Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Sachverständigenvergütung. Ersatz besonderer Aufwendungen. COVID-19 Pandemie. keine Erstattung besonderer Hygieneaufwendungen ab 2021. Gemeinkosten
Leitsatz (amtlich)
Jedenfalls ab dem Jahr 2021 sind bei körperlichen Untersuchungen die besondere Hygieneaufwendungen eines medizinischen Sachverständigen, die infolge der Covid-19-Pandemie anfallen, Teil der Gemeinkosten und nicht mehr gesondert zu erstatten.
Tenor
Die Vergütung des Antragstellers für die Erstattung des schriftlichen Gutachtens im Verfahren S 14 SB 76/19 wird auf
1.570,25 EUR
festgesetzt.
Die Beschwerde wird zugelassen.
Gründe
I.
Der Antragsteller war durch die in der Sache zuständige Kammervorsitzende im Verfahren S 14 SB 76/19 (im Folgenden: Ausgangsverfahren) zum Sachverständigen bestellt und mit der Erstattung eines schriftlichen Gutachtens beauftragt worden. Nach dessen Vorlage unter dem 26. Februar 2021 machte er mit selbem Datum seine Vergütung mit Kostenrechnung Nr. 211/2021 in Höhe von insgesamt 1.577,86 EUR geltend. Dem entsprach die Kostenbeamtin in ihrer Festsetzung vom 31 März 2021 nahezu unverändert (rechnerisch ergab sich insoweit 1 Ct. zugunsten des Antragstellers) - allerdings setzte sie die von dem Antragsteller geltend gemachte „Vergütung für erhöhten Hygieneaufwand aus Anlass der Covid-19-Pandemie“ ab, die er unter Anwendung von Nr. 245 GOÄ mit 6,41 EUR (zuzüglich Umsatzsteuer) beziffert hatte. Zur Begründung verwies sie darauf, dass ein Hygieneaufschlag im JVEG nicht vorgesehen sei.
Mit Schriftsatz vom 6. April 2021, der am selben Tag bei dem Sozialgericht Fulda eingegangen ist, hat der Antragsteller die richterliche Festsetzung der Vergütung beantragt. Dabei macht er geltend, dass die „Analogziffer“ Nr. 245 GOÄ sehr wohl habe vergütet werden müssen, da der außergewöhnliche hygienische Mehraufwand aufgrund der Corona-Pandemie nicht mit den Gemeinkosten für Sachverständige abgegolten sei. Insoweit lägen allerdings widersprechende Auffassungen verschiedener Obergerichte vor.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
seine Vergütung für die Erstattung des schriftlichen Gutachtens im Ausgangsverfahren auf 1.577,86 EUR festzusetzen.
Der Antragsgegner beantragt,
die streitgegenständliche Vergütung auf 1.570,25 EUR festzusetzen.
Zur Begründung führt sie aus, dass seitens der Staatskasse mangels gegebener Rechtsgrundlage die coronabedingten Mehrkosten nicht anerkannt würden, insbesondere nicht in Gestalt eines pauschalen Betrages. Es komme allenfalls eine Heranziehung von § 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 JVEG in Betracht, wozu aber der konkrete Nachweis der Aufwendungen durch den Sachverständigen erforderlich sei. Insoweit müsse dargelegt werden, welche zusätzlichen allein relevanten Verbrauchsaufwendungen angefallen seien. Hieran fehle es.
II.
Der Anspruch des Antragstellers beschränkt sich auf den tenorierten Umfang und somit ohne Berücksichtigung zusätzlicher Mehraufwendungen wegen Hygienemaßnahmen aus Anlass der Corona-Pandemie.
1. Wie beide Beteiligte bereits vorgetragen haben, liegen im Ergebnis bisher zwei widersprechende obergerichtliche Entscheidungen zur Frage der Berücksichtigung von coronabedingten Aufwendungen bei der Vergütung von Sachverständigen nach dem JVEG vor. Einerseits hat das LSG Baden-Württemberg in seinem Beschluss vom 12. November 2020 (L 10 KO 3421/20, juris) die (analoge) Anwendung von Nr. 245 GOÄ mit dem Argument verneint, dass in § 10 JVEG eine abschließende Regelung all derjenigen Fälle vorliege, in denen Gebührennummern der GOÄ bei der Bestimmung der Vergütung von Sachverständigen nach dem JVEG zur Anwendung kommen. Damit sei der gebührenrechtliche Rückgriff auf den Abschnitt O der GOÄ beschränkt, zu dem Nr. 245 nicht gehört. Eine Subsumtion dieser Aufwendungen unter § 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 JVEG setze hingegen deren Darlegung nach Grund und Höhe voraus, die im dortigen Fall - wie auch hier - nicht durch den Sachverständigen erfolgt sei.
Andererseits hat das LSG Rheinland-Pfalz im Beschluss vom 18. November 2020 (L 4 SB 122/19, juris = MEDSACH 121, S. 128 ff.) die zusätzliche Vergütung unter Anwendung von Nr. 245 GOÄ bejaht; die Hygieneaufwendungen seien als „notwendige besondere Kosten“ im Sinne des § 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 JVEG zu ersetzen. Die hier im Wortlaut erfassten „verbrauchten Stoffe und Werkzeuge“ seien nicht als abschließende Aufzählung zu verstehen, vielmehr stelle sich diese Vorschrift als eine „Auffangklausel“ dar. Zwar fielen Hygieneverbrauchsmittel typischerweise unter die üblichen Gemeinkosten, deren Begriff allerdings im Gesetz nicht konkret definiert sei. Allerdings seien die durch das Auftreten der Corona-Pandemie veranlassten zusätzlichen, umfangreicheren Hygienemaßnahmen ausschließlich durch ebenjene Pandemie veranlasst und dienten speziell deren Eindämmung; nach Ende der Pandemie würden diese „voraussichtlich wieder entfallen“. Somit werde mit ihnen ein „neuer allgemeingültiger erhöhter Hygienestandard“ nicht etabliert. Allein der Umstand, dass all...