Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsärztliche Versorgung. Widerspruch im Verfahren zur Nachbesetzung einer vertragsärztlichen Stelle in einem MVZ. Rechtmäßigkeit der Fiktion der Rücknahme des Widerspruchs gemäß § 45 Abs 1 S 1 Ärzte-ZV bei nicht fristgerechter Zahlung der gemäß § 46 Ärzte-ZV zu entrichtenden Widerspruchsgebühr (hier: verneint). Überschreitung der gesetzlichen Ermächtigung mit der Folge der Unvereinbarkeit von § 45 Abs 1 S 1 Ärzte-ZV mit höherrangigem Recht
Orientierungssatz
1. Die Regelung des § 45 Abs 1 S 1 Ärzte-ZV, gemäß der ein Widerspruch als zurückgenommen gilt, wenn die bei Einlegung des Widerspruchs nach § 46 Ärzte-ZV zu entrichtende Gebühr nicht fristgerecht gezahlt wird, überschreitet den Rahmen der gesetzlichen Ermächtigung gemäß § 98 Abs 2 Nr 3 SGB 5, denn sie schafft eine vom Gesetz in den §§ 83ff SGG nicht vorgesehene Erschwerung des Zugangs zu den Sozialgerichten.
2. § 45 Abs 1 S 1 Ärzte-ZV ist daher mit höherrangigem Recht nicht vereinbar, in der Folge rechtswidrig und daher nicht anzuwenden.
Nachgehend
Tenor
1. Die Beschlüsse vom 20. Juni 2018 (jeweils ausgefertigt am 5. September 2018) werden aufgehoben und der Beklagte verurteilt, über die Widersprüche unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
2. Der Beklagte trägt die Kosten der Verfahren mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen.
3. Die Sprungrevision zum Bundessozialgericht wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Nachbesetzung einer vertragsärztlichen Stelle in einem medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) auf dem Gebiet der Frauenheilkunde und Geburtshilfe.
Die Klägerin betreibt ein zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenes MVZ. Sie erbringt vertragsärztliche Leistungen an ihrem Vertragsarztsitz in Suhl sowie in der Filiale Neuhaus am Rennweg (im Folgenden: Neuhaus) der u.a. auch der streitgegenständliche Versorgungsauftrag betreffend Frauenheilkunde und Geburtshilfe zugewiesen ist. Die Klägerin beschäftigte auf diese Stelle seit April 2017 die angestellte Ärztin Frau B., die zuvor auf ihre Zulassung zugunsten der Anstellung verzichtet hatte. Frau B. war seit Mai 2017 arbeitsunfähig erkrankt, woraufhin mehrere, nahtlos aneinander anschließende und von der Beigeladenen zu 7) genehmigte Vertretungen durch Frau Dipl. med. U. folgten.
Frau B. teilte der Klägerin im September 2017 mit, dass sie ihre ärztliche Tätigkeit krankheitsbedingt werde nicht mehr weiterführen können. Daraufhin beantragte die Klägerin beim Zulassungsausschuss die Erteilung einer Genehmigung zur Nachfolgeanstellung von Frau Dipl. med. U. und im Dezember 2017 die Verlegung der Anstellung von Frau B. in eine andere Filiale in Neuhaus (Bahnhofstraße 1).
Der Zulassungsausschuss fasste hierzu am 09.01.2018 insgesamt vier Beschlüsse: Er gab dem Antrag auf Verlegung der Anstellung von Frau B. an einen anderen Standort in Neuhaus, Bahnhofstraße 1 statt (Bescheid vom 15.02.2018 - Z 26/18 -) und stellte auf der Grundlage einer Mitteilung der Klägerin vom 15.11.2017 fest, dass die Genehmigung zur Beschäftigung der angestellten Ärztin, Frau B. in der Filiale Neuhaus, Bahnhofstraße 1, am 09.01.2018 endete (Az. Z 27/18). Der Zulassungsausschuss stellte ferner fest, dass die Klägerin kein Recht zur Nachbesetzung des Sitzes auf dem Fachgebiet der Frauenheilkunde in der Filiale Neuhaus, Bahnhofstraße 1, habe und der Versorgungsauftrag zur Anstellung einer Ärztin/eines Arztes zum 9. Januar 2018 ersatzlos ohne Nachfolger ende (Bescheid vom 15.02.2018 - Z 28/18 -) und schließlich der Antrag der Klägerin auf Anstellung von Frau Dipl. med. U. in der Filiale in Neuhaus, Bahnhofstraße 1, mit Wirkung vom 1. Januar 2018, abgelehnt werde (Bescheid vom 15.02.2018 - Z 29/18 -). Hiergegen legte die Klägerin Widersprüche ein. Der Beklagte forderte die Klägerin in den getrennt geführten Widerspruchsverfahren jeweils mit Schreiben vom 08.03.2018 zur Entrichtung einer Verwaltungsgebühr in Höhe von 200,00 € auf ein näher bezeichnetes Konto bei der Deutschen Apotheker- und Ärztebank e.G. bis zum 05.04.2018 auf. Die Schreiben enthielten jeweils den Hinweis, dass gemäß § 45 Abs. 1 Ärzte-ZV der Widerspruch als zurück genommen gelte, wenn die Gebühr nicht innerhalb der gesetzten Frist entrichtet worden sei. Die Zahlungen gingen - was unter den Beteiligten unstreitig ist -, am 09.04.2018 (Buchungsdatum) bei der Empfängerbank ein. Die Prozessbevollmächtigten beantragten mit Schriftsatz gleichen Datums die Verlängerung der Zahlungsfrist, hilfsweise eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand analog § 27 SGB X. Die Klägerin habe die Überweisung der Verwaltungsgebühr fristgemäß am Montag, den 02.04.2018 vorgenommen. Vor der Überweisung sei der Klägerin eine ausreichende Deckung angezeigt worden, woraufhin eine Überweisungsbestätigung seitens der Bank erfolgt sei. Aufgrund technischer Probleme seien die Überweisungen entgegen der Bestätigung durch die Bank nicht ausgeführt worden. Vermutlich hätten Parallelbuch...