Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. Erstattungsfähigkeit der Reisekosten eines auswärtigen Rechtsanwalts

 

Orientierungssatz

Reisekosten und Abwesenheitsgeld eines Rechtsanwalts, der vom Wohnsitz des Klägers und vom Sitz des Gerichts entfernt seine Niederlassung hat, sind jedenfalls dann als notwendige Kosten anzusehen, wenn der Kläger für die Auswahl seines Prozessbevollmächtigten vernünftige, einleuchtende Gründe hat und die Entscheidung nicht willkürlich erfolgt. Es darf dem Kläger nicht verwehrt werden, einen Prozessbevollmächtigten mit seiner Vertretung zu beauftragen, zu dem aufgrund besonderer Kenntnisse als Fachanwalt für Sozialrecht ein besonderes Vertrauensverhältnis besteht.

 

Tenor

Nach dem Urteil vom 04.08.2008 werden auf Antrag des Klägervertreters die von der Beklagten an den Kläger in A-Stadt zu erstattenden, in der Anlage berechneten Kosten auf

82,49 Euro

In Worten: - zweiundachtzig 49/100 - festgesetzt.

Die Kostenfestsetzung erfolgt gemäß § 197 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

 

Gründe

Strittig im vorliegenden Beschluss ist nur noch die Erstattung der Reisekosten des PB nach § 28 BRAGO anlässlich der Wahrnehmung des Termins zur mündlichen Verhandlung am 04.08.2008.

Der Prozessbevollmächtigte (PB) stellte Kostenfestsetzungsantrag auf Erstattung der außergerichtlichen Kosten für das Widerspruchsverfahren, Klageverfahren und die Reisekosten gemäß § 28 BRAGO. Die Beklagte hat die vom PB bestimmten Gebühren für das Widerspruchs- und Klageverfahren erstattet.

Die Fahrtkosten des PB wurden als nicht erstattungsfähig angesehen, da keine Notwendigkeit bestand, einen Anwalt aus Frankfurt am Main zu beauftragen.

Fahrtkosten und Abwesenheitsgeld

Die durch die Beauftragung eines Anwalts/einer Anwältin, der/die vom Wohnsitz des Klägers und vom Sitz des Gerichts entfernt seine/ihre Niederlassung hat, entstandenen Kosten sind jedenfalls dann als notwendige Kosten anzusehen, wenn der Kläger für die Auswahl seines/r PB vernünftige, einleuchtende Gründe hat und die Entscheidung nicht willkürlich erfolgt. Das ist hier der Fall. Es darf dem Kläger nicht verwehrt werden, einen PB mit seiner Vertretung zu beauftragen, zu dem aufgrund besonderer Kenntnisse als Fachanwalt für Sozialrecht ein besonderes Vertrauensverhältnis besteht.

Das Sozialrecht ist zwischenzeitlich so kompliziert - dazu zählt auch das Gebiet der Berufskrankheitenverordnung (BKV) - dass effektiver Rechtsschutz in schwierigen Fällen nur von anerkannten Spezialisten ausgehen kann. Vorliegend ging es um die Prüfung der Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen nach § 3 BKV, was eine rechtliche und keine medizinische Frage ist. Aufgabe der Medizin ist in diesem Verfahren lediglich, zu prüfen, ob Zusammenhänge zwischen beruflichen Einwirkungen und Erkrankungsbild aus medizinischer Sicht wahrscheinlich gemacht werden können.

Des Weiteren ist es überhaupt schwierig einen Fachanwalt für Sozialrecht in der näheren Umgebung zu finden, da sich weniger als 1% der Anwaltschaft für Sozialrecht spezialisiert (NJW-Editorial Heft 47/2009).

Die Vertretung durch die PB war zur sachgerechten Wahrnehmung seiner Interessen und zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlich. Die PB hat sich auf die hier zugrunde liegenden rechtlichen Fragen samt umfangreicher medizinischer Berichte und schwieriger Gutachten intensiv eingearbeitet.

Die Weiterleitung des Mandats an einen Korrespondenzanwalt dürfte wenig Erfolg haben, da kaum ein Anwalt für die hierfür möglichen Rahmengebühren zu finden sein wird, der ca.1500 Blatt Gerichts- und Rentenakte für eine mündliche Verhandlung vorbereitet und intensiv die Interessen des Klägers vertritt, zumal es sich um schwierigen Rechtstreit handelt.

Es ergibt sich folgende Kostenrechnung:

Fahrtkosten gemäß § 28 Abs. 2 Nr. 1 BRAGO

(Frankfurt am Main - Fulda und zurück )

216 KM x a 0,27 Euro

58,32 €

Abwesenheitsgeld gemäß § 28 Abs. 3 Satz 1 BRAGO

(mehr als 4 Stunden bis 8 Stunden)

Fahrtzeit lt. Routenplaner 2 x 1:15 Stunden = 2:30 Stunden )

Sitzungsdauer 11:30 bis 12:50

 1:20 Stunden

 31,00 €

Parkgebühren

2,00 €

Umsatzsteuer gemäß § 25 Abs. 2 BRAGO

17,35 €

108,67 €

Hiervon hat die Beklagte die Parkgebühren von 2,00 Euro, ein Abwesenheitsgeld (bis zu 4 Stunden) von 20,00 Euro und die Umsatzsteuer von 4,18 Euro erstattet.

108,67 Euro - 26,18 Euro (Erstattung) ergibt 82,49 Euro.

Die festgesetzten Kosten sind ab 07.08.2008 (Eingang des Kostenfestsetzungsantrags bei Gericht) mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 des BGB zu verzinsen.

Der Basiszinssatz beträgt ab

01.07.2008

3,19 %

01.01.2009

1,62 %

01.07.2009

0,12 %

01.01.2010

0,12 %

Im Bereich der Sozialgerichtsbarkeit wird der Verzinsungsanspruch auf Antrag mit Inkrafttreten des 6. SGG ÄndG ab 02.02.2002 obligatorisch.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2708293

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