Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. freiwillige Versicherung. Vorversicherungszeit. keine Prüfung der Erwerbsfähigkeit als Anspruchsvoraussetzung für den Bezug von Arbeitslosengeld II durch die Krankenkasse

 

Orientierungssatz

Eine Krankenkasse ist bei der Prüfung der Vorversicherungszeiten für den Beitritt zur freiwilligen gesetzlichen Krankenversicherung nicht berechtigt, die Erwerbsfähigkeit als Voraussetzung für den Bezug von Arbeitslosengeld II festzustellen.

 

Tenor

1. Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, die Antragstellerin vorläufig bis zur Bestandskraft des Bescheides der Antragsgegnerin vom 10.03.2006 als freiwillig Versicherte in die gesetzliche Krankenversicherung aufzunehmen.

2. Der Antragstellerin wird Frist gesetzt zur Erhebung eines Widerspruchs gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 10.03.2006. Der Widerspruch ist binnen eines Monats ab Zustellung dieses Beschlusses schriftlich oder zur Niederschrift bei der Antragsgegnerin einzureichen.

3. Die Antragsgegnerin hat der Antragstellerin ihre notwendigen außergerichtlichen Kosten in gesetzlich zulässigem Umfang zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten im Wege der einstweiligen Anordnung um die vorläufige Aufnahme der Antragstellerin in die gesetzliche Krankenversicherung als freiwillig versichertes Mitglied.

Die Antragstellerin hatte von 1994 bis 31.12.2004 Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) vom Landkreis GD. und vom 01.01.2005 bis zum 09.02.2006 Arbeitslosengeld II nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II) von der Gesellschaft für Integration und Arbeit GD. mbH - GIAG gemäß Bescheiden vom 17.05.2005 und 11.10.2005 bezogen.

Sie war während des gesamten Zeitraums bei der Antragsgegnerin gem. § 5 Abs. 2a Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) pflichtversichertes Mitglied. Mit Bescheid vom 11.01.2006 stellte die GIAG die Zahlung von Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem SGB II mit Wirkung zum 10.02.2006 - nicht rückwirkend - wegen der Vollendung des 65. Lebensjahres ein.

Am 13.01.2006 beantragte die Antragstellerin bei der Antragsgegnerin eine freiwillige Krankenversicherung. Die Antragsgegnerin beauftragte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) in Hessen. Nach dessen sozialmedizinischer Fallberatung vom 07.03.2006 aufgrund einer Rücksprache mit dem Hausarzt sei die Antragstellerin zumindest ab dem Jahr 2004 auf Dauer erwerbsunfähig. Die Antragsgegnerin lehnte die freiwillige Weiterversicherung unter Hinweis auf fehlende Vorversicherungszeiten mit Bescheid vom 10.03.2006 ohne Rechtsbehelfsbelehrung ab. Die als Leistungsbezieher nach dem SGB II gemeldete Versicherungszeit könne im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben nicht berücksichtigt werden, da die Antragstellerin Arbeitslosengeld II wegen fehlender Erwerbsfähigkeit zu Unrecht bezogen habe.

Mit dem am 27.03.2006 erhobenen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung begehrt die Antragstellerin Krankenversicherungsschutz bei der Antragsgegnerin.

Die Antragstellerin trägt vor, sie bedürfe dringend des Krankenversicherungsschutzes.

Die Antragstellerin beantragt (sinngemäß),

die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, sie vorläufig bis zur Bestandskraft des Bescheides der Antragsgegnerin vom 10.03.2006 als freiwillig Versicherte in die gesetzliche Krankenversicherung aufzunehmen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen und

der Antragstellerin eine Frist zu Einlegung des Widerspruch gegen den Verwaltungsakt vom 10.03.2006 bzw. zu Klageerhebung zu setzen.

Die Antragsgegnerin führt aus, die Antragstellerin habe weder die "kleine" noch die "große" Vorversicherungszeit gem. § 9 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB V erfüllt. Der Zeitraum vom 01.01.2005 bis 09.02.2006 könne nicht auf die Vorversicherungszeit angerechnet werden, da die Antragstellerin Arbeitslosengeld II zu Unrecht bezogen habe. Wegen der fehlenden Erwerbsfähigkeit seien die Voraussetzungen des § 19 SGB II nicht erfüllt gewesen, da die Voraussetzungen einer mindestens dreistündigen täglichen Erwerbsfähigkeit nach § 8 SGB II für den rechtmäßigen Bezug von Arbeitslosengeld II nicht vorgelegen hätten. Es fehle auch am Anordnungsgrund, da die Antragstellerin im Bedarfsfall anderweitig Schutz bei Krankheit über den Sozialhilfeträger erlangen könne.

Das Gericht hat eine Auskunft der GIAG vom 13.04.2006 eingeholt sowie deren Bescheide über den Bezug der Antragstellerin von Arbeitslosengeld II beigezogen.

Wegen des Sach- und Streitstandes im Einzelnen wird auf den Inhalt der Gerichts- und der Verwaltungsakte der Antragsgegnerin Bezug genommen, welche Gegenstand der Entscheidungsfindung waren.

 

Entscheidungsgründe

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig und insbesondere statthaft sowie begründet.

Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist der Erlass einer einstweil...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge