Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. freiwillige Versicherung. keine Überprüfung des rechtmäßigen Bezugs von Arbeitslosengeld bei ehemaligen Beziehern von Arbeitslosengeld II durch die Krankenkasse

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine eigene Prüfungskompetenz der Krankenkasse zur Frage der Erwerbsfähigkeit besteht nicht.

2. Bestandskräftige Bescheide über den Bezug von Arbeitslosengeld II bilden einen Rechtsgrund für den Leistungsbezug. Für die Feststellung der Vorversicherungszeit gem. § 9 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB 5 kommt es dann nicht darauf an, ob Arbeitslosengeld II materiell "zu Unrecht" bezogen wurde.

 

Tenor

1. Der Bescheid der Beklagten vom 10.03.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.07.2006 wird aufgehoben. Die Beklagte wird verpflichtet, die Klägerin seit 10.02.2006 als freiwillig versichertes Mitglied in die gesetzliche Krankenversicherung aufzunehmen.

2. Die Beklagte hat der Klägerin ihre notwendigen außergerichtlichen Kosten in gesetzlich zulässigem Umfang zu erstatten. Im Übrigen haben die Beteiligten einander keine Kosten zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Aufnahme der Klägerin in die gesetzliche Krankenversicherung als freiwillig versichertes Mitglied.

Die Klägerin hatte von 1994 bis 31.12.2004 Leistungen nach dem Bundssozialhilfegesetz (BSHG) von der Beigeladenen und vom 01.01.2005 bis zum 09.02.2006 Arbeitslosengeld II nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch -Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II) von der Gesellschaft f. I. u. A. GmbH - GmbH - gemäß bestandkräftigen Bescheiden vom 17.05.2005 und 11.10.2005 bezogen. Sie war während des gesamten Zeitraums des Bezugs von Arbeitslosengeld II bei der Beklagten gem. § 5 Abs. 2a Sozialgesetzbuch Fünftes Buch -Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) pflichtversichertes Mitglied. Mit Bescheid vom 11.01.2006 stellte die GmbH die Zahlung von Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem SGB II mit Wirkung zum 10.02.2006 -nicht rückwirkend -wegen der Vollendung des 65. Lebensjahres ein.

Am 13.01.2006 beantragte die Klägerin bei der Beklagten eine freiwillige Krankenversicherung. Die Beklagte beauftragte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) in H. Nach dessen sozialmedizinischer Fallberatung vom 07.03.2006 aufgrund einer Rücksprache mit dem Hausarzt sei die Klägerin zumindest ab dem Jahr 2004 auf Dauer erwerbsunfähig. Die Beklagte lehnte die freiwillige Weiterversicherung unter Hinweis auf fehlende Vorversicherungszeiten mit Bescheid vom 10.03.2006 ohne Rechtsbehelfsbelehrung ab. Die als Leistungsbezieher nach dem SGB II gemeldete Versicherungszeit könne im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben nicht berücksichtigt werden, da die Klägerin Arbeitslosengeld II wegen fehlender Erwerbsfähigkeit zu Unrecht bezogen habe.

Hiergegen erhob die Klägerin am 15.05.2006 Widerspruch.

Die Beklagte wies den Widerspruch nach erfolgter Anhörung mit Schreiben vom 22.05.2006 mit Widerspruchsbescheid vom 10.07.2005 zurück. Die Neuregelung des § 9 Abs. 1 Nr. 1 SGB V solle verhindern, dass ein wegen fehlender Erwerbsfähigkeit rechtswidriger Bezug von Arbeitslosengeld II dazu führe, dass nach Ende des unrechtmäßigen Leistungsbezugs eine dauerhafte freiwillige Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung begründet werden kann. Der Bezug der Leistung des Arbeitslosengeldes II sei gem. § 7 SGB II u. a. davon abhängig, dass der Berechtigte erwerbsfähig sei, § 7 Abs. 1 Nr. 2 SGB II. Eine Erwerbsfähigkeit der Klägerin sei bereits seit dem Jahr 2004 nicht mehr gegeben. Ab diesem Zeitpunkt sei der Bezug von Arbeitslosengeld II zu Unrecht erfolgt. Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine freiwillige Versicherung seien nicht gegeben.

Hiergegen hat die Klägerin am 26.07.2005 Klage zum erkennenden Gericht erhoben. Sie begehrt die Aufnahme in die freiwillige Krankenversicherung zum 10.02.2006.

Die Klägerin beantragt (sinngemäß),

den Bescheid der Beklagten vom 10.03.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.07.2006 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Klägerin seit 10.02.2006 als freiwillig versichertes Mitglied in die gesetzliche Krankenversicherung aufzunehmen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beigeladene stellt keinen Antrag.

Die Beklagte führt aus, die Klägerin habe weder die “kleine„ noch die “große„ Vorversicherungszeit gem. § 9 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB V erfüllt. Der Zeitraum vom 01.01.2005 bis 09.02.2006 könne nicht auf die Vorversicherungszeit angerechnet werden, da die Antragstellerin Arbeitslosengeld II zu Unrecht bezogen habe. Wegen der fehlenden Erwerbsfähigkeit seien die Voraussetzungen des § 19 SGB II nicht erfüllt gewesen, da die Voraussetzungen einer mindestens dreistündigen täglichen Erwerbsfähigkeit nach § 8 SGB II für den rechtmäßigen Bezug von Arbeitslosengeld II nicht vorgelegen hätten. Die GIAG mbH habe Leistungen ohne Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen gewährt, mit der Konsequenz, dass die Klägerin Leistungen nach dem SGB II materiell zu Unrecht bezo...

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