Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. Prozesskostenhilfevergütungsanspruch. Verfahrensgebühr: Anwendbarkeit des verminderten Gebührenrahmens der Nr 3103 RVG-VV bei über Beratungshilfe abgerechneter Tätigkeit im Vorverfahren. keine Anrechnung der Beratungshilfegebühr auf gerichtliche Verfahrensgebühr. Statthaftigkeit der Beschwerde nach § 56 Abs 2 RVG
Leitsatz (amtlich)
1. Die aus Prozesskostenhilfemitteln gewährte Verfahrensgebühr eines im Vorverfahren tätigen Anwalts bestimmt sich auch dann nach Nr 3103 RVG-VV, wenn er das Vorverfahren über Beratungshilfe abgerechnet hat.
2. Eine für diese Fälle vorzunehmende Reduzierung des Anwendungsbereichs der Verfahrensgebühr aus Nr 3103 RVG-VV, im Wege der teleologischen Reduktion, überschreitet den Rahmen zulässiger richterlicher Rechtsfortbildung.
3. Eine hälftige Anrechnung der im Wege der Beratungshilfe erlangte Geschäftsgebühr gem Nr 2503 RVG-VV auf die Verfahrensgebühr aus Nr 3103 RVG-VV findet nicht statt.
4. Gegen Entscheidungen gem § 56 Abs 1 RVG ist die Beschwerde statthaft, sofern der Beschwerdewert gem § 33 Abs 3 S 1 RVG erreicht wird oder das Gericht die Beschwerde gem § 33 Abs 3 S 2 RVG wegen grundsätzlicher Bedeutung zulässt.
Tenor
1. Auf die Erinnerung des Erinnerungsführers wird der Vergütungsfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des SG Fulda vom 03.02.2009 für das Verfahren S 3 R 219/05 geändert und die aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung auf 226,10 € festgesetzt.
2. Die weitergehende Erinnerung wird zurückgewiesen
3. Die Beschwerde gegen diesen Beschluss wird zugelassen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die Höhe des im Rahmen vor dem SG Fulda geführten Verfahrens S 3 R 219/05 aus der Staatskasse zu gewährenden Vergütungsvorschusses.
Der hiesige Erinnerungsführer hat den Kläger im Ausgangsrentenverfahren S 3 R 219/05 als Prozessbevollmächtigter vertreten. Unter dem 31.08.2005 erhob er Klage und beantragte zugleich die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter seiner Beilordnung. Mit Beschluss vom 11.11.2005 bewilligte die 3. Kammer die beantragte Prozesskostenhilfe und ordnete den Erinnerungsführer ab Klageerhebung als Rechtsanwalt bei.
Ausweislich des Widerspruchsbescheides vom 25.08.2005 hat der Erinnerungsführer den Kläger des Ausgangsverfahrens bereits im Vorverfahren vertreten.
Im Hinblick auf beim Bundessozialgericht anhängige Revisionsverfahren, wurde das Ausgangsverfahren S 3 R 219/05 mit Beschluss vom 09.01.2006 zum Ruhen gebracht.
Am 30.01.2009 beantragte der Erinnerungsführer, den aus der Staatskasse zu gewährenden Vergütungsvorschuss wie folgt festzusetzen:
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Verfahrensgebühr, Nr. 3102 VV RVG |
250,-- € |
Anrechnung, Nr. 2503 Abs. 2 VV RVG |
- 35,-- € |
Pauschale für Post- und Telekommunikation, Nr. 7002 VV RVG |
20,-- € |
Zwischensumme |
235,-- € |
19 % Mehrwertsteuer Nr. 7008 VV RVG |
37,60 € |
Gesamt |
272,60 € |
Mit dem angegriffenen Vergütungsfestsetzungsbeschluss vom 03.02.2009 hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle den Vergütungsvorschuss wie folgt festgesetzt:
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Verfahrensgebühr, Nr. 3103 VV RVG |
170,-- € |
Anrechnung, Nr. 2503 Abs. 2 VV RVG |
- 35,-- € |
Pauschale für Post- und Telekommunikation, Nr. 7002 VV RVG |
20,-- € |
Zwischensumme |
155,-- € |
19 % Mehrwertsteuer Nr. 7008 VV RVG |
24,80 € |
Gesamt |
179,80 € |
Zur Begründung hat er ausgeführt, dass der Erinnerungsführer den Kläger des Ausgangsverfahrens bereits im Widerspruchsverfahren vertreten habe, so dass für die Verfahrensgebühr der Gebührenrahmen Nr. 3103 VV RVG zu berücksichtigen sei. Die Ansetzung der Mittelgebühr sei nicht zu beanstanden. Gem. Nr. 2503 Abs. 2 VV RVG sei die Geschäftsgebühr aus der Beratungshilfe zur Hälfte anzurechnen.
Am 18.02.2009 erhob der Erinnerungsführer gegen den Beschluss des Urkundsbeamten Erinnerung. Er ist der Auffassung, der Urkundsbeamte habe bereits den falschen Gebührenrahmen für die Verfahrensgebühr zugrunde gelegt, maßgeblich sei Nr. 3102 VV RVG. Selbst wenn man aber bei der Verfahrensgebühr den (reduzierten) Gebührenrahmen Nr. 3103 VV RVG zugrunde lege, stelle die hälftige Anrechnung der Beratungshilfe gem. Nr. 2503 VV RVG eine unzulässige doppelte Anrechung dar. Eine weitere Reduzierung der Verfahrensgebühr aus Nr. 3103 VV RVG verbiete sich schon deshalb, weil bereits aus der Anmerkung zu Nr. 3103 VV RVG hervorginge, dass Synergieeffekte aus einem vorangegangenen Verwaltungsverfahren nicht zu berücksichtigen seien. Zudem stünde derjenige Anwalt, der einen Kläger ausschließlich im Klageverfahren vertrete im Ergebnis besser dar, als derjenige der unter Bewilligung von Beratungshilfe im Vorverfahren tätig war.
Unter Bezugnahme auf der Rechtssprechung des 1. Senats des LSG NW (Beschl. v. 18.03.2008 - L 1 B 21/07 AL, juris), ihrerseits bezugnehmend auf die Gesetzesmaterialien, ist der Erinnerungsführer der Auffassung, dass - soweit man vom Gebührenrahmen Nr. 3103 VV RVG ausgehe - es an einer Rechtsgrundlage für eine Anrechnung gem. Nr. 2503 Abs. 2 VV RVG fehle.
Der Erinnerungsführer beantragt:
Den Vergütung...