Entscheidungsstichwort (Thema)
Fremdrentenrecht. Zugehörigkeit zum deutschen Sprach- und Kulturkreis
Orientierungssatz
Zur Zugehörigkeit zum deutschen Sprach- und Kulturkreis.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob Beitragszeiten, die der Kläger in der UdSSR und deren Nachfolgestaaten zurückgelegt hat, nach dem Fremdrentengesetz (FRG) anzuerkennen sind.
Der 1937 in F-Stadt geborene Kläger ist jüdischer Abstammung. Er zog am 15.03.1993 aus Krasnogosk-Moskauer Gebiet zu und besitzt seit dem 28.03.2001 die deutsche Staatsbürgerschaft. In der Sowjetunion und deren Nachfolgestaaten war er als Arzt beschäftigt. Seit dem 01.09.2002 bezieht er eine Altersrente.
Am 23.10.2001 stellte er einen Antrag auf Kontenklärung bei der Beklagten. Er gab an, zu Beginn des 2. Weltkrieges habe er mit seinen Eltern im sowjetisch/polnischen Grenzgebiet in der Stadt C-Stadt gewohnt. Seine Familie und er seien 1941 vom Frontgebiet nach Osten in das Gebiet bei D. evakuiert worden. Bei der überstürzten Evakuierung aus C-Stadt habe der gesamte Hausstand zurückgelassen werden müssen. Dies betreffe auch Dokumente, Zeugnisse, Bücher oder sonstige Gegenstände, die Auskunft über die deutsche Abstammung seiner Familie geben könnten. Seine Eltern hätten miteinander sowohl jiddisch als auch deutsch – nur wenn keine Zeugen anwesend gewesen seien (besonders während der Kriegs- und Nachkriegszeit) – gesprochen. Sowohl sein Vater als auch seine Mutter seien in der Lage gewesen, deutsche Bücher, auch in gotischer Schrift, zu lesen und hätten ihm dies beigebracht. Nach dem Krieg hätten seine Eltern ihre deutsche Abstammung nach Möglichkeit geheim gehalten, weil sie damals Diskriminierung und Verfolgung befürchtet hätten.
In einem Fragebogen vom 21.01.2002 gab der Kläger an, im persönlichen Bereich (insbesondere in der Familie) sei überwiegend jiddisch und deutsch und im Beruf russisch gesprochen worden.
Mit Bescheid 28.05.2002 stellte die Beklagte den Versicherungsverlauf fest und lehnt dabei eine Anerkennung der von dem Kläger in der Sowjetunion und deren Nachfolgestaaten zurückgelegten Beitrags- und Beschäftigungszeiten ab. Die Beklagte begründet das damit, es lägen weder die Voraussetzungen des § 17 a FRG noch diejenigen nach § 20 des Gesetzes zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung (WGSVG) vor. Der Kläger habe nicht dem deutschen Sprach- und Kulturkreis (dSK) angehört.
Gegen den Bescheid legte der Kläger Widerspruch ein, mit dem er unter Bezugnahme auf schriftliche Erklärungen von Zeugen geltend machte, er habe zum deutschsprachigen Judentum gehört. Er stamme aus eine jüdischen Familie, deren Vorfahren in Deutschland geboren worden seien. Seine Eltern hätten miteinander sowohl jiddisch als auch deutsch gesprochen. Er sei in einer mehrsprachigen Familie aufgewachsen, in der die deutsche Sprache, deutsche Literatur und deutsche Kultur genauso wie jiddisch gepflegt worden seien. Diese Tatbestände ließen sich nun schwer schriftlich beweisen, da während des 2. Weltkrieges alle Personalien verloren gegangen und seine Eltern seit langer Zeit verstorben seien. Die neben dem deutsch und jiddisch gleichzeitige Beherrschung der russischen Sprache in Wort und Schrift schließe seine Zugehörigkeit zum dSK während des Verlassen des Herkunftsgebiets nicht unbedingt aus, da bei mehrsprachigen Antragstellern geprüft werden müsse, wie hoch der Anteil der deutschen Sprache im Gesamtbereich der mündlichen und schriftlichen Kommunikation hinsichtlich des alltäglichen Sprachgebrauchs gewesen sei. Er könne sich nicht nur auf deutsch seit dem Kindesalter verständigen, sondern beherrsche dank seiner Eltern die deutsche Sprache in Wort und Schrift. Im Laufe der Zeit habe er sein Deutsch trotz aller Schwierigkeiten und Gefahren nicht nur behalten, sondern seinen Wortschatz weiterentwickelt, verbreitet und vertieft, indem er modernes Amtsdeutsch und medizinisches Fachdeutsch erlernt habe.
Wegen weiterer Einzelheiten der Begründung wird auf die Schreiben des Klägers vom 17.08. und 31.08.2002 verwiesen.
Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 24.02.2003 zurück.
In dem Widerspruchsbescheid wird ausgeführt, F-Stadt habe seit September 1941 unter nationalsozialistischem Einfluss gestanden. Zu diesem Zeitpunkt sei der Kläger erst vier Jahre alt gewesen. Aufgrund des geringen Lebensalters zum Zeitpunkt der nationalsozialistischen Einflussnahme könne eine Zugehörigkeit zum dSK bei dem Kläger nicht bejaht werden. Im Alter von vier Jahren habe der Kläger noch über keinerlei Sprachkenntnisse verfügt.
Der Kläger hat am 14.03.2003 Klage erhoben.
Ergänzend zu seinem Vorbringen im Verwaltungsverfahren trägt er vor, die Beklagte behaupte grundlos, dass er mit vier Jahren kein Deutsch habe sprechen können, obwohl das Gegenteil nachgewiesen sei. Sein überwiegender Sprachgebrauch im Herkunftsgebiet im Zeitpunkt der nationalsozialistis...