Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Krankenhaus. Kreuzung von Blutkonserven bei Aufnahme eines Versicherten wegen akuter Blutungsanämie. Kodierung der Anämie als Nebendiagnose
Leitsatz (amtlich)
Wird wegen einer akuten Blutungsanämie (D62 ICD-10) eine "Kreuzung" von Blutkonserven für einen stationär aufgenommenen Versicherten durchgeführt, so ist die Anämie auch dann als Nebendiagnose zu kodieren, wenn die "gekreuzten" Blutkonserven dem Versicherten letztlich nicht transfundiert werden.
Nachgehend
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.503,17 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27. Dezember 2008 zu zahlen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Höhe einer Vergütungsforderung wegen einer stationären Krankenhausbehandlung.
Der bei der Beklagten Versicherte Herr X (im Folgenden: Versicherter) wurde vom 12. bis 24. November 2008 in der von der Klägerin betriebenen D-Klinik stationär behandelt. Postoperativ entwickelte der Versicherte eine Nachblutung mit Hämatombildung, die einen Revisionseingriff erforderlich machte. Es kam zu einer auch von der Beklagten nicht in Abrede gestellten Anämie, so dass die behandelnden Ärzte die Bereitstellung zweier Blutkonserven für den Versicherten sowie die hierfür erforderliche “Blutkreuzung„ veranlassten. Letztlich wurden diese Blutkonserven aber nicht transfundiert.
Mit Rechnung vom 24. November 2008 machte die Klägerin auf der Basis der DRG F59A ihre Vergütung geltend in Höhe einer Rechnungsforderung von 5.612,34 EUR. Da nach Auffassung der Beklagten nur die DRG F54Z abrechnungsfähig sei, zahlte sie lediglich 4.208,43 EUR. Die Zahlung der restlichen Vergütung lehnte die Beklagte mit der Begründung ab, dass die abrechnungswirksam kodierte Nebendiagnosen N18.82 (Niereninsuffienz) und D62 (akute Blutungsanämie) vom MDK in einem von der Beklagten in Auftrag gegebenen Gutachten nicht anerkannt worden seien.
Mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 10. Februar 2010, der am Folgetag bei dem Sozialgericht Gießen eingegangen ist, hat die Klägerin Klage erhoben und macht die restliche Vergütungsforderung geltend. Zur Begründung führt sie aus, dass beide von ihr verschlüsselten Nebendiagnosen einen erhöhten Aufwand für das Pflegemanagement darstellten, da Bereitstellung sowie Kreuzung der Blutkonserven und die Hämotherapie als ein Aufwand für die Kodierrichtlinien anzusehen sind.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.503,17 € zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 27. Dezember 2008 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist sie auf die Einschätzung des MDK, dass die Definition einer Nebendiagnose bezüglich der Diagnose D62 ICD-10 (akute Blutungsanämie) nicht erfüllt sei, da die gekreuzte Blutkonserve letztlich nicht verabreicht worden sei; die bloße Bereitstellung von Blutkonserven auch bei vorgenommener Kreuzung sei Teil der allgemeinen Krankenhausleistungen und rechtfertige die Kodierung einer Diagnose nicht.
Am 23. April 2010 wurde die Nebendiagnose N18.81 ICD-10 Niereninsuffizienz seitens des MDK als kodierfähig anerkannt, da ein Ressourcenaufwand hierfür entstanden sei; die Voraussetzungen der Kodierung D62 ICD-10 seien jedoch nicht erfüllt.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch die mündliche Anhörung der Sachverständigen PD Dr. E., Direktorin des Instituts für Laboratoriumsmedizin des Klinikums G.. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 20. September 2011, wegen des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist weithin begründet. Die Klägerin hat Anspruch auf vollständige Vergütung gemäß ihrer Rechnung vom 24. November 2008.
Rechtsgrundlage des geltend gemachten Vergütungsanspruchs der Klägerin ist § 109 Abs. 4 S.3 SGB V i. V. m. § 7 S. 1 Nr. 1 KHEntgG sowie dem Vertrag über die Bedingungen der Krankenhausbehandlung nach § 112 Abs. 2 Nr. 1 SGB V für das Land Hessen. Nach Rechtsprechung des BSG in früheren Jahren entsteht die Zahlungsverpflichtung der Krankenkasse unabhängig von einer Kostenzusage unmittelbar mit der Inanspruchnahme einer Leistung durch den Versicherten (BSGE 86, 166, 168 = SozR 3-2500 § 112 Nr. 1; BSGE 90, 1, 2 = SozR 3-2500 § 112 Nr. 3). Der Behandlungspflicht der zugelassenen Krankenhäuser i. S. des § 109 Abs. 4 S. 2 SGB V steht ein Vergütungsanspruch gegenüber, der nach Maßgabe des Krankenhausfinanzierungsgesetzes, des KHEntgG und der Bundespflegesatzverordnung in der zwischen den Krankenkassen und dem Krankenhausträger abzuschließenden Pflegesatzvereinbarung festgelegt wird.
Die Höhe der einem Krankenhaus zustehenden Vergütung wird durch die abzurechnende DRG bestimmt, die wiederum von den zu kodierenden Diagnosen abhängig ist (zu...