Entscheidungsstichwort (Thema)
Soziales Entschädigungsrecht: Entschädigung für einen Impfschaden. Ursachenzusammenhang zwischen einer Tetanus-Impfung und einer neurologischen Erkrankung. Anforderung an die Begründung eines Antrags im Zugunstenverfahren
Orientierungssatz
1. Eine neurologische Erkrankung kann nicht als Folge einer Impfung mit einem Tetanus-Impfstoff und damit als Impfschaden anerkannt werden, da es insoweit an einem erwiesenen Ursachenzusammenhang fehlt.
2. Trägt ein Antragsteller in einem Verfahren auf Erlass eines Zugunstenbescheides (hier: Feststellung eines Impfschadens) lediglich die Argumente vor, die er bereits im vorhergehenden Sozialverwaltungsverfahren geltend gemacht hat, kann der Sozialleistungsträger ohne erneute Sachprüfung unter Bezugnahme auf die Bindungswirkung des früheren Bescheides den Antrag zurückweisen.
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Im Streit steht die Anerkennung und Entschädigung eines Impfschadens im Wege des Überprüfungsverfahrens nach § 44 SGB X.
Der 1951 geborene Kläger hatte erstmals mit Schreiben vom 11.01.2007 gegenüber dem Beklagten einen Impfschaden geltend gemacht. Als Schädigungsfolgen hatte er u. a. eine Schädigung des peripheren Nervensystems, Gelenkbeschwerden, Allergie und Hautausschläge angegeben, ursächlich hierfür seien Impfungen gegen Tetanus am 07. und 21.08.1990 gewesen. Mit Schreiben vom 01.02.2007 hatte er eine weitere Tetanusimpfung vom 29.08.1986 als mögliche Ursache einer leichten Nervenschädigung geltend gemacht, welche durch die später erfolgten Impfungen eskaliert sei.
Der Beklagte hatte nach umfangreichen Ermittlungen einen Versorgungsanspruch durch Bescheid vom 29.05.2007 abgelehnt, da ein Gesundheitsschaden in Folge Tetanusimpfung bei dem Kläger nicht wahrscheinlich sei, worauf dieser fristgerecht Widerspruch eingelegt hatte, welcher durch Widerspruchsbescheid vom 12.06.2007 als unbegründet zurückgewiesen worden war.
Der Kläger hatte hiergegen am 10.08.2007 unter dem Aktenzeichen S 16 VJ 1/07 vor dem Sozialgericht Gießen Klage erhoben. Der Kläger hatte in diesem Verfahren ein in seinem Auftrag durch Dr. C., C-Stadt, am 13.03.2008 erstattetes Gutachten vorgelegt, welcher den Kausalzusammenhang zwischen den Tetanusimpfungen sowie einer Erkrankung des Klägers an einer makrophagischen Myofasziitis bejaht und die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE - heute Grad der Schädigungsfolgen/GdS) mit 50 v. H. angenommen hatte. Zur Akte sind außerdem ein für die D. Versicherungs AG erstattetes neurologisches Gutachten der Uniklinik G… (Prof. Dr. E.) vom 17.07.1992 sowie ein Befundbericht des Neurologen Dr. Dr. F. vom 28.03.2007 gelangt.
Auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hatte zudem am 25.10.2008 der ehemalige Direktor der Landeskinderklinik …/S…, Prof. Dr. G., ein Gutachten erstattet, worin dieser die Anerkennung eines Impfschadens aufgrund der fehlenden Primärbeschwerden in der postvakzinalen Inkubationszeit von maximal 21 Tagen im Anschluss an die Impfung vom 21.08.1990 verneint hatte. Bereits im damaligen Verfahren hatte der Kläger u. a. vorgetragen, die von Prof. Dr. G. als passagere Nebenwirkungen angegebenen Kopfschmerzen und Schwindel etc. seien von Anfang an da gewesen und hätten durchgehend bis heute bestanden, so dass es sich um ein beständiges Krankheitsbild und nicht um ein vorübergehendes im Sinne von passager gehandelt habe. Die Patientenakte des Hausarztes Dr. H. sei an vielen Stellen falsch oder unvollständig, die Behauptung, es fehle der zeitliche Zusammenhang zu der Impfung, sei somit falsch. Bereits unmittelbar nach der Impfung seien erste Krankheitszeichen in Form von Herzrhythmusstörungen und Kreislaufproblemen aufgetreten, welche durch Dr. H. mittels des Medikaments Kalitrans, verordnet am 24.08. und 04.09.1990 behandelt worden seien. Der Nachweis eines Impfschadens sei damit erbracht.
Durch Urteil vom 04.06.2009 hatte das Sozialgericht Gießen die Klage als unbegründet abgewiesen, da der Nachweis eines Impfschadens infolge der drei geltend gemachten Tetanus-Impfungen nicht erbracht und auch nicht glaubhaft gemacht werden konnte. Bei den vom Kläger für den Zeitraum unmittelbar nach den Impfungen im August geklagten Beschwerden (Fieber, Schwindel, Kopfschmerz, Schwellung regionaler Lymphknoten, Kreislaufreaktionen) habe es sich um übliche Impfreaktionen bei hyperimmunisierten Personen gehandelt. Eine sog. außergewöhnliche Impfreaktion könne bei dem Kläger durch seine eigenen Aussagen gegenüber dem Gutachter Prof. Dr. G. (Blatt 10 des Gutachtens) für den 12.10.1990 und anlässlich der Antragstellung (Blatt 12 Beschädigtenakte) erstmals für Ende November 1990 glaubhaft gemacht werden im Sinne des § 15 Verwaltungsverfahren-KOV. Ein Nachweis durch ärztliche Dokumentation fände sich in der Patientenakte des Dr. H. frühestens für den 15.07.1991. Im Hinblick auf die zeitliche D...