Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen derselben Angelegenheit bei dem Anfall von Rechtsanwaltsgebühren

 

Orientierungssatz

Dieselbe Angelegenheit i. S. des § 15 Abs. 2 RVG liegt gebührenrechtlich dann vor, wenn zwischen den anwaltlichen Leistungen, die verschiedene Gegenstände betreffen, ein innerer Zusammenhang gegeben ist; d. h. es muss ein einheitlicher Auftrag und ein einheitlicher Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit vorliegen. Ist eine Dekubitusbehandlung durch zwei verschiedene Verordnungen angeordnet worden und betreffen sie zudem verschiedene Zeiträume, so werden sie nicht von einem einheitlichen Auftrag umfasst. Infolgedessen sind zwei getrennte Rechtsanwaltsgebühren angefallen.

 

Tenor

1. Der Bescheid vom 27.02.2014 wird abgeändert und der Widerspruchsbescheid vom 20.05.2014 wird aufgehoben.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 229,08 EUR zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Beklagte hat dem Kläger 3/5 der außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

 

Tatbestand

Im Streit steht die Höhe der Rechtsanwaltskosten im Widerspruchsverfahren.

Für die Zeit vom 03.08.2013 bis 17.08.2013 und vom 18.08.2013 bis zum 10.10.2013 verordnete die Gemeinschaftspraxis Dr. C./D. dem Kläger eine Dekubitusbehandlung am Gesäß. Mit Bescheid vom 13.08.2013 lehnte die Beklagte die Dekubitusbehandlung für die Zeit vom 03.08.2013 bis 17.08.2013 ab. Hiergegen erhob der Kläger mit Schreiben vom 06.09.2013 Widerspruch.

Mit weiterem Bescheid vom 27.08.2013 lehnte die Beklagte die Kostenübernahme der Dekubitusbehandlung in der Zeit vom 18.08.2013 bis 10.10.2013 ab. Hiergegen erhob der Kläger mit Schreiben vom 09.09.2013 Widerspruch. Mit Bescheid vom 20.01.2014 bewilligte die Beklagte die Dekubitusbehandlung am Gesäß für den streitigen Zeitraum. Mit Schreiben vom 13.02.2014 machte der Kläger Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 380,80 EUR für jeden Widerspruch geltend. Mit Bescheid vom 27.02.2014 setzte die Beklagte die Rechtsanwaltskosten auf insgesamt 380,80 EUR fest. Zur Begründung führte die Beklagte aus, die Widersprüche richteten sich gegen die Leistungsablehnungen für die Verordnung vom 02.08.2013 und 16.08.2013. Die Widerspruchsbegründungen seien inhaltlich und sogar textlich nahezu identisch und argumentativ vollständig deckungsgleich, so dass die Argumentation als eine Einheit zu werten sei. Daher könnte in dem Verfahren die Gebühr nur für eine Angelegenheit geltend gemacht werden.

Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch und machte geltend, es handele sich bei den Widersprüchen vom 06.09.2013 und 09.09.2013 nicht um dieselbe Angelegenheit. Es handele sich um selbständige ablehnende Entscheidungen, gegen die jeweils der Widerspruch zulässig gewesen sei. Wäre nicht gegen beide Bescheide fristgerecht Widerspruch eingelegt worden, wären sie unabhängig voneinander bestandskräftig geworden. Es handele sich daher um völlig eigenständige Angelegenheiten. Auch der Gegenstand der Anträge sei nicht derselbe gewesen. Mit beiden Anträgen seien zwar Leistungen der häuslichen Krankenpflege beantragt worden, jedoch hätten sie jeweils verschiedene Leistungszeiträume betroffen. Es handele sich nicht um einen wiederholenden Antrag derselben Leistung. Jeder der Bescheide habe daher auf seine Rechtmäßigkeit überprüft werden müssen. Die Voraussetzungen der Genehmigung hätten bei einem Antrag vorliegen, bei dem anderen jedoch nicht vorliegen können.

Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 20.05.2014 zurück. Zur Begründung hat die Beklagte u. a. ausgeführt, es sei nur eine Geschäftsgebühr zu zahlen, da es sich bei den zwei Widersprüchen um dieselbe Angelegenheit gehandelt habe. Nach der Rechtsprechung sei unter „Angelegenheit“ im gebührenrechtlichen Sinne von § 13 Abs. 2 Satz 1 BRAGO das gesamte Geschäft zu verstehen, das der Rechtsanwalt für den Auftraggeber besorgen solle. Der Inhalt bestimme den Rahmen, innerhalb dessen der Rechtsanwalt tätig werde. Für die Frage, wann von einer einzigen Angelegenheit auszugehen sei oder wann mehrere Angelegenheiten vorliegen würden, sei insbesondere der Inhalt des dem Anwalt erteilten Auftrages maßgebend. In der Regel würden die weisungsgemäß erbrachten anwaltlichen Leistungen ein und dieselbe Angelegenheit betreffen, wenn zwischen ihnen ein innerer Zusammenhang bestehe und sie sowohl inhaltlich als auch in der Zielsetzung so weitgehend übereinstimmen würden, dass von einem einheitlichen Rahmen der anwaltlichen Mühewaltung gesprochen werden könne. Bei verschiedenen Verordnungszeiträumen handele es sich um einen einheitlichen Auftrag, da die verschiedenen Verordnungszeiträume gemeinsam mit der Mandantschaft erörtert werden könnten. Aus Sicht der Mandantschaft sei es aus Kostengesichtspunkten geradezu widersinnig, für jeden einzelnen Verordnungszeitraum einen neuen Auftrag zu erteilen. Dies wäre auch nicht erforderlich gewesen, da sich in Bezug auf den medizinischen Sachverhalt und die Widerspruchsbegründung keine Änderungen ergeben hätten. Es handele sich jeweils u...

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