Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Hilfsmittelversorgung. europaweite Ausschreibung eines Rahmenvertrags über die Versorgung mit Stomaartikeln sowie ergänzenden Inkontinenzhilfen. sozialgerichtliches Verfahren. einstweiliger Rechtsschutz. Sozialrechtsweg. Zulässigkeit eines Antrags gegen Beschaffungsbeschluss. keine Vorabentscheidung über Rechtswegzulässigkeit. Beschaffungsbeschluss kein Verwaltungsakt. Zulässigkeit eines Antrags auf Verhinderung der Zuschlagserteilung. Prüfung der Zweckmäßigkeit der Ausschreibung. Zeitpunkt der Geltendmachung. effektiver Rechtsschutz. Frist
Orientierungssatz
1. Das gegen einen Beschaffungsbeschluss gerichtete Begehren, bei dem es allein um das "Ob" einer Ausschreibung geht, ist von den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit zu verfolgen (entgegen LSG Erfurt vom 17.8.2018 - L 6 KR 708/18 B ER).
2. Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bedarf es keiner Vorabentscheidung über die Zulässigkeit des Rechtswegs.
3. Bei dem Beschaffungsbeschluss handelt es sich um ein Bestandteil der Dokumentation des Vergabeverfahrens, nicht um einen Verwaltungsakt.
4. Sozialgerichtlicher (Eil-)Rechtsschutz mit dem Ziel, eine Ausschreibung (vorläufig) zu verhindern, kann nur erlangt werden, wenn der Antrag noch vor der Ausschreibung und damit vor Beginn des Vergabeverfahrens gestellt wird, so dass § 156 Abs 2 GWB und § 51 Abs 3 SGG noch nicht greifen.
5. Vor dem Hintergrund der Anforderungen eines effektiven Rechtsschutzes (Art 19 Abs 4 GG) ist es zur Vermeidung einer Rechtsschutzlücke geboten, eine Frist einzuräumen, innerhalb der im Hinblick auf die sozialrechtliche Vorfrage der Zweckmäßigkeit und damit das "Ob" der Ausschreibung sozialgerichtlicher Rechtsschutz in Anspruch genommen werden kann, ohne dass dies nur aufgrund der dann bereits erfolgten Ausschreibung als Streitigkeit in einem Verfahren nach dem GWB bewertet wird und der Sozialrechtsweg damit versperrt wäre.
6. Nach Auffassung der Kammer ist es naheliegend, in Anlehnung an § 160 Abs 3 S 1 Nr 4 GWB eine Frist von 15 Kalendertagen ab Bekanntmachung der Ausschreibung vorzusehen.
Tenor
Der Antragsgegnerin wird bis zum 19. Dezember 2018 untersagt, in dem Vergabeverfahren "Ausschreibung der D. mit Stomaartikeln" (bekannt gemacht im Supplément zum Amtsblatt der Europäischen Union vom 7. November 2017 Nr. 2017/S 213-442130) Verträge mit Bietern, die sich an dem Vergabeverfahren beteiligt haben, zu schließen.
Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe
I.
Die Antragstellerin ist ein nach eigenen Angaben auf die Versorgung mit Stoma- und Inkontinenzhilfsmitteln und die damit zusammenhängende Beratung spezialisiertes Unternehmen. Bei der Antragsgegnerin handelt es sich um eine gesetzliche Krankenkasse, deren Zuständigkeitsbereich sich auf die gesamte Bundesrepublik Deutschland erstreckt. Mit ihrem am 14. August 2018 beim Sozialgericht gestellten Antrag wendet sich die Antragstellerin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen den einem seit November 2017 laufenden Vergabeverfahren zugrunde liegenden „Beschaffungsbeschluss“ der Antragsgegnerin vom 10. November 2017. Diesen hält die Antragstellerin für einen Verwaltungsakt (ohne Rechtsbehelfsbelehrung) und hat gegen ihn am 13. August 2018 „Widerspruch“ erhoben. Im gerichtlichen Verfahren beantragt sie die Feststellung der aufschiebenden Wirkung dieses „Widerspruchs“. Zudem erstrebt die Antragstellerin in diesem Verfahren ein gegenüber der Antragsgegnerin auszusprechendes, bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über ihren Antrag auf Feststellung der aufschiebenden Wirkung ihres „Widerspruchs“ wirksames Verbot, mit Bietern, die sich an dem Vergabeverfahren beteiligt haben, Verträge zu schließen (so die - geänderte - Antragsfassung aus dem Schriftsatz vom 2. Oktober 2018). Zur Sicherung ihres Anspruchs für die Zeit bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes beantragt die Antragstellerin den Erlass eines entsprechenden „Hängebeschlusses“.
Gegenstand der von der Antragstellerin angegriffenen Ausschreibung ist ein Rahmenvertrag zur Versorgung der bei der Antragsgegnerin Versicherten insbesondere mit bestimmten Stomaartikeln (künstlicher Darmausgang) sowie Inkontinenzhilfen zur ergänzenden Versorgung von Urostomaanlagen (künstlicher Harnblasenausgang) einschließlich Zubehör, notwendiger Reparaturen und Ersatzteile, ggf. Produktersatz, notwendiger Wartungen und sicherheitstechnischer Kontrollen sowie der in diesem Zusammenhang zu erbringenden Dienst- und Serviceleistungen. Der Wert des Auftrags ohne Umsatzsteuer liegt, was zwischen den Beteiligten nicht streitig ist, oberhalb des 2017 maßgeblichen Schwellenwertes von 209.000 Euro nach § 106 Abs. 2 Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB). Der in 20 Gebietslose aufgeteilte Lieferauftrag betrifft die gesamte Bundesrepublik Deutschland. Angebote konnten auf alle oder einzelne Lose abgegeben werden. Zuschläge sollen je Los erteilt werden. D...