Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung: Feststellung einer Berufskrankheit. Anforderung an den Nachweis einer Asbestose als Berufskrankheit
Orientierungssatz
1. Im Streit um die Anerkennung einer Berufskrankheit bei Verdacht auf Erkrankung an einem malignen Mesotheliom als Typ B (Asbestose) nach beruflichem Kontakt zu Asbest kann ausnahmsweise auch dann eine Berufskrankheit angenommen werden, wenn das maligne Mesotheliom zwar nicht im Vollbeweis nachgewiesen werden kann, aber aufgrund der verfügbaren Befundberichte so wahrscheinlich ist, dass von einem Vorliegen der Erkrankung ausgegangen werden kann.
2. Einzelfall zur Feststellung eines malignen Mesotheliom als Berufskrankheit.
Tenor
1) Unter Aufhebung des Bescheids vom 19.10.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.04.2012 wird die Beklagte verurteilt, bei dem verstorbenen Versicherten Herrn C. eine Berufskrankheit nach Nr. 4105 der Anlage zur BKV anzuerkennen und der Klägerin als Sonderrechtsnachfolgerin die gesetzlichen Entschädigungsleistungen zu gewähren.
2) Die Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu tragen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten wegen der Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 4105 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (Mesotheliom des Rippenfells durch Asbest) und Gewährung der gesetzlichen Entschädigungsleistungen an die Sonderrechtsnachfolgerin des Versicherten.
Die Klägerin ist die Witwe des 1934 geborenen und 2011 verstorbenen Versicherten Herrn C. Dieser war von 1948 bis 1993 als Elektriker bei Firma E. im Werk F. beschäftigt und in dieser Tätigkeit bei der Beklagten im Rahmen der gesetzlichen Unfallversicherung versichert. Erstmals am 12.07.2011 ging bei der Beklagten eine Berufskrankheiten-Verdachtsanzeige der Klinik G. ein. Die Beklagte leitete unverzüglich ein Verwaltungsverfahren ein und nahm telefonisch Kontakt mit dem Versicherten auf und befragte diesen insbesondere zum beruflichen Werdegang und seinem Umgang mit belastenden Materialien. Der Versicherte gab darin an, er habe Asbestplatten schneiden müssen und habe Lötarbeiten mit Asbestband in größerem Umfang durchgeführt. Aufgrund dessen führte die Beklagte umfangreiche Ermittlungen wegen der Schwere der Erkrankung des Versicherten sehr zügig durch; u.a. zog sie einen histologischen Untersuchungsbefund der Zentralklinik H-Stadt bei, in dem ausgeführt wird, der Befund spreche für ein Pleuramesotheliom. Außerdem zog die Beklagte einen Operationsbericht bei und holte weitere berufliche Auskünfte bei der Firma E. ein. Aus einem im weiteren Verfahren beigezogenen Arztbrief des Referenzzentrums für Weichgewebetumoren der Uni I-Stadt geht hervor, dass sich die dort untersuchenden Ärzte nicht genau festlegen konnten, ob ein Mesotheliom oder ein sarkomatoides Karzinom vorliege. Die weitere Untersuchung am Institut für Pathologie der Uni J-Stadt, Leiterin Prof. K., führte ebenfalls zu keinem eindeutigen Ergebnis. Die Untersucher hatten hier Zweifel, ob ein Mesotheliom im Vollbeweis gesichert werden könnte. Mit Bescheid vom 19.10.2011 lehnte die Beklagte deshalb die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 4105 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) ab. Hiergegen legte der Versicherte, der sich zwischenzeitlich im Koma befand, über seine Tochter rechtzeitig Widerspruch ein. Im Verlauf des Widerspruchsverfahrens verstarb der Versicherte 2011 und wurde ohne Obduktion beigesetzt. Die Beklagte zog im Widerspruchsverfahren die weiteren Krankenunterlagen über die Behandlung des Versicherten bei. Mit Widerspruchsbescheid vom 25.04.2012 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Hiergegen erhob die Klägerin als Sonderrechtsnachfolgerin des Versicherten am 25.05.2012 Klage vor dem Sozialgericht Gießen. Sie ist der Ansicht, bei ihrem verstorbenen Ehemann sei ein Mesotheliom im Vollbeweis gesichert. Es seien deshalb die gesetzlichen Entschädigungsleistungen zu zahlen.
Die Klägerin beantragt,
unter Aufhebung des Bescheids vom 19.10.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.04.2012 die Beklagte zu verurteilen, bei dem verstorbenen Versicherten Herrn C. eine Berufskrankheit nach Nr. 4105 der Anlage zur BKV anzuerkennen und ihr als Sonderrechtsnachfolgerin die gesetzlichen Entschädigungsleistungen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist sie im Wesentlichen auf die im Verwaltungsverfahren getroffenen Feststellungen. Ergänzend legt sie eine weitere Stellungnahme von Frau Prof. Dr. K., J-Stadt, vor. Diese kommt in ihrer Stellungnahme vom 07.02.2013 zu dem Ergebnis, nach nochmaliger Prüfung des Untersuchungsmaterials könne nur ein undifferenzierter maligner spindelzelliger Tumor diagnostiziert werden. Aus pathologisch-anatomischer Sicht erlaube der vorliegende Befund nicht den Vollbeweis eines malignen Mesothelioms. Die von den auswärtigen Zweitgutachtern, insbesondere von Herrn Prof. L., angeführten diagnostischen Überlegungen seien aus ihrer Sicht nicht geeignet, den Vo...