Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausschluss von Leistungen der Grundsicherung für einen nicht erwerbstätigen Unionsbürger
Orientierungssatz
1. Zur Bewilligung von Leistungen der Grundsicherung durch einstweiligen Rechtschutz ist ein Anordnungsanspruch und ein Anordnungsgrund glaubhaft zu machen. Für die Vergangenheit besteht kein Anordnungsgrund, weil der Hilfebedürftige seinen Bedarf gedeckt hat. Leistungen für die Vergangenheit können im Weg der einstweiligen Anordnung nicht gesichert werden.
2. Ein Unionsbürger ist nach § 7 Abs. 1 S. 2 SGB 2 von Leistungen der Grundsicherung ausgeschlossen, wenn er keine tatsächliche Erwerbstätigkeit glaubhaft machen kann. Er ist damit nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG nicht freizügigkeitsberechtigt.
3. Der Begriff des Arbeitnehmers in § 7 Abs. 1 S. 2 SGB 2 ist europarechtlich geprägt. Eine Integration in den Betrieb des Arbeitgebers muss gegeben sein, diesem gegenüber muss Weisungsgebundenheit bestehen (BSG Urteil vom 3. 12. 2015, B 4 AS 44/15 R).
4. Bei fehlender Arbeitnehmereigenschaft besteht nach § 23 SGB 12 seit 29. 12. 2016 kein Anspruch mehr auf Leistungen des SGB 12 für den Unionsbürger.
Tenor
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt. Die Beteiligten haben einander keine notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch- Grundsicherung für Arbeitsuchende- (SGB II).
Der am 03.05.1988 in der Sowjetunion geborene Antragsteller lebt in Gelsenkirchen. Nach eigenen Angaben ist er im März 2017 nach Deutschland eingereist und hat sich in verschiedenen Großstädten aufgehalten. Er ist derzeit obdachlos und nächtigt in öffentlichen Parkanlagen. Seine Post wird an Herrn B unter der Anschrift N-Straße in H zugestellt, nachdem der Antragsteller seine Meldeadresse bei der Caritas aufgeben musste. Der Antragsteller gibt an, über einen rumänischen Pass und deshalb über die rumänische Staatsbürgerschaft zu verfügen. Das Personaldokument des Antragstellers wurde wegen des Verdachts der Urkundenfälschung sichergestellt. Dazu wird derzeit eine Begutachtung im Rahmen des Ermittlungsverfahrens bei der Staatsanwaltschaft F durchgeführt.
Der Antragsteller stellte am 25.04.2019 einen Antrag auf Gewährung von Leistungen nach dem SGB II. Er gab dabei an, vom 01.10.2017 bis zum 31.12.2017 bei der Firma E und vom 26.02.2018 bis zum 28.02.2018 bei der Firma F beschäftigt gewesen zu sein.
Mit Bescheid vom 10.05.2019 lehnte der Antragsgegner die begehrte Leistungsbewilligung ab. Der Antragsteller habe keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II, weil er gemäß § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II vom Leistungsbezug ausgeschlossen sei. Als EU-Bürger sei eine Arbeitstätigkeit des Antragstellers erforderlich. Der Antragsteller gehe jedoch derzeit keiner Beschäftigung nach. Auch die angegebenen vormaligen Beschäftigungen bei den Firmen F und E seien nicht geeignet einen Arbeitnehmerstatus zu vermitteln. Insbesondere ergebe sich aus diesen Tätigkeiten keine Fortwirkung der Arbeitnehmereigenschaft nach § 2 Abs. 2 des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (FreizügG/EU).
Der Antragsgegner wies den Widerspruch des Antragstellers mit Widerspruchsbescheid vom 08.07.2019 als unbegründet zurück und verwies dabei auf die im angefochtenen Ablehnungsbescheid enthaltene Begründung. Hierzu hat der Antragsteller am 25.07.2019 ein Klageverfahren anhängig gemacht, welches bei dem Sozialgericht Gelsenkirchen unter dem Aktenzeichen geführt wird.
Der Antragsteller hat am 05.08.2019 einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt, mit dem er die Verpflichtung des Antragsgegners zur vorläufigen Gewährung der Leistungen nach dem SGB II begehrt. Er ist der Ansicht, dass er einen Anspruch auf Leistungen habe und sich die Eilbedürftigkeit daraus ergebe, dass er nicht über die Mittel verfüge, um den allgemeinen Lebensbedarf zu decken und eine Unterkunft zu zahlen.
Der Antragsteller beantragt schriftsätzlich ausdrücklich,
den Antragsgegner im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zu verpflichten, ihm vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu gewähren
und
die Stadt Gelsenkirchen als Sozialhilfeträger zum Verfahren beizuladen.
Der Antragsgegner beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
den Antrag abzuweisen.
Er ist der Auffassung, dass weder Anordnungsanspruch noch Anordnungsgrund bestehe und verweist zur Vermeidung von Wiederholungen im Wesentlichen auf seine Ausführungen im Ablehnungsbescheid vom 10.05.2019 und dem dazu ergangenen Widerspruchsbescheid. Ergänzend trägt er vor, dass die Herkunft des Antragstellers ungeklärt sei. Nach eigenen Angaben sei der Antragsteller in der CSSR geboren, habe aber die rumänische Staatsbürgerschaft. Selbst wenn der Antragsteller EU-Bürger sei, sei er mangels aktueller oder fortwirkender Arbeitnehmereigenschaft von Leistungen ausgeschlossen.
Der Prozessbevollmächtigte hat in diesem sowie in dem Hauptsacheverfahren zwecks Darlegung der Arbei...