Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilferecht: Gewährung von Leistungen zur Grundsicherung im Alter. Verwertung von Vermögen. Einsatz eines Rückkaufwertes aus Sterbegeldversicherung als Vermögen
Orientierungssatz
1. Der Rückkaufswert aus einer Sterbegeldversicherungen ist im Rahmen des Bezugs von Leistungen zur Grundsicherung im Alter nicht als Vermögenswert zu berücksichtigen und muss entsprechend nicht vorrangig zur Bedarfsdeckung eingesetzt werden, jedenfalls soweit die Höhe der aus der Versicherung resultierenden Leistungspflicht im Todesfall des Versicherten angemessen ist (hier: Angemessenheit bejaht für einen Leistungsbetrag in Höhe von 4.600 Euro).
2. Die Verwertung einer Versicherung zur Deckung des sozialhilferechtlichen Bedarfs durch Auszahlung des Rückkaufswertes nach Kündigung ist jedenfalls dann unwirtschaftlich, wenn der dabei eintretende Verlust zur Höhe der entrichteten Beiträge mehr als 26,9 Prozent beträgt.
Tenor
1. Der Bescheid vom 15.04.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.08.2014 wird aufgehoben.
2. Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Leistungen nach dem SGB XII in gesetzlichem Umfang über den 31.03.2014 hinaus zu zahlen.
3. Der Beklagte hat der Klägerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Zahlung von Leistungen nach dem SGB XII über den 31.03.2014 hinaus.
Die 1948 geborene Klägerin stand bei dem Beklagten bis einschließlich März 2014 im monatlichen Leistungsbezug in Höhe von 150,49 EUR. Dem Gesamtbedarf der Klägerin in Höhe von 734,37 EUR stand ein Altersrentenbezug in Höhe von 590,96 EUR gegenüber. Abzüglich einer Haftpflichtversicherung in Höhe von 7,08 EUR verfügte die Klägerin über ein Gesamteinkommen von 583,88 EUR, so dass ein monatlicher Bedarf von 150,49 EUR bestand.
Mit Bescheid vom 15.04.2014 teilte der Beklagte der Klägerin Folgendes mit:
"Sie gehören gem. § 41 SGB XII zum anspruchsberechtigten Personenkreis des 4. Kapitels des SGB XII, da Sie die Altersgrenze erreicht haben.
Anspruch auf Leistungen haben gem. § 19, Abs. 2 SGB XII Personen, die ihren Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenem Einkommen und Vermögen bestreiten können.
Sie besitzen eine Lebensversicherung, bei der C. Versicherung (Nr. xxxxx)
Der aktuelle Rückkaufwert dieser Versicherung beträgt zur Zeit 2.980,34 € (Stand zum 01.03.2014).
Nach § 90 Abs. 1 SGB XII ist das gesamte verwertbare Vermögen einzusetzen.
Die Schongrenze liegt gemäß § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII i. V. m. § 1 Abs. 1a VO zu § 90b Abs. 2 Nr. 9 SGB XII) hier bei 2.600,00 €.
Somit wird die Vermögensfreigrenze um 380,34 € überschritten.
Ihren Antrag auf Weitergewährung der Leistungen nach dem 4. Kapitel SGB XII wird daher abgelehnt.
Sie sind verpflichtet, Ihr Vermögen von 380,34 € für die Sicherung Ihres Lebensunterhaltes aufzubrauchen, ehe Sie wieder einen Antrag bei uns stellen können."
Hiergegen legte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit Schriftsatz vom 24.04.2014 Widerspruch ein und machte geltend, es handele sich nicht um eine Lebensversicherung, sondern um eine reine Sterbegeldversicherung, die nicht einzusetzen sei. Insoweit bezog sich der Prozessbevollmächtigte auf eine Bestätigung der C. Lebensversicherung vom 22.03.2014, wonach es sich bei der Versicherung um eine Sterbegeldversicherung handele. Des Weiteren hatte die C. Lebensversicherung mit Schreiben vom 26.02.2014 den Rückkaufswert zum 01.03.2014 auf 2.980,34 EUR festgelegt, wobei die Klägerin bis zum 01.01.2013 4.203,20 EUR gezahlt hatte.
Mit Widerspruchsbescheid vom 15.08.2014 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Auf den Inhalt der Entscheidung wird Bezug genommen.
Dagegen richtet sich die Klage vom 29.08.2014, mit der die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt. Die Klägerin trägt vor, sie könne nicht darauf verwiesen werden, ihre bei der C. Versicherung bestehende Versicherung zu kündigen und zur Bestreitung des Lebensunterhalts einzusetzen, weil es sich um eine Sterbegeldversicherung handele (Schriftsatz vom 22.09.2014).
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 15.04.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.08.2014 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihr Leistungen nach dem SGB XII in gesetzlichem Umfang über den 31.03.2014 zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält die angefochtenen Bescheide für rechtmäßig und bezieht sich zur Begründung seines Antrags auf seinen Schriftsatz vom 26.09.2014, wonach nicht ersichtlich sei, dass mit der Versicherungsgesellschaft eine Zweckbindung vereinbart worden sei.
Dem Gericht lagen die Akten des Beklagten vor.
Entscheidungsgründe
Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig (§§ 87, 90, 92 SGG).
Sie ist auch begründet.
Der Bescheid vom 15.04.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.08.2014 erweist sich als rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, § 54 Abs. 2 SGG. Die Klägerin hat Anspruch auf Zahlung von Leistungen nac...