Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtzeitige Feststellung fortbestehender Arbeitsunfähigkeit zur Weiterbewilligung von Krankengeld
Orientierungssatz
1. Die Mitgliedschaft in der Krankenversicherung bleibt nach § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB 5 nur erhalten, solange der Anspruch auf Krankengeld besteht. Infolgedessen ist es erforderlich, dass der Versicherte spätestens am letzten Tag des Versicherungsverhältnisses mit Krankengeldanspruch alle Voraussetzungen erfüllt, um spätestens mit Ablauf dieses Tages einen fortdauernden Krankengeldanspruch entstehen zu lassen. Damit muss der Versicherte zur Weiterbewilligung von Krankengeld seine fortdauernde Arbeitsunfähigkeit spätestens am letzten Tag der bescheinigten Arbeitsunfähigkeit feststellen lassen.
2. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Antragsteller aufgrund Geschäfts- oder Handlungsunfähigkeit an einer rechtzeitigen Wiedervorstellung beim Arzt gehindert war. Dafür trägt er die Beweislast.
Tenor
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Gründe
I.
Die Antragstellerin begehrt die Bewilligung von Krankengeld im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes.
Die 1968 geborene Antragstellerin bezog Arbeitslosengeld I und ab 28. Juli 2014 von der Antragsgegnerin Krankengeld. Am 30. April 2015 stellte der C. die fortdauernde Arbeitsunfähigkeit der Antragstellerin bis zum 31. Mai 2015 fest, woraufhin die Antragsgegnerin erneut Krankengeld zahlte. Am 1. Juni 2015 stellte der C. die Arbeitsunfähigkeit bis zum 30. Juni 2015 fest. Mit Schreiben vom 12. Juni 2015 lehnte die Antragsgegnerin eine Bewilligung von Krankengeld ab dem 1. Juni 2015 ab, weil zunächst nur bis zum 31. Mai 2015 die Arbeitsunfähigkeit nachgewiesen worden sei und aufgrund der ärztlichen Bestätigung vom 1. Juni 2015 ein Krankengeldanspruch erst ab dem 2. Juni 2015 entstehe. An diesem Tag sei die Antragstellerin aber nicht mehr mit Anspruch auf Krankengeld versichert gewesen.
Hiergegen legte die Antragstellerin am 24. Juni 2015 Widerspruch ein. Zur Begründung führte sie aus, es sei ihr am 29. Mai 2015 zeitlich nicht möglich gewesen, den Auszahlungsschein bei ihrem Hausarzt abzugeben und ausfüllen zu lassen, da die Hausarztpraxis freitags nur morgens geöffnet habe. An diesem Freitag habe sie zuerst zu ihrer eigenen Therapie und anschließend aufgrund der Krebserkrankung ihres Bruders zu einem Arztgespräch ins Krankenhaus gemusst. Ihr Bruder sei am 10. Juni 2015 verstorben.
Am 15. Juli 2015 hat die Antragstellerin beim Sozialgericht Gießen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt.
Zur Begründung wiederholt sie ihr Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren. Ergänzend trägt sie vor, sie sei rückwirkend einschließlich des hier streitigen Freitages krankgeschrieben worden. Die Arbeitsunfähigkeit sei damit durchgehend festgestellt worden. Es könne nicht richtig sein, dass ein Krankengeldanspruch verloren gehe, nur weil es versäumt werde, sich für einen einzigen Tag krankschreiben zu lassen. Der Lebensunterhalt der Antragstellerin werde zur Zeit lediglich von dem Einkommen des Ehemannes (2.400 EUR netto) sichergestellt.
Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,
die Antragsgegnerin vorläufig bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, der Antragstellerin über den 31. Mai 2015 hinaus Krankengeld in gesetzliche Höhe zu bewilligen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Sie nimmt im Wesentlichen Bezug auf ihre Ausführungen im Widerspruchsverfahren.
Das Gericht hat einen Befundbericht bei dem C. eingeholt. In seinem Bericht vom 13. August 2015 hat er auf die Frage, ob die Antragstellerin im Zeitraum 29. Mai bis 31. Mai 2015 an einer auf Dauer angelegten Störung der Geistestätigkeit litt, die es ihr unmöglich machte, ihre Entscheidungen von vernünftigen Erwägungen abhängig zu machen, ausgeführt, bei der Antragstellerin habe in diesem Zeitraum keine Geisteskrankheit im Sinne der ICD-Klassifikation oder des psychiatrischen Manuals vorgelegen. Es habe allerdings eine seelische und komplex-psychosomatische sowie in ihren Auswirkungen auch körperliche Ausnahmesituation vorgelegen, die auf die Alltagsfähigkeiten eine negative Beeinflussung wahrscheinlich mache. Genauso dürften Konzentrationsfähigkeit, Aufmerksamkeitsspanne und Merkfähigkeit reduziert gewesen sein. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit seien die höheren instrumentellen Fähigkeiten der Alltagsbewältigung verschlechtert bzw. eingeschränkt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Akte der Antragsgegnerin Bezug genommen, die der Entscheidung zugrunde gelegen haben.
II.
1. Der Antrag ist zulässig, aber unbegründet.
Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung liegen nicht vor.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffe...