Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. fiktive Terminsgebühr nach Nr 3106 RVG-VV. vergleichsweise Erledigung des Rechtsstreits aufgrund eines Telefonats mit dem Kammervorsitzenden
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Terminsgebühr aus Nr 3106 VV RVG (juris: RVG-VV) fällt nach der Vorbemerkung 3 Abs 3 VV RVG auch durch ein Telefonat mit dem Kammervorsitzenden an, wenn auf dessen Basis der Rechtsstreit im Wege eines protokollierten Vergleichs erledigt werden kann.
2. Der Sinn und Zweck der Vorbemerkung 3 Abs 3 VV RVG - namentlich die Vermeidung von gerichtlichen Terminen, welche nur aus Gebühreninteresse abgehalten werden - legt eine weite Auslegung dieses Tatbestandes nahe.
Tenor
1. Der Vergütungsfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vom 19.10.2010 für das Verfahren S 7 SO 53/10 wird aufgehoben.
2. Die aus der Staatskasse zu zahlenden Gebühren und Auslagen für das Verfahren S 7 SO 53/10 werden auf 452,20 € festgesetzt.
3. Die Beschwerde gegen diesen Beschluss wird zugelassen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die Höhe der im Rahmen des vor dem SG Fulda geführten Verfahrens S 7 SO 53/10 aus der Staatskasse zu gewährenden Gebühren und Auslagen.
Das Verfahren betraf eine Untätigkeitsklage. Parallel zu der Untätigkeitsklage hatte die Klägerin des Ausgangsverfahrens einen Eilantrag (S 7 SO 52/10 ER) gestellt. Der Kammervorsitzende hatte in dieser Sache telefonisch Kontakt zu den Beteiligten gesucht, um sodann beide Verfahren im Rahmen eines protokollierten gerichtlichen Vergleichs schriftlich zu erledigen.
Nach Abschluss des Verfahrens beantragte der Erinnerungsführer für das Verfahren S 7 SO 53/10 folgende Gebührenfestsetzung:
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Verfahrensgebühr, Nr. 3103 VV RVG |
130,-- € |
Terminsgebühr, Nr. 3106 VV RVG |
200,-- € |
Vergleichs- bzw. Erledigungsgebühr, Nr. 1006 VV RVG |
115,-- € |
Pauschale für Post- und Telekommunikation, Nr. 7002 VV RVG |
20,-- € |
Zwischensumme |
465,-- € |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG |
88,35 € |
Gesamt |
553,35 € |
Mit angegriffenem Vergütungsfestsetzungsbeschluss vom 19.10.2010 setzte der Urkundsbeamte die aus der Staatskasse zu zahlenden Gebühren und Auslagen wie folgt fest:
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Verfahrensgebühr, Nr. 3103 VV RVG |
130,-- € |
Vergleichs- bzw. Erledigungsgebühr, Nr. 1006 VV RVG |
115,-- € |
Pauschale für Post- und Telekommunikation, Nr. 7002 VV RVG |
20,-- € |
Zwischensumme |
265,-- € |
19 % Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG |
50,35 € |
Gesamt |
315,35 € |
Eine Terminsgebühr sei nicht entstanden.
Gegen den Vergütungsfestsetzungsbeschluss erhob der Erinnerungsführer am 01.11.2010 Erinnerung. Zur Begründung hat er ausgeführt, dass ein Telefongespräch mit dem zuständigen Vorsitzenden geführt worden sein, auf dessen Basis der abgeschlossene Vergleich protokolliert worden sei. Auf der Basis der Vorbem. 3 Abs. 3 VV RVG sei die begehrte Terminsgebühr angefallen.
Der Erinnerungsführer hält an der beanspruchten Terminsgebühr weiter fest, hat die Höhe aber insoweit auf 115,-- € reduziert.
Der Urkundsbeamte hat der Erinnerung nicht abgeholfen.
Für die Staatskasse hat der Bezirksrevisor beim HessLSG Stellung genommen. Er hält den angegriffenen Vergütungsfestsetzungsbeschluss für rechtmäßig. Eine Terminsgebühr sei nicht angefallen. Eine Terminsgebühr sei vorliegend nicht angefallen, weil der Rechtsstreit durch Vergleich beendet worden sei und ein Verhandlungs-, Erörterungs- oder Beweisaufnahmetermin nicht stattgefunden habe. Ein Gespräch mit dem Kammervorsitzenden löse eine Terminsgebühr nicht aus.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogenen Akten des Verfahrens S 7 SO 53/10 Bezug genommen.
II.
Die gem. § 56 Abs. 1 RVG statthafte Erinnerung ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.
Der angegriffene Vergütungsfestsetzungsbeschluss erweist sich als rechtswidrig, der Urkundsbeamten hat zu Unrecht die Festsetzung der beantragten Terminsgebühr abgelehnt.
Gem. § 3 Abs. 1 S. 1 RVG entstehen in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen das GKG nicht anzuwenden ist, Betragsrahmengebühren, die dem im Wege der PKH beigeordneten Rechtsanwalt aus der Landeskasse zu erstatten sind, § 45 Abs. 1 RVG. Es handelt sich bei dem Ausgangsverfahren um ein Verfahren mit kostenprivilegierten Beteiligten im Sinne von § 183 S. 1 SGG. Damit scheidet die Anwendung des GKG gem. § 197a Abs. 1 S. 1 SGG aus und die Höhe der Vergütung bestimmt sich nach dem Vergütungsverzeichnis (VV) der Anlage 1 zum RVG.
Gem. § 45 Abs. 1 RVG erhält der im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordnete Rechtsanwalt seine gesetzliche Vergütung, die er sonst von seinem Mandanten verlangen könnte, aus der Staatskasse, soweit im 8. Abschnitt des RVG (§§ 44 bis 59) nichts anderes bestimmt ist. Er kann dabei nach § 48 Abs. 1 RVG sämtliche Gebühren und Auslagen beanspruchen, die sich aus seiner Tätigkeit ab dem Wirksamwerden seiner Beiordnung ergeben. Die von ihm danach aus der Staatskasse zu gewährende Vergütung und der Vorschuss darauf wird auf Antrag des Rechtsanwalts grun...