, bedarf es eines fiktionsfähigen Antrages. Die Fiktion kann nur dann greifen, wenn der Antrag so bestimmt gestellt ist, dass die auf Grundlage des Antrages fingierte Genehmigung ihrerseits i. S. d. § 33 ...

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