Entscheidungsstichwort (Thema)

sozialgerichtliches Verfahren. Gegenstandswert. Vergütung kassen- und vertragsärztlicher Leistungen. Musterverfahren

 

Orientierungssatz

Zur Feststellung des Gegenstandswertes bei einem als Musterverfahren geführtem Streit um die Vergütung erbrachter kassen- und vertragsärztlicher Leistungen.

 

Tatbestand

Strittig war die Vergütung der von der Klägerin, einer Gemeinschaftspraxis für Laboratoriumsmedizin, erbrachten kassen- und vertragsärztlichen Leistungen.

Gegen den Honorarabrechnungsbescheid vom 03.06.1988 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 15.06.1990 für das Quartal IV/87 hatte die Klägerin am 13. Juli 1990 Klage erhoben. In ihrer Klagbegründungsschrift vom 3. Dezember 1990 wies die Klägerin dabei darauf hin, daß die Klage Modellcharakter für die nachfolgenden Quartalsabrechnungen habe. Mit Schreiben vom 25.09.1990 hatte die Beklagte der Klägerin mitgeteilt, daß sie es für zweckmäßig halten würde, wenn die Widersprüche zu den Quartalen I/88 bis zur rechtskräftigen Entscheidung des anhängigen Verfahrens unbearbeitet blieben; ein anderes Vorgehen würde nur entbehrliche Verwaltungsarbeit für die Beklagte und für die Klägerin eine immense Ausweitung des Streitwertes, also des Prozeßrisikos in Form der nach dem Streitwert berechneten Anwaltsgebühren, bedeuten. Entsprechend wurde in der Folgezeit verfahren.

Das Sozialgericht Hamburg hat mit Urteil vom 26.06.1991 (Az.: 3 RK 57/90) die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte zur Neubescheidung verurteilt. Zugleich wurde ausgesprochen, daß die Beklagte die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu tragen hat. Zur Begründung hat das Gericht ausgeführt, daß die Verteilung des Honorars, wie sie von der Beklagten aufgrund des seinerzeit geltenden HVM bzw. des Vertrages im Ersatzkassenbereich vorgenommen worden sei, rechtswidrig sei, weil darin für den Laborbereich eine prozentuale Festlegung des Anteils an der Gesamtvergütung bestimmt worden sei.

Die hiergegen von der Beklagten erhobene Sprungrevision hat das BSG mit Urteil vom 29.09.1993 (Az.: 6 RKa 65/91) als unbegründet zurückgewiesen. Die Beklagte sowie die Beigeladene zu 1) -- der VdAK -- wurden zur Erstattung der der Klägerin im Revisionsverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten verpflichtet.

Mit Schreiben vom 28. November 1996 (eingegangen am 03.12.1996) beantragte die Klägerin die Festsetzung des Gegenstandswertes, wobei sie einen Betrag von 1 Mio. DM für angemessen erachtete. Es habe sich vorliegend um ein Musterverfahren gehandelt, das auch unmittelbare Auswirkungen für die Folgequartale bis III/93 gehabt habe. Insgesamt hätten sich Nachforderungsansprüche gegenüber den RVU-Krankenkassen in Höhe von 1,2 Mio. DM ergeben. Es lägen daher genügend tatsächliche Anhaltspunkte dafür vor, den Gegenstandswert auf 1 Mio. DM festzusetzen. Es sei allen Beteiligten bewußt gewesen, daß das Verfahren als Musterverfahren geführt werden solle; die Beklagte habe diese Vorgehensweise selbst vorgeschlagen, wie sich aus dem beigefügten Schreiben vom 25.09.1990 ergebe.

Die Beklagte ist der beantragten Festsetzung eines Gegenstandswertes auf 1 Mio. DM entgegengetreten und hält lediglich einen Gegenstandswert in Höhe von 100.000 DM für angemessen. Streitgegenstand des Verfahrens sei allein der Honorarabrechnungsbescheid für das Quartal IV/87 gewesen. Insoweit sei es aufgrund des klägerischen Obsiegens zu einer Nachvergütung von DM 41.739,62 für den Bereich der Primärkassen und der Sozialhilfe gekommen; ein etwa vergleichbarer Betrag dürfte sich auf den Ersatzkassenbereich ergeben haben. Wie das Schreiben vom 25.09.1990 belege, sei das vorliegende Verfahren zwar als Musterverfahren geführt worden, jedoch gerade unter dem Gesichtspunkt, eine immense Ausweitung des Streitwertes, mithin des Prozeßrisikos für die Klägerin zu vermeiden.

Im übrigen werde auf die zumindest analog anzuwendende Vorschrift des § 12 Abs. 2 GKG verwiesen.

Die Beigeladene zu 1) hat sich mit Schreiben vom 10.04.1997 den Ausführungen der Beklagten voll inhaltlich angeschlossen.

 

Entscheidungsgründe

Nach § 116 Abs. 2 Nr. 1 der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte (BRAGO) werden im Verfahren aufgrund der Beziehungen zwischen Ärzten, Zahnärzten, Krankenhäusern und Krankenkassen einschließlich ihrer Vereinigungen und Verbände (§ 51 Abs. 2 satz 1 Nr. 1 SGG) die Gebühren nach dem Gegenstandswert berechnet. Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 BRAGO bestimmt sich der Gegenstandswert nach den für die Gerichtsgebühren geltenden Wertvorschriften. § 13 des Gerichtskostengesetzes -- GKG -- gilt jedoch nicht für die Sozialgerichtsbarkeit (vgl. § 1 GKG). Deshalb ist hier der Gegenstandswert nach § 8 Abs. 2 BRAGO zu bestimmen (§ 8 Abs. 1 Satz 3 BRAGO). Da sich der Gegenstandswert auch nicht aus den in § 8 Abs. 2 Satz 1 BRAGO genannten Vorschriften der Kostenordnung ergibt und auch sonst nicht feststeht, ist er gem. § 8 Abs. 2 Satz 2 BRAGO nach billigem Ermessen zu bestimmen. In Erlangung genügender tatsächlicher Anhaltspunkte für eine Schät...

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