Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Voraussetzungen einer Einstehensgemeinschaft

 

Orientierungssatz

1. Bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, ist bei der Bestimmung der Höhe der Hilfebedürftigkeit gemäß § 9 Abs. 1 SGB 2 auch das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen.

2. Zur Bedarfsgemeinschaft gehört gemäß § 7 Abs. 3 Nr. 3 c) SGB 2 als Partner eines erwerbsfähigen Hilfsbedürftigen auch die Person, die mit dem erwerbsfähigen Hilfsbedürftigen in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen. Bei der Prüfung, ob eine Einstehensgemeinschaft besteht, ist auf die Indizien des jeweiligen Einzelfalles abzustellen.

3. Reichen die vorliegenden Umstände allein bereits für die Annahme einer gemeinsamen Haushaltsführung bzw. ein “wirtschaften aus einem Topf„ aus, bedarf es der Heranziehung der Regelung von § 7 Abs. 3a SGB 2 nicht (mehr).

 

Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 05.05.2009; Aktenzeichen 1 BvR 255/09)

 

Tenor

1. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

2. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

3. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Die Antragstellerin begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Gewährung von Arbeitslosengeld II einschließlich Mehrbedarf zum Lebensunterhalt für werdende Mütter ohne Berücksichtigung des Einkommens des Mitbewohners Herrn M.. Dieser Antrag hat jedoch keinen Erfolg, denn die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung liegen nicht vor.

Der Antrag auf Prozesskostenhilfe ist abzulehnen. Die Rechtsverfolgung bietet keine hinreichenden Erfolgsaussichten im Sinne des § 73a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit § 114 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO), wie sich aus nachfolgenden Ausführungen ergibt.

Nach § 86 b Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach Satz 2 der Vorschrift sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes setzt in diesem Zusammenhang einen Anordnungsanspruch, also einen materiell-rechtlichen Anspruch auf die Leistung, zu der der Antragsgegner im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verpflichtet werden soll, sowie einen Anordnungsgrund, nämlich einen Sachverhalt, der die Eilbedürftigkeit der Anordnung begründet, voraus.

Dabei stehen Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund nicht isoliert nebeneinander, sondern es besteht vielmehr eine Wechselbeziehung derart, als die Anforderungen an den Anordnungsanspruch mit zunehmender Eilbedürftigkeit bzw. Schwere des drohenden Nachteils (dem Anordnungsgrund) zu verringern sind und umgekehrt. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund bilden nämlich aufgrund ihres funktionalen Zusammenhangs ein bewegliches System (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Auflage, § 86 b Rdnr. 27 und 29 m.w.N.). Ist die Klage in der Hauptsache offensichtlich unzulässig oder unbegründet, ist der Antrag auf einstweilige Anordnung ohne Rücksicht auf den Anordnungsgrund grundsätzlich abzulehnen, weil ein schützenswertes Recht nicht vorhanden ist. Ist die Klage in der Hauptsache dagegen offensichtlich begründet, so vermindern sich die Anforderungen an einen Anordnungsgrund. In der Regel ist dann dem Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung stattzugeben, auch wenn in diesem Fall nicht gänzlich auf einen Anordnungsgrund verzichtet werden kann. Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens, wenn etwa eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich ist, ist im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden. Dabei sind insbesondere die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend in die Abwägung einzustellen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts müssen sich die Gerichte schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen stellen (vgl. zuletzt BVerfG 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05).

Sowohl Anordnungsanspruch als auch Anordnungsgrund sind gemäß § 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) glaubhaft zu machen. Dabei sind, soweit im Zusammenhang mit dem Anordnungsanspruch auf die Erfolgsaussichten abgestellt wird, die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen (BVerfG, a.a.O.). Die Glaubhaftmachung bezieht sich im Übrigen lediglich auf die reduzierte Prüfungsdichte und die nur eine überwiegende Wahrscheinlichkeit erfordernde Überzeugungsgewissheit für die tatsä...

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