Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. einstweiliger Rechtsschutz. Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. Anforderungen an die Erforderlichkeit eines Umzugs. Unzumutbarkeit des Abwartens einer Entscheidung in der Hauptsache. drohende Kündigung des Mietverhältnisses. rückwirkende Bewilligung von Leistungen
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Umzug ist erforderlich, wenn für den Wohnungswechsel ein plausibler, nachvollziehbarer und verständlicher Grund vorgelegen hat, von dem sich auch ein Nichthilfebedürftiger hätte leiten lassen (Anschluss an BSG vom 24.11.2011 - B 14 AS 107/10 R = SozR 4-4200 Nr § 22 Nr 52). Dafür ist es ausreichend, dass das Treppensteigen für den Leistungsberechtigten mit Schmerzen verbunden ist und keine Verbesserung des gesundheitlichen Zustands zu erwarten ist. Die Grenze der Unzumutbarkeit muss nicht abgewartet werden.
2. Ein Anordnungsgrund liegt bei einem Anspruch auf höhere Kosten der Unterkunft spätestens dann vor, wenn das Hauptsacheverfahren nicht in der Zeit beendet ist, in der die Voraussetzungen einer Kündigung nach § 543 Abs 2 S 1 Nr 3 BGB iVm § 569 Abs 3 Nr 1 BGB vorliegen werden. Der Grundsatz, dass Leistungen vor Erhebung des Antrags auf einstweiligen Rechtsschutz nicht zu bewilligen sind, greift nicht bei einem Streit um Kosten der Unterkunft.
Tenor
1. Der Antragsgegner wird verpflichtet, der Antragstellerin vorläufig ab dem 01.10.2012 bis zur Entscheidung in der Hauptsache, längstens jedoch für sechs Monate, Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 299,50 € zu zahlen.
2. Der Antragsgegner trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin.
Gründe
I.
Die Antragstellerin begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Übernahme der Hälfte der tatsächlichen Kosten ihrer neuen Wohnung.
Die Antragstellerin wohnte zusammen mit ihrem 29jährigen Sohn in einer Mietwohnung. Der Sohn der Antragstellerin studiert und hat einen Nebenjob.
Mit Bescheid vom 05.06.2012 bewilligte der Antragsgegner der Antragstellerin Arbeitslosengeld II für Juli bis Dezember 2012. Dabei berücksichtigte der Antragsgegner Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 191,70 €.
Die Antragsstellerin beantragte mit Schreiben vom 09.08.2012 unter Vorlage des Angebots für ihre jetzige Wohnung die Zusicherung der Übernahme der Kosten der Wohnung. Die Grundmiete der Wohnung beträgt monatlich 410 € und die Betriebskostenvorauszahlungen 129 €. Die Heizkostenvorauszahlungen belaufen sich auf 60 € monatlich. Die Wohnung ist 64,08 qm groß.
Mit Bescheid vom 10.08.2012 stimmte der Antragsgegner der Anmietung der Wohnung nicht zu. Die Wohnung überschreite die Angemessenheitsgrenze von 363 € für die Bruttokaltmiete. Außerdem sei der Umzug nicht notwendig.
Mit Schreiben vom 23.08.2012 legte die Antragstellerin gegen diesen Bescheid Widerspruch ein.
Am 05.09.2012 unterzeichnete die Antragstellerin den Mietvertrag. Zum 01.10.2012 zog die Antragstellerin in die neue Wohnung um.
Mit Widerspruchsbescheid vom 24.10.2012 wies der Antragsgegner den Widerspruch gegen den Bescheid vom 10.08.2012 zurück. Eine Klage erhob die Antragstellerin nicht.
Die Antragstellerin ist der Auffassung, dass der Auszug aus ihrer alten Wohnung erforderlich war. Dort seien hohe Stromkosten angefallen. Außerdem habe sie aus gesundheitlichen Gründen Schwierigkeiten, die Treppen in den vierten Stock hochzusteigen. Sie sei mit ihrem Sohn umgezogen. Dieser trage die Hälfte der Wohnkosten. Bei Berücksichtigung ihres Sohnes sei die Wohnung auch angemessen.
Der streitgegenständliche Antrag ging am 23.10.2012 beim Gericht ein.
Die Antragstellerin beantragt schriftsätzlich,
den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung bis zur Entscheidung in der Hauptsache zu verpflichten, ab dem 01.10.2012 Arbeitslosengeld II unter Berücksichtung der tatsächlichen Kosten der Unterkunft zu bewilligen.
Der Antragsgegner beantragt schriftsätzlich,
den Antrag abzulehnen.
Der Antragsgegner ist der Auffassung, dass eine Zustimmung nicht mehr erteilt werden könne, da die Antragstellerin bereits umgezogen sei. Die gesundheitlichen Gründe machten einen Umzug nicht notwendig. Die neue Wohnung sei nicht angemessen. Die Antragstellerin habe erklärt, alleine umziehen zu wollen.
Das Gericht hat zu der Frage, ob der Sohn der Antragstellerin ebenfalls mit in die neue Wohnung umgezogen ist, Beweis durch die Vernehmung des Sohns der Antragstellerin als Zeugen erhoben. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Erörterungstermin vom 12.11.2012 verwiesen. Im Erörterungstermin teilte die Antragstellerin mit, dass die neue Wohnung im ersten Stock läge und das Haus über einen Aufzug verfüge.
Das Gericht hat Befundberichte bei der Hausärztin der Antragstellerin Fr. Dr. D., Herrn Dr. E. und Herrn Dr. F. eingeholt. Für das Ergebnis wird auf die Befundberichte verwiesen.
II.
Der Antrag der Antragstellerin ist im tenorierten Umfang zulässig und begründet. Soweit Leistungen vor Antragstellung begehrt werden, ist der Antrag unbegründet.
Nach § 86b Abs....