Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Sachverständigenentschädigung. Wiedereinsetzung. Versäumnis der Geltendmachungsfrist. fahrlässige Nichtkenntnis der Umsatzsteuerpflicht. Überschreiten der Kleinunternehmergrenze

 

Leitsatz (amtlich)

Eine Wiedereinsetzung in die Frist des § 2 Abs 1 S 1 JVEG zur nachträglichen Geltendmachung von Umsatzsteuer scheidet wegen Verschuldens des Sachverständigen aus, wenn sich seine Umsatzsteuerpflicht aus dem Überschreiten der Umsatzgrenze für Kleinunternehmer gem § 19 Abs 1 UStG im Vorjahr der Gutachtenerstattung ergibt.

 

Orientierungssatz

Bei der auf die Sachverständigenvergütung entfallende Umsatzsteuer handelt es sich nicht um einen Annex zum JVEG-Vergütungsanspruch, sondern diese ist nach der Systematik des JVEG selbst Bestandteil der "Vergütung" iS des § 2 Abs 1 JVEG, die entsprechend fristgebunden geltend gemacht werden muss und bei Fristversäumnis erlischt.

 

Tenor

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in die versäumte Frist des § 2 Abs. 1 S. 1 JVEG wird abgelehnt.

 

Gründe

I.

Der Antragsteller war im Verfahren des SG Fulda S 8 U 97/14 mit Beweisanordnung vom 24. November 2014 zum Sachverständigen bestimmt worden, woraufhin er sein schriftliches Gutachten unter dem 20. März 2015 erstattete. Mit Datum vom 18. März 2015 stellte er seine Vergütung mit einem Betrag von 1.865,92 EUR in Rechnung. Die Erstattung von Umsatzsteuer wurde seitens des Antragstellers in dieser Rechnung nicht geltend gemacht.

Mit Schreiben vom 16. März 2016 wandte sich der Antragsteller an das Sozialgericht Fulda und teilte mit, dass er (erst) durch Schreiben seines Steuerberaterbüros vom 15. März 2016 darüber in Kenntnis gesetzt worden sei, dass seine Umsätze im Jahr 2014 die Grenze für "Kleinunternehmer" überschritten haben, so dass er für seine gutachterliche Tätigkeit im Jahr 2015 umsatzsteuerpflichtig gewesen sei. Daher beantrage er - unter Beifügung einer entsprechend geänderten Vergütungsrechnung - die Erstattung der Umsatzsteuer auf den Rechnungsbetrag vom 20. März 2015 in Höhe von 354,52 EUR.

Mit Schreiben vom 4. April 2016, bei dem SG Fulda per e-mail eingegangen am 1. April 2016 und postalisch am 6. April 2016, begehrt der Antragsteller Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Zur Begründung verwies er erneut auf die erst im März 2016 erhaltene Mitteilung der Umsatzsteuerpflicht durch seine Steuerberater. Vorher habe er keine Kenntnis davon gehabt, dass er "die Voraussetzungen für die Kleinunternehmerregelung nicht mehr erfülle".

Der Antragsteller beantragt sinngemäß,

ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bezüglich der versäumten Frist des § 2 Abs. 1 JEVG zu gewähren.

Der Antragsgegner hat mit Schriftsatz vom 3. Juni 2016 erklärt, auf eine Stellungnahme zu dem Antrag zu verzichten.

II.

Der Antrag auf Wiedereinsetzung hat keinen Erfolg.

1. Zur Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag ist die Kammer (durch ihren Vorsitzenden) berufen, nicht der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle (so aber Hartmann, KostG, 46. Aufl. 2016, § 2 JVEG Rn. 17). Denn gegen eine etwaige ablehnende Entscheidung ist gem. § 2 Abs. 2 S. 4 JVEG die Beschwerde zulässig, die nur gegen Entscheidungen des Richters, nicht des Urkundsbeamten gegeben ist (so auch ThürLSG, Beschl. v. 27. Mai 2015 - L 6 JVEG 329/15 -, juris Rn. 9; ebenso SG Darmstadt, Beschl. v. 15. Juni 2009 - S 10 P 30/05 [unveröff.]; nach Stattgabe/Ablehnung des Antrags differenzierend SG Detmold, Beschl. v. 5. März 2014 - S 2 SF 52/14 E -, juris Rn. 2 ff.; Schneider, JVEG, 2. Aufl. 2014, § 2 Rn. 53; Giers, in: Schneider/Volpert/Fölsch [Hrsg.], Gesamtes Kostenrecht, § 2 JVEG Rn. 14).

2. Der Anspruch eines Sachverständigen auf Vergütung seiner Gutachterleistung erlischt gem. § 2 Abs. 1 S. 1 JVEG, wenn und soweit er sie nicht binnen drei Monaten bei der beauftragenden Stellen geltend gemacht wird. Diese Frist beginnt gem. § 2 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 JVEG mit dem Eingang des Gutachtens bei dieser Stelle, hier dem SG Fulda. Die Übermittlung des verfahrensgegenständlichen Gutachtens des Antragstellers erfolgte am 20. März 2015 per Telefax, so dass die Vergütung spätestens am Montag, 22. Juni 2015, hätte geltend gemacht werden müssen. Dies ist hinsichtlich des Umsatzsteueranteils der Vergütung nicht erfolgt, sondern erst mit Schreiben des Antragstellers vom 16. März 2016 einschließlich der Übersendung der die Umsatzsteuer ausweisenden (korrigierten) Rechnung vom 14. März 2016.

Die gem. § 2 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 JVEG erforderliche Belehrung über die Erlöschensfrist war mit gerichtlichem Schreiben an den Antragsteller vom 24. November 2014 erfolgt.

Dabei ist zunächst darauf hinzuweisen, dass es sich bei der auf die Sachverständigenvergütung entfallenden Umsatzsteuer nicht um einen Annex zum JVEG-Vergütungsanspruch handelt, sondern diese nach der Systematik des JVEG selbst Bestandteil der "Vergütung" i.S.d. § 2 Abs. 1 JVEG ist, entsprechend fristgebunden geltend gemacht werden muss und bei Fristversäumnis erlischt. Dies folgt aus § 8 Abs. 1 Nr. 4 JVEG, demzufolge auch der "Ersa...

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