Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilferecht: Gewährung von Eingliederungshilfe. Anspruch auf Bereitstellung eines Kinderbetreuungsplatzes für ein Kind mit schweren Behinderungen nach Vollendung des 14. Lebensjahres als Eingliederungsleistung. Abgrenzung der Zuständigkeit von Sozialhilfeträger und Schulträger in Bezug auf die Bereitstellung von Angeboten der Nachmittagsbetreuung in der Schule

 

Orientierungssatz

Die bloße Betreuung eines Kindes mit geistiger Behinderung nach Ende der Schulstunden in der Schule (hier: Sicherstellung einer Betreuung im Schulhort für ein Kind nach Vollendung des 14. Lebensjahres) ist nicht Gegenstand der Leistungspflicht des Sozialhilfeträgers im Rahmen der Gewährung von Eingliederungshilfe, sondern Pflicht des Schulträgers im Rahmen der Schulpflicht. Eine Leistungspflicht des Sozialhilfeträgers kommt dagegen nur für solche Hilfeangebote in Betracht, die konkret auf eine Verbesserung des Bildungserfolgs oder der Aufrechterhaltung der schulischen Bildung ausgerichtet sind und die damit gerade darauf abzielen, dem betroffenen Kind den Schulbesuch zu ermöglichen.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 21.09.2017; Aktenzeichen B 8 SO 32/17 B)

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Verpflichtung des Beklagten zur Bewilligung von Eingliederungshilfe nach dem 12. Buch Sozialgesetzbuch (Sozialhilfe-SGB XII).

Die am ... 1999 geborene Klägerin ist nach den amtsärztlichen Stellungnahmen vom 13.08.2007 und 10.12.2007 ein schwerst statomotorisch und geistig behindertes Kind. Sie erhält Leistungen der Pflegeversicherung nach der Pflegestufe III. Seit 01.10.2009 erhält die Klägerin auch Leistungen der Eingliederungshilfe in Form eines persönlichen Budgets in Höhe von aktuell 34,67 EUR pro Monat. Sie beinhalten Leistungen für Bildung, Freizeit und lebenspraktische Anleitung.

Der Vater der Klägerin ist in Vollzeit auf auswärtigen Baustellen und die Mutter in Teilzeit bei der Deutschen Post beschäftigt.

Die Klägerin besucht aufgrund der Feststellung eines sonderpädagogischem Förderbedarfs im Förderschwerpunkt "Geistige Entwicklung" die ...schule ..., eine Förderschule für geistig Behinderte des CJD ... seit dem 01.08.2006. Der Klägerin wurde seit dem 01.08.2007 jährlich zur Hortbetreuung in der integrativen Kindertagesstätte des CJD ... " ..." Leistungen der Eingliederungshilfe gemäß §§ 53, 54 SGB XII in Form von Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft nach § 55 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) gewährt. Die Leistungsgewährung endete mit dem 31.08.2014. Die Mutter der Klägerin beantragte am 11.07.2014 die Fortsetzung der integrativen Betreuung in der v.g. Einrichtung ab 01.09.2014. Mit Bescheid des Landkreises ... vom 16.07.2014 wurde der Antrag mit der Begründung abgelehnt, dass gemäß Kinderförderungsgesetz (KiFöG) jedes Kind in Sachsen-Anhalt nur bis zur Versetzung in den 7. Schuljahrgang bzw. bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres einen Anspruch auf einen Betreuungsplatz hat. Hiergegen richtet sich der Widerspruch vom 17.07.2014 mit der Begründung, dass diese Entscheidung ermessensfehlerhaft und damit rechtswidrig sei. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 25.09.2014 zurückgewiesen. Mit Schreiben vom 02.10.2014 erhob die Prozessbevollmächtigte Klage vor dem Sozialgericht Halle. Begründet wurde die Klage im Wesentlichen damit, dass es zwar zutreffe, dass nach § 3 Abs. 1 und 2 KiFöG ein Anspruch auf Gewährung eines Betreuungsplatzes bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres bestehe. Das bedeute jedoch im Umkehrschluss nicht, dass für ältere Kinder ein Betreuungsplatz nicht zur Verfügung gestellt werden dürfe. Die Ablehnung der Bereitstellung eines Betreuungsplatzes wegen Vollendung des 14. Lebensjahres sei ermessensfehlerhaft und damit rechtswidrig. Gleiches gelte für die Entscheidung über die Gewährung von teilstationäre Eingliederungshilfe. §§ 53, 54 SGB XII enthalte keine Regelung, dass Eingliederungshilfe für behinderte Menschen ab Vollendung des 14. Lebensjahres nicht mehr gewährt werden dürfe. Bei Bestehen eines behinderungsbedingten Mehrbedarfes müsse dieser gedeckt werden. Schließlich könne die Klägerin nicht auf Leistungen der Pflegekasse oder auf die Unterstützung von Angehörigen verwiesen werden. Die Leistungen der Pflegekasse seien im Umfang und Höhe begrenzt. Die jüngere Schwester dürfte mit der Betreuung der Klägerin überfordert sein. Andere Angehörige stehen nicht zur Verfügung. Gemäß §§ 53, 54 SGB XII iVm § 55 SGB IX bestehe ein Anspruch auf Leistungen der Eingliederungshilfe zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Dieser Bedarf sei nach Wegfall der verwaltungsrechtlichen Bewilligung für den integrativen Hort nicht entfallen. Vorliegend greife insbesondere nicht der Hinweis auf eine alternative Betreuungsmöglichkeit, denn diese könne die Klägerin behinderungsbedingt nicht wahrnehmen. Die Klägerin seit behinderungsbedingt nicht in der Lage, die von der Schule angebotenen Lern therapeutis...

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