Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. Terminsgebühr gem RVG-VV Nr 3106. telefonische Vergleichsgespräche. Erledigung des Rechtsstreits. Wahrnehmung mehrerer Termine. Terminsbegriff
Orientierungssatz
1. Eine Terminsgebühr gem RVG-VV Nr 3106 fällt an, wenn ein Bevollmächtigter Vergleichsgespräche am Telefon führt und dieses Telefonat zum Vergleichsschluss und zur vollständigen Erledigung des Rechtsstreits führt.
2. Der Terminsbegriff laut Amtlicher Vorbemerkung 3 Abs 3 vor RVG-VV Nr 3100 ist weit auszulegen. Er umfasst daher mit Ausnahme von Mandantengesprächen praktisch alle Verhandlungen, Erörterungen und sonstige Besprechungen, bei denen der Rechtsanwalt zielgerichtete Bemühungen zur Beilegung des Rechtsstreits entfaltet. Die Kammer vertritt auch nicht die Auffassung, der Anwalt müsse bei diesen Besprechungen persönlich anwesend sein.
Tenor
Auf die Erinnerung wird der Kostenfestsetzungsbeschluss vom 05.01.2010 geändert.
Die dem Erinnerungsführer aus der Landeskasse zu erstattenden Gebühren und Auslagen werden auf 355,10 € festgesetzt.
Dieser Beschluss ergeht gebührenfrei. Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I. Der Erinnerungsführer wendet sich als im Rahmen der Gewährung von Prozesskostenhilfe beigeordneter Rechtsanwalt gegen die Verringerung in Ansatz gebrachter Kosten, die der Kostenbeamte in seinem Kostenfestsetzungsbeschluss vom 05.01.2010 vorgenommen hat. Davon betroffen ist
das Entstehen einer Terminsgebühr iHv 200,- € (§§ 3, 14 RVG iVm Nr. 3106 VV).
Der Erinnerungsführer meint, die Ablehnung der Gebühr ungerechtfertigt, und führt dafür rechtliche (1) und tatsächliche (2) Gründe an: 1. Die (fiktive) Terminsgebühr sei in beantragter Höhe durch einen Vergleichsabschluss entstanden, die Nichtbenennung dieses Entstehungsgrundes in Nr. 3106 VV RVG im Gegensatz zu Nr. 3104 VV RVG beruhe auf einem gesetzgeberischen Versehen; 2. Sie sei auch deswegen entstanden, weil mit der Vertreterin des Beklagten des Ausgangsverfahrens wiederholt Telefonate geführt worden seien, die zur vergleichsweisen Beendigung des Rechtsstreits geführt hätten. Für letzteres legt er eine entsprechende Bestätigung vor.
Der Erinnerungsgegner tritt der Erinnerung entgegen und verweist auf Rechtsprechung des LSG Schleswig.
Eine Abhilfeentscheidung ist nicht erfolgt.
II. Die Erinnerung ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.
Der Erinnerungsführer kann die Terminsgebühr beanspruchen, allerdings nicht als “fiktive„ (1), sondern für die tatsächliche Terminswahrnehmung (2).
Nach Maßgabe der Nrn. 3100, 3104, 3106 VV RVG entsteht im sozialgerichtlichen Verfahren eine Terminsgebühr. Gesetzlich definiert ist sie nicht. Laut Amtlicher Vorbemerkung 3 Abs. 3 vor Nr. 3100 VV RVG entsteht sie für die Vertretung in einem Verhandlungs- Erörterungs- oder Beweisaufnahmetermin oder die Wahrnehmung eines von einem gerichtlich bestellten Sachverständigen anberaumten Termins oder die Mitwirkung an auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichteten Besprechungen auch ohne Beteiligung des Gerichts; dies gilt nicht für Besprechungen mit dem Auftraggeber. Daneben entsteht sie in sozialgerichtlichen Verfahren, in denen Betragsrahmengebühren entstehen, auch denn, wenn in einem Verfahren, für das mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, im Einverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden wird, nach § 105 Abs. 1 SGG ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entschieden wird oder das Verfahren nach angenommenem Anerkenntnis ohne mündliche Verhandlung endet (Nr. 3106 VV RVG).
1. Bei einem Verfahrensabschluss durch Vergleich ist der Gebührentatbestand der Nr. 3106 VV zu § 14 RVG nicht erfüllt. Er unterscheidet sich insoweit von Nr. 3104, derzufolge die fiktive Terminsgebühr in Fällen, in denen der Streitwert für die Höhe der Gebühren maßgeblich ist (also etwa in denen des § 197a SGG), auch nach schriftlichem Vergleichsabschluss in Ansatz gebracht werden kann. Es handelt sich nicht um ein Redaktionsversehen des Gesetzgebers; vielmehr wollte dieser die Kostenlast für finanziell schwächere Kläger, die zum Personenkreis des § 183 SGG zählen, begrenzen, zumal bei Vergleichsabschlüssen regelmäßig ein Teil ihrer notwendigen außergerichtlichen Kosten, zu denen dann auch die Einigungsgebühr gehört, bei ihnen verbleibt (SG Aachen, Beschluss vom 27.10.2005 - S 22 (3) SB 267/04 -; SG Duisburg, Beschluss vom 24.04.2006 - S 21 RJ 140/04 -; im Ergebnis auch LSG Schleswig, Beschluss vom 14.11.2007 - L 1 B 513/07 R SK -, alle zitiert nach juris).
2. Es haben jedoch Termine im Sinne der oben aufgeführten kostenrechtlichen Regelungen stattgefunden, an denen der Erinnerungsführer die Klägerin des Ausgangsverfahrens vertreten hat. Denn nach der zitierten amtlichen Vorbemerkung ist der Terminsbegriff weit auszulegen, wie schon der besondere Hinweis auf die nicht notwendige Beteiligung des Gerichtes nahelegt. Er umfasst daher mit Ausnahme von Mandantengesprächen praktisch alle Verhandlungen, Erörterungen un...