Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. Terminsgebühr. Telefonat zur Herbeiführung einer vergleichsweisen Erledigung des Rechtsstreits ohne Beteiligung des Gerichts. keine Beschwerdezulassung wegen Divergenz
Leitsatz (amtlich)
1. Durch ein Telefonat eines Rechtsanwalts mit dem gegnerischen Beteiligten, das auf eine vergleichsweise Erledigung eines Rechtsstreits gerichtet ist, entsteht unabhängig von Umfang und Intensität des Gesprächs (auch) ohne Beteiligung des Gerichts die Terminsgebühr gem Nr 3106 VV RVG (Abweichung von LSG Darmstadt vom 20.4.2011 - L 2 SF 311/09 E).
2. Eine Zulassung der Beschwerde gem §§ 33 Abs 3, 56 RVG wegen Divergenz zu ober- oder höchstrichterlicher Rechtsprechung kommt nicht in Betracht; die Divergenzzulassung ist im Rechtsmittelrecht kein Unterfall grundsätzlicher Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage.
Tenor
Der Vergütungsfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vom 21. Mai 2012 für das Verfahren S 10 AS 297/10 wird abgeändert und die dem Erinnerungsführer aus der Staatskasse zu zahlenden Gebühren und Auslagen werden auf insgesamt 357,00 EUR festgesetzt. Im Übrigen werden die Erinnerungen zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die Höhe der im Rahmen des vor dem SG Fulda geführten Verfahrens S 10 AS 297/10 aus der Staatskasse zu gewährenden Gebühren und Auslagen.
In diesem Verfahren war die Klägerin, die sich gegen einen Anteil einer Rückforderung von SGB II-Leistungen wandte, mit Beschluss vom 30. Januar 2012 Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Erinnerungsführers und Erinnerungsgegners zu 1.) - im Folgenden nur: Erinnerungsführer - mit Wirkung vom 7. Juli 2011 gewährt worden.
Nach Abschluss des Verfahrens beantragte der Erinnerungsführer, seine Vergütung aus der Staatskasse wie folgt festzusetzen:
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Verfahrensgebühr, Nr. 3102 VV RVG |
250,00 EUR |
Terminsgebühr, Nr. 3106 VV RVG |
200,00 EUR |
Pauschale für Post- und Telekommunikation, Nr. 7002 VV RVG |
20,00 EUR |
Zwischensumme |
470,00 EUR |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7007 VV RVG |
89,30 EUR |
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559,30 EUR |
Dem folgte der Kostenbeamte unter Nichtgewährung der Terminsgebühr. Zur Begründung führte er aus, dass deren Ansatz nicht verifizierbar sei, da ein Termin nicht stattgefunden habe und auch die Voraussetzungen nach Nr. 1 bis 3 von Nr. 3106 VV RVG nicht vorlägen.
Mit seiner Erinnerung vom 1. Juni 2012 verfolgt der Erinnerungsführer den Ansatz einer Terminsgebühr weiter. Zur Begründung führt er aus, dass am 26. April und 11. Mai 2012 telefonische Erörterungen mit dem Beklagten des Ausgangsverfahrens zur Herbeiführung einer vergleichsweisen Einigung stattgefunden hätten. Hierbei habe er versucht, eine Herabsetzung der festgesetzten Erstattungsforderung zu erreichen; dies habe von dem Sachbearbeiter der Beklagten letztlich nicht zugesagt werden können; vielmehr habe dieser erst noch interne Rücksprache halten müssen. Am 11. Mai 2012 habe er dann mitgeteilt, dass die Herabsetzung nicht möglich sei; im Falle der Klagerücknahme seien aber Zahlungserleichterungen möglich. Daraufhin sei die Klage zurückgenommen worden. Wenn auch die Verhandlung nicht zum gewünschten Erfolg geführt hätten, seien damit die Voraussetzungen der Vorbemerkung 3 Abs. 3 VV RVG erfüllt.
Der Kostenbeamte hat der Erinnerung nicht abgeholfen und auf die Rechtsprechung des HessLSG verwiesen, der zufolge durch ein Telefonat nur dann eine Terminsgebühr ausgelöst werde, wenn das Gespräch Umfang und Intensität eines Gerichtstermins erreiche.
Der Erinnerungsgegner und Erinnerungsführer zu 2.) - im Folgenden nur: Erinnerungsgegner - ist der Erinnerung entgegengetreten und meint, ein Telefonat allein löse keine Terminsgebühr aus. Auch eine „fiktive“ Terminsgebühr sei nicht entstanden.
Im Übrigen sei die festgesetzte Verfahrensgebühr zu hoch bemessen, da sie lediglich mit 100 EUR zu beziffern sei.
Der Erinnerungsführer beantragt,
1. für die Tätigkeit im Ausgangsverfahren eine Terminsgebühr von 200 EUR festzusetzen,
2. die Erinnerung des Erinnerungsgegners zurückzuweisen.
Der Erinnerungsgegner beantragt,
1. die Erinnerung des Erinnerungsführers zurückzuweisen,
2. die Verfahrensgebühr auf 100 EUR festzusetzen.
Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
II.
Die gem. § 56 Abs. 1 RVG statthaften Erinnerungen haben Erfolg. Der angegriffene Vergütungsfestsetzungsbeschluss erweist sich als rechtswidrig, der Urkundsbeamte hat zu Unrecht die Festsetzung der beantragten Terminsgebühr abgelehnt und die Verfahrensgebühr zu hoch festgesetzt.
Gem. § 3 Abs. 1 S. 1 RVG entstehen in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen das GKG nicht anzuwenden ist, Betragsrahmengebühren, die dem im Wege der PKH beigeordneten Rechtsanwalt aus der Landeskasse zu erstatten sind, § 45 Abs. 1 RVG. Es handelt sich bei dem Ausgangsverfahren um ein Verfahren mit kostenprivilegierten Beteiligten im Sinne von § 183 S. 1 SGG. Damit scheidet die Anwendung des GKG gem. § 197a Ab...