Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Sachverständigenvergütung. besondere Aufwendungen. COVID-19-Pandemie. Kosten für Einhaltung der Hygienemaßnahmen. Nichtvorliegen eines Einzelnachweises über zusätzliche Aufwendungen. pauschalierender Ansatz. Kostenschätzung
Leitsatz (amtlich)
1. Die Kosten eines Sachverständigen für die Einhaltung der Hygienemaßnahmen anlässlich einer Begutachtung während der Covid-19-Pandemie sind besondere Aufwendungen im Sinne des § 12 Abs 1 S 2 Nr 1 JVEG.
2. Liegt ein Einzelnachweis der Aufwendungen nicht vor, ist zur Konkretisierung des unbestimmten Rechtsbegriffs "notwendige besondere Kosten" auf einen pauschalisierenden Ansatz zurückzugreifen.
3. Für die Schätzung der Kosten ist auf Nr 245 der Anlage Gebührenverzeichnis zur GOÄ zurückzugreifen, so dass sich ein Kostenansatz iHv 6,41 € (1-facher Satz) netto ergibt.
Tenor
Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers wird der Beschluss des Sozialgerichts Fulda 9. August 2021 abgeändert und die Vergütung des Beschwerdeführers für das im Verfahren S 14 SB 76/19 erstellte Gutachten vom 26. Februar 2021 auf insgesamt 1.577,86 € festgesetzt.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die Höhe der Vergütung eines Sachverständigengutachtens nach dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG).
In dem Klageverfahren des B. gegen das Hessische Amt für Versorgung und Soziales Fulda (Sozialgericht Fulda, S 14 SB 76/19) erstellte der Beschwerdeführer ein Gutachten von Amts wegen zur Höhe des bei dem Kläger festzustellenden Grades der Behinderung (GdB). Die Vorsitzende der 14. Kammer beauftragte Prof. Dr. C. mit Beweisanordnung vom 26. August 2019 und fügte ergänzend an: „Ich bitte um Erstellung eines orthopädischen Zusatzgutachtens durch Herrn Dr. A., A-Stadt“. Prof. Dr. C. gab die Gerichtsakte an den Beschwerdeführer weiter und legte sein Gutachten vom 13. November 2020 am 16. November 2020 vor.
Der Beschwerdeführer legte sein Gutachten am 27. Februar 2021 vor und machte mit Kostenrechnung vom 26. Februar 2021 eine Vergütung in Höhe von insgesamt 1.577,86 € geltend.
Dieser Betrag setzt sich wie folgt zusammen:
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HWS in 2 Ebenen |
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22,73 € |
Digitalzuschlag |
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4,37 € |
HWS ergänzende Ebene |
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12,12 € |
Digitalzuschlag |
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2,33 € |
LWS in 2 Ebenen |
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30,31 € |
Digitalzuschlag |
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5,83 € |
Vergütung für erhöhten Hygieneaufwand aus Anlass der Covid-19-Pandemie |
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6,41 € |
Aktenstudium |
2 Stunden |
150,00 € |
Anamnese und Untersuchung |
4 Stunden |
300,00 € |
Abfassung der schriftlichen Beurteilung |
7 Stunden |
525,00 € |
Diktat und Korrektur |
3 Stunden |
225,00 € |
Schreibauslagen |
32000 Anschläge |
28,80 € |
Portoauslagen |
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13,04 € |
Zwischensumme |
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1.325,94 € |
Umsatzsteuer |
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251,92 € |
Gesamtbetrag |
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1.577,86 € |
Die Rechnung wurde von der Urkundsbeamtin mit Schreiben vom 31. März 2021 um den Hygieneaufschlag in Höhe von 6,41 € nebst Umsatzsteuer gekürzt, so dass ein Gesamtbetrag in Höhe von 1.570,25 € anerkannt wurde.
Der Beschwerdeführer beantragte mit Schreiben vom 6. April 2021 die richterliche Festsetzung der Vergütung. Er führte aus, dass der Hygieneaufschlag in Rheinland-Pfalz akzeptiert werde und verwies auf eine Entscheidung des LSG Rheinland-Pfalz vom 18. November 2020 (L 4 SB 122/19).
Mit Verfügung vom 14. April 2021 lehnte die Urkundsbeamtin eine Abhilfe ab.
Das Sozialgericht hat durch Beschluss vom 9. August 2021 die Entschädigung des Beschwerdeführers für die Erstattung seines Gutachtens im Verfahren S 14 SB 76/19 auf 1.570,25 € festgesetzt und die Beschwerde zugelassen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass dem Beschwerdeführer die Vergütung wie beantragt mit Ausnahme der Mehraufwendungen wegen Hygienemaßnahmen aus Anlass der Covid-19-Pandemie zustünde. Die Kammer schließe sich der Auffassung an, die einen besonderen Vergütungsanspruch ablehne (Verweis auf LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 12. November 2020, L 10 KO 3421/20). Auch handele es sich bei den Hygieneaufwendungen im Jahr 2021 nicht (mehr) um besondere Kosten gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 JVEG, sondern um Gemeinkosten, die nicht gesondert zu erstatten seien. Im Jahr 2021 zählten solche pandemiebedingten Aufwendungen wie allgemeine Hygienemaßnahmen zu den üblichen Kosten. Diese speziellen Hygienemaßnahmen hätten zwischenzeitlich ihren Besonderheitsstatus verloren.
Der Beschwerdeführer hat gegen den ihm am 12. August 2021 zugestellten Beschluss am 18. August 2021 Beschwerde beim Hessischen Landessozialgericht in Darmstadt eingelegt. Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 13. Oktober 2021 der Beschwerde nicht abgeholfen.
Der Beschwerdeführer ist der Ansicht, dass ihm die Kosten für Hygienemaßnahmen aus Anlass der Covid-19-Pandemie schon deshalb zu erstatten seien, weil sie ihm von in seinem Auftrag tätig werdenden Radiologen in Rechnung gestellt würden. Hierzu legt er eine Rechnung von Radiologen aus D-Stadt vom 13. August 2021 über eine Röntgenuntersuchung vom 5. Juni 2021 vor.
Der Beschwerdeführer beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Fulda vom 9. August 2021, S 4 SF 12/21 K, abzuändern und seine Ver...