Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Vermögensberücksichtigung. Sparguthaben. Nichtfesthaltung am Rechtsschein der Kontoinhaberschaft. Großeltern als Verfügungsberechtigte für das Sparbuch
Leitsatz (amtlich)
Die Prüfung der Hilfebedürftigkeit (§ 9 SGB 2) bei vorhandenem Sparvermögen hat sich an der Verfügungsberechtigung zu orientieren. Bei Sparbüchern muss sich der Hilfebedürftige nicht am Rechtsschein der Kontoinhaberschaft festhalten lassen.
Tenor
1) Der Bescheid vom 13.01.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.03.2012 wird aufgehoben.
2) Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Leistungen in gesetzlichem Umfang nach dem SGB II auch für die in einer Bedarfsgemeinschaft mit der Klägerin lebende Tochter für die Zeit vom 01.01. bis 31.03.2012 zu zahlen.
3) Der Beklagte hat der Klägerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Im Streit ist die Höhe der Leistungen.
Die 1966 geborene Klägerin steht bei dem Beklagten im Leistungsbezug. Die Klägerin bildet mit ihrer 1996 geborenen Tochter C eine Bedarfsgemeinschaft.
Mit Bescheid vom 13.01.2012 teilte der Beklagte der Klägerin folgendes mit:
“Aufgrund des Vermögens Ihrer Tochter ist diese nicht hilfebedürftig.
Grund: Aufgrund des Datenabgleiches wurde bekannt, dass Ihre Tochter über Kapitalerträge verfügt. Im Rahmen einer Anhörung wurde festgestellt, dass Ihre Tochter über 2 weitere Sparkonten verfügt, die Ihnen angeblich nicht bekannt gewesen sind. Sie wurden von den Großeltern eröffnet.
Kontoinhaber ist C. Gesetzlicher Vertreter der Kontoinhaberin ist Frau A. und der Kindesvater.
Das Sparkonto Nr. XXX unterliegt einer dreimonatigen Kündigungsfrist. Das Sparkonto Nr. XXY ebenfalls. Auf dieser Kopie des Sparplanes wurde sogar von der Sparkasse abgezeichnet, dass die gesetzlichen Vertreter informiert wurden.
Diese beiden Konten belaufen sich auf insgesamt 8.003,10 Euro Guthaben. Hinzu kommt noch das uns bekannte Sparbuch in Höhe von 1.679,81 Euro. Es ergibt sich somit ein Guthaben von 9.682,91 Euro. Es überschreitet den Freibetrag in Höhe von 5.832,91 Euro.
Von letzterem Sparbuch Kontonummer XXZ ist eine Abhebung jederzeit möglich. Somit kann zumindest vorerst von diesem Sparbuch der monatliche Lebensunterhalt von C sichergestellt werden, bis die 3-monatige Kündigungsfrist der weiteren Konten abgelaufen ist.
Der monatliche Anspruch in der Vergangenheit von C belief sich auf ca. 140,00 Euro monatlich. Die Sicherstellung des Lebensunterhaltes ist daher auf Monate hinweg gewährleistet.
Eine weitere Leistungsgewährung ist nicht mehr möglich.„
Hiergegen legte die Klägerin unter dem 31.01.2012 Widerspruch ein, den der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 28.03.2012 als unbegründet zurückwies. Auf den Inhalt der Entscheidung wird Bezug genommen.
Dagegen richtet sich die Klage vom 30.04.2012.
Die Klägerin trägt vor, eine vorzeitige Kündigung des Sparvermögens sei nur durch die im Besitz der Großmutter bzw. der noch lebenden Urgroßmutter möglich. Hierzu seien diese nicht bereit. Der Vermögenswert sei faktisch nicht verfügbar.
Die Klägerin beantragt,
der Bescheid der Beklagten vom 13.01.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.03.2012, zugestellt am 04.04.2012, wird aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, auch die Leistungen für die minderjährige Tochter C, geboren 1996, weiterhin zu bewilligen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält die angefochtenen Bescheide für rechtmäßig und bezieht sich zur Begründung seines Antrags auf seinen Schriftsatz vom 13.06.2012.
Das Gericht hat die Verwaltungsakte des Beklagten beigezogen.
Wegen des weiteren Sachvortrags der Beteiligten und des Sachverhalts im Einzelnen wird auf den Inhalt der Verwaltungs- und Gerichtsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Das Gericht konnte den Rechtsstreit ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, da die Beteiligten sich hiermit einverstanden erklärt haben (§ 124 Abs. 2 SGG).
Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig (§§ 87, 90, 92 SGG).
Sie ist auch begründet.
Die Klägerin hat Anspruch auf Zahlung von Leistungen in gesetzlichem Umfang auch an die im Haushalt lebende Tochter.
Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende erhalten gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben (Nr. 1), die erwerbsfähig (Nr. 2) und hilfebedürftig (Nr. 3) sind und die ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (Nr. 4). Nur wenn alle Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind, besteht ein Leistungsanspruch. Soweit ersichtlich, erfüllt die Tochter der Klägerin die Voraussetzungen gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 2 und 4 SGB II. Nicht endgültig geklärt ist das Bestehen der weiteren Voraussetzungen der Hilfebedürftigkeit (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II).
Hinsichtlich der Zuordnung eines Sparguthabens zum Vermögen des Hilfebedürftigen hat die Rechtsprechung folgende Grundsätz...