Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende: Anforderungen an die Annahme einer Einstands- und Wirtschaftsgemeinschaft bei Zusammenleben in einer Wohnung. Anforderung an die Annahme eines Anordnungsgrundes bei einstweiligen Rechtsschutzverfahren über die Gewährung von Grundsicherungsleistungen zur Sicherung der Unterkunftskosten

 

Orientierungssatz

1. Von einer Einstands- und Wirtschaftsgemeinschaft kann im Rahmen der Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende noch nicht ausgegangen werden, wenn zwei Personen zwar gemeinsam eine Wohnung bewohnen, beide aber zu den Mietkosten beitragen und die Konten getrennt geführt werden. Dies gilt auch dann, wenn gelegentlich Einkäufe gemeinsam vorgenommen werden auch auch eine gelegentliche gemeinsame Freizeitgestaltung stattfindet.

2. Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende für die Kosten der Unterkunft können im sozialgerichtlichen Eilverfahren nur geltend gemacht werden, wenn konkret der Verlust der Wohnung droht.

 

Tenor

Der Antragsgegner wird im Wege einer einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller ab dem 04.07.2018 bis zum 31.12.2018 Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende in Gestalt des Regelbedarfs nach dem SGB II zu zahlen. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

Der Antragsgegner trägt die Hälfte der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Antragstellers.

 

Gründe

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zum Teil begründet. Der Antragsteller hat sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund bezüglich des Regelbedarfs glaubhaft gemacht. Ein Anordnungsgrund bezüglich der Kosten der Unterkunft liegt dagegen nicht vor. Nach § 86 b Absatz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint (Regelungsanordnung), § 86 b Absatz 2 Satz 2 SGG. In diesem Fall des einstweiligen Rechtsschutzes ist Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Anordnung, dass sowohl Eilbedürftigkeit der Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile (Anordnungsgrund) als auch die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines in der Sache gegebenen materiellen Leistungsanspruches (Anordnungsanspruch) glaubhaft gemacht werden können. Dabei darf die einstweilige Anordnung des Gerichts wegen des summarischen Charakters des Verfahrens grundsätzlich nicht die endgültige Entscheidung in der Hauptsache vorwegnehmen, da sonst die Erfordernisse, die bei einem Hauptsacheverfahren zu beachten sind, umgangen würden. Aus diesem Grund kann eine Verpflichtung zur Erbringung von Geldleistungen - wie sie im vorliegenden Fall begehrt wird - in diesem Verfahren nur ausgesprochen werden, wenn der Antragsteller weiterhin glaubhaft macht, dass ihm andernfalls schwerwiegende Nachteile im Sinne einer existentiellen Notlage drohen und zudem bei summarischer Prüfung mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass er in der Hauptsache obsiegt. Leistungen nach dem SGB II erhalten nach § 7 Absatz 1 Satz 1 SGB II Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr nicht vollendet haben, erwerbsfähig und hilfebedürftig sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben. Hilfebedürftig ist gemäß § 9 Absatz 1 SGB II, wer seinen Lebensunterhalt und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln sichern kann und die erforderliche Hilfe auch nicht von anderen erhält. Bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, sind gem. § 9 Abs. 2 S. 1 SGB II das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen. Eine Bedarfsgemeinschaft besteht nach § 7 Abs. 3 Nr. 3c) SGB II zwischen dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen und der Person, die mit dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen. Das Gericht ist nach der im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes möglichen Prüfung zu dem Schluss gekommen, dass es sich vorliegend noch nicht um eine Einstehens- und Verantwortungsgemeinschaft handelt. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist eine eheähnliche Gemeinschaft eine Lebensgemeinschaft zwischen einem Mann und einer Frau, die auf Dauer angelegt ist, daneben keine weitere Lebensgemeinschaft gleicher Art zulässt und sich durch innere Bindungen auszeichnet, die ein gegenseitiges Einstehen der Partner füreinander begründen, also über die Beziehungen in einer reinen Haushalts- und Wirtsc...

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