Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen einer Beitragspflicht für eine aus erworbenen Versorgungsanwartschaften gezahlte Kapitalabfindung
Orientierungssatz
1. Eine Abfindung aus erworbenen Leistungsanwartschaften fällt als Kapitalleistung unter den Anwendungsbereich des § 229 Abs. 1 Nr. 5 S. 3 SGB 5. Danach ist auch eine nicht regelmäßig wiederkehrende Leistung, welche an die Stelle der Versorgungsbezüge tritt und vor Eintritt des Versicherungsfalls vereinbart worden ist, beitragspflichtig.
2. Die Beitragspflicht wird über § 226 Abs. 2 SGB 5 aber dann ausgeschlossen, wenn die monatlichen beitragspflichtigen Einnahmen ein Zwanzigstel der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 SGB 4 nicht übersteigen.
3. Eine für erworbene Anwartschaften gezahlte Abfindung fällt nicht unter den Begriff des Arbeitsentgelts nach § 14 Abs. 1 S. 1 SGB 4. In § 162 SGB 6 und § 342 SGB 3 ist abschließend geregelt, welche Einnahmen versicherungspflichtig sind. Dort nicht genannte Einnahmen sind der Beitragsberechnung nicht zugrunde zu legen. Für die Beitragshöhe kommt es auf das Arbeitsentgelt an. Eine Beitragspflicht von Versorgungsbezügen ist in §§ 162 SGB 6, 342 SGB 3 gerade nicht geregelt.
Tenor
Der Bescheid vom 19.12.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.06.2012 wird aufgehoben und die Beklagte wird verurteilt, die auf die Abfindung entrichteten Arbeitnehmerbeiträge zur gesetzlichen Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung i.H.v. 1.580,91 € zu erstatten.
Die Beklagte hat der Klägerin ihre zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Im Übrigen sind außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um Gesamtsozialversicherungsbeiträge.
Die Klägerin ist bei der Beigeladenen zu 1) in einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis.
Seit dem 01. August 1984 bestand bei der Beigeladenen zu 1) eine Unterstützungskasse der Unterstützungseinrichtung der Ärztlichen Verrechnungsstelle Büdingen e.V. In diese Unterstützungskasse wurden durch die Beigeladene zu 1) Einzahlungen für die Klägerin geleistet. Hieraus erwarb die Klägerin Anwartschaften für eine betriebliche Alters-, Invaliditäts- und Hinterbliebenenversorgung.
Im April/Mai 2011 schloss die Klägerin mit der Beigeladenen zu 1) und der Unterstützungseinrichtung der Ärztlichen Verrechnungsstelle Büdingen e.V. (im Folgenden Unterstützungskasse) und deren Tochterunternehmen e.V. eine Abfindungsvereinbarung hinsichtlich der bereits erworbenen Versorgungsanwartschaften. Als Abfindung wurde ein Betrag in Höhe von 7.665,00 € vereinbart.
Für den Monat Mai 2011 wurde an die Klägerin Arbeitsentgelt und die vereinbarte Abfindung gezahlt. Die Beigeladene zu 1) führte auch aus der Abfindung Gesamtsozialversicherungsbeiträge in Höhe der folgenden Beträge ab: Krankenversicherungsbeitrag i.H.v. 628,53 €; Pflegeversicherungsbeitrag i.H.v. 74,73 €; Rentenversicherungsbeitrag i.H.v 762,62 €; Arbeitslosenversicherungsbeitrag i.H.v. 114,98 € (vgl. Gehaltsabrechnung Bl. 12 der Verwaltungsakte).
Mit der Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen auf die Abfindung war die Klägerin nicht einverstanden und beantragte bei der Beklagten die Überprüfung und Erstattung der Beiträge (Schreiben vom 19. August 2011).
Mit Bescheid vom 09. Dezember 2011 teilte die Beklagte mit, dass auf Zahlungen von Anwartschaften auf betriebliche Altersvorsorge, die während eines laufenden Beschäftigungsverhältnisses gezahlt werden, grundsätzlich Sozialversicherungsbeiträge zu entrichten seien. Diese würden als einmalige Einnahme zum Arbeitsentgelt gehören.
Hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 28. Dezember 2011 Widerspruch ein.
Mit Widerspruchsbescheid vom 19. Juni 2012 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Zur Begründung wurde vorgetragen, die Abfindung sei als einmalige Einnahme sozialversicherungspflichtig.
Hiergegen hat die Klägerin, vertreten durch ihre Prozessbevollmächtigten, am 19. Juli 2012 Klage zum Sozialgericht Gießen erhoben. Zur Begründung hat sie vorgetragen, die Abfindung unterliege nicht der Beitragspflicht zur Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung. Es handele sich nicht um Arbeitsentgelt. Allenfalls könne eine Beitragspflicht zur gesetzlichen Krankenversicherung bestehen, wenn es sich um Versorgungsbezüge nach § 229 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) handele. Eine Beitragspflicht sei aber dann nach § 226 Abs. 2 SGB V ausgeschlossen, da ein Zwanzigstel der monatlichen Bezugsgröße nicht überschritten werde.
Mit Beschluss vom 21. Mai 2014 wurde die Firma D. GmbH (Arbeitgeber) und mit Beschluss vom 08. September 2014 die Deutsche Rentenversicherung Bund, die Bundesagentur für Arbeit und Die Schwenninger Pflegekasse zum Rechtsstreit notwendig beigeladen.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 19.12.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.06.2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die auf die Abfindung entrichteten Arbeitnehmerbeiträge zur gesetzlichen Krankenversicherun...