Entscheidungsstichwort (Thema)

Höhe der Verfahrensgebühr bei einer Untätigkeitsklage

 

Orientierungssatz

1. Wird nur wegen einer einmaligen Leistung gestritten, so ist von einer durchschnittlichen Bedeutung der Angelegenheit auszugehen. Wird wegen Leistungen mit Dauerwirkung gestritten, so ist grundsätzlich eine überdurchschnittliche Bedeutung anzunehmen. Bei einer Untätigkeitsklage ist regelmäßig eine unterdurchschnittliche Bedeutung anzunehmen, weil es nur um die Bescheidung als solche, aber nicht um den vermeintlichen Anspruch selbst geht.

2. Bei einem deutlich unterdurchschnittlichen Umfang, einer ebensolchen Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit und durchschnittlichen Einkommensverhältnissen des Klägers beträgt die Verfahrensgebühr bei einer Untätigkeitsklage ein Viertel der Mittelgebühr.

 

Tenor

Die Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 7. Dezember 2010 in dem Verfahren S 18 R 424/10 wird zurückgewiesen.

 

Gründe

Die Erinnerung ist zulässig.

Nach § 197 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) setzt der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des Gerichts des ersten Rechtszuges auf Antrag der Beteiligten oder ihrer Bevollmächtigten den Betrag der zu erstattenden Kosten fest. Nach § 197 Abs. 2 SGG kann gegen die Entscheidung des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle binnen eines Monats nach Bekanntgabe das Gericht angerufen werden. Die Monatsfrist ist eingehalten worden.

Die Erinnerung ist nicht begründet.

Die Vergütung für anwaltliche Tätigkeiten bemisst sich nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG, §1 Abs. 1 Satz 1 RVG). In Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen - wie im vorliegenden Fall - das Gerichtskostengesetz nicht anzuwenden ist, entstehen Betragsrahmengebühren (§ 3 Abs. 1 Satz 1 RVG). Die Höhe der Vergütung bestimmt sich nach dem Vergütungsverzeichnis der Anlage 1 zum RVG (§ 2 Abs. 2 Satz 1 RVG).

Im Fall der Untätigkeitsklage ist die Verfahrensgebühr nach der Nr. 3102 VV-RVG anzusetzen. Bei der Untätigkeitsklage handelt es sich um eine von der sonstigen Tätigkeit des Rechtsanwalts im Verwaltungs- oder Widerspruchsverfahren unabhängige Tätigkeit mit der Folge, dass für den abgesenkten Gebührenrahmen der Nr. 3103 VV-RVG kein Raum besteht.

Die Terminsgebühr nach Nr. 3106 Ziff. 3 VV-RVG als fiktive Terminsgebühr ist nicht entstanden, da ein Anerkenntnis im Sinne einer fiktiven Terminsgebühr nicht aus der Erteilung des begehrten Überprüfung- bzw. Widerspruchsbescheides in einem Untätigkeitsklageverfahren folgt (siehe z. B. SG Halle, Beschlüsse vom 7. November 2007, S 7 SF 189/07 AS; 26. Januar 2012, S 1 SF 331/11 E). Ein Anerkenntnis im Sinne der Nr. 3106 Ziff. 3 VV-RVG ist das Zugeständnis, dass der mit der Klage verfolgte prozessuale Anspruch tatsächlich besteht (siehe Leitherer in Meyer-Ladewig u. a., SGG, 10. Aufl., § 101, Rdnr. 20), was bei der Untätigkeitsklage im Sinne der gesetzlichen Regelung des § 88 Abs. 1 SGG, die auf Erteilung eines bestimmten Bescheides bzw. bei § 88 Abs. 2 SGG auf Erteilung des Widerspruchsbescheides gerichtet ist, regelmäßig unstreitig ist. Es geht hierbei allein um die Beanstandung eines Fristversäumnisses und wird vor dem Hintergrund des § 88 Abs. 1 Satz 3 SGG, der auch für Abs. 2 der Vorschrift gilt, bestätigt, wonach die Untätigkeit durch Erlass des Bescheides endet und der Rechtsstreit für erledigt zu erklären ist. Insoweit besteht für den Adressaten gar nicht die Möglichkeit der Prüfung, ob er diesen nach § 88 Abs. 1, 2 SGG erteilten Bescheid inhaltlich annimmt oder nicht, womit ihm die Dispositionsbefugnis, die bei der Annahme oder Nichtannahme eines echten Anerkenntnis gegeben wäre, nicht zur Verfügung steht. Der Kläger hat nach § 88 Abs. 1 Satz 3 SGG die Hauptsache für erledigt zu erklären, wenn über den Antrag auf Erteilung des Widerspruchsbescheides eine Bescheiderteilung ergangen ist. Diese Art der Bescheiderteilung beinhaltet kein Anerkenntnis, da der Erinnerungsgegner nur seiner gesetzlichen Verpflichtung aus § 88 Abs. 2 SGG nachgekommen ist, mit der Folge, dass der folgenden Erledigungserklärung nur deklaratorische Wirkung zukommt und nicht den Gebührentatbestand der Terminsgebühr i. S. d. Nr. 3106 Ziff. 3 VV-RVG begründet.

Bei Rahmengebühren bestimmt entsprechend § 14 Abs. 1 RVG der Rechtsanwalt die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen. Ein besonderes Haftungsrisiko des Rechtsanwalts kann bei der Bemessung herangezogen werden. Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist. Aus den Worten "vor allem" ist zu entnehmen, dass insbesondere die im Gesetz aufgezählten Kriterien für die Bemessung der Gebühr heranzuziehen sind. Das sind Umfang der anwaltlichen Tätigkeit, Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, Bedeutung der Angelegenheit für...

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