Entscheidungsstichwort (Thema)
Gegenstandswert. Beigeladener. Rahmengebühr
Leitsatz (amtlich)
Bei beigeladenen Privatpersonen ist die Gebührenabrechnung der Rechtsanwälte auch in Verfahren gemäß § 116 Abs 2 S 1 BRAGebO nach den Rahmengebühren des § 116 Abs 1 BRAGebO vorzunehmen.
Tatbestand
In dem Rechtsstreit ging es um Aufsichtsanordnungen des beklagten Landes, in denen es dem Kläger - eine juristische Person des öffentlichen Rechts - untersagte, mit dem Beigeladenen eine Vereinbarung über die Auflösung seines Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer finanziellen Entschädigung abzuschließen, und dem Kläger weitere Verhaltensweisen gegenüber dem Beigeladenen vorgab. Nachdem sich die Hauptbeteiligten außergerichtlich geeinigt hatten, erklärte der Kläger das Verfahren für erledigt.
Mit Schriftsatz vom 20.06.1997 beantragte der Rechtsanwalt des Beigeladenen, den Gegenstandswert auf 310.000 DM festzusetzen.
Entscheidungsgründe
§ 10 Absatz 1 der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte (BRAGO) sieht vor, daß in Verfahren wie dem sozialgerichtlichen, in denen es keine Gerichtsgebühren gibt, das Gericht den Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit auf Antrag festsetzt. Dies gilt in Sozialgerichtsverfahren indes nur für die Fälle, in denen die Anwaltsgebühren gemäß § 116 Absatz 2 BRAGO ausnahmsweise nach dem Gegenstandswert abgerechnet werden. Eine derartige Ausnahme liegt hier nicht vor. Vielmehr hat die Gebührenabrechnung im Rahmen des § 116 Absatz 1 BRAGO zu erfolgen.
Auch wenn bei den Hauptbeteiligten (Kläger und Beklagte) die Rechtsanwaltsgebühren nach dem Gegenstandswert berechnet werden können, sind für die Gebührenberechnung bei einem Beigeladenen, sofern dieser nicht zu dem Beteiligtenkreis zählt, der gesetzlich von der Privilegierung der Rahmengebührenberechnung ausgenommen worden ist, die Rahmengebühren des § 116 Absatz 1 BRAGO heranzuziehen (ebenso LSG Niedersachsen in Breith 1991, S. 878 f). Die erkennende Kammer vermag der Gegenmeinung, nach der der Rechtsanwalt eines Beigeladenen immer Anspruch auf Berechnung seiner Gebühren nach dem Gegenstandswert hat, falls die Gebühren für einen Hauptbeteiligten nach § 116 Absatz 2 BRAGO berechnungsfähig wären (so LSG Nordrhein-Westfalen in Breith a.a.O., S. 74 f; LSG Hamburg in Breith 1987, S. 170 f; Meyer-Ladewig, SGG, 6. Auflage 1998, § 197, Rn 7 g; Hartmann, Kostengesetze, 27. Auflage 1997, § 116 BRAGO, Rn 11; Hansens, BRAGO, 8. Auflage 1995, § 116, Rn 16), nicht zuzustimmen. Die Gegenmeinung beruft sich auf den Wortlaut des § 116 Absatz 2 Satz 1 BRAGO ("In Verfahren ... werden die Gebühren nach dem Gegenstandswert berechnet.") und darauf, daß Beigeladene ebenfalls Beteiligte solcher Verfahren (§ 69 Nr. 3 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -) seien. Nach dem Grundsatz der Chancengleichheit vor Gericht müßten alle an einem Rechtsstreit Beteiligten gebührenrechtlich gleichbehandelt werden. Diese Begründung läßt sich nicht mit der erklärten Absicht des Gesetzgebers in Einklang bringen. Durch die Vorgabe abgestufter Gebührenrahmen in § 116 Absatz 1 BRAGO wollte er aus der sozialpolitischen Zielsetzung heraus, die Kläger in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit vor höheren Kosten zu schützen, die Vergütungsansprüche der Rechtsanwälte begrenzen und das Prozeßkostenrisiko der Kläger abmildern (vgl. BVerf- GE 83, S. 1 ff, 15 m.w.N.). Dieser Schutz muß ebenso greifen, wenn ein Beteiligter nicht als Kläger auftritt, sondern als Beigeladener in das Verfahren hineingezogen wird. Dabei macht es für sein Schutzbedürfnis keinen Unterschied, ob die Gebühren für die Hauptbeteiligten nach § 116 Absatz 1 oder Absatz 2 BRAGO zu berechnen sind. Die Ausnahmeregelung des § 116 Absatz 2 BRAGO ist in das Gesetz aufgenommen worden, weil für die darin genannten Verfahren die sozialpolitischen Gründe, die für niedrige Gebührenrahmen sprechen, nicht zum Tragen kommen (vgl. BT-Drucks 7/3243, S. 11 zu Nr. 56). Bei der Erweiterung des Katalogs der Ausnahmefälle, bei denen nach Gegenstandswerten abzurechnen ist, durch das Gesetz zur Änderung der BRAGO vom 20.08.1990 hat der Gesetzgeber erneut ausdrücklich darauf hingewiesen, daß damit erreicht werden solle, in Verfahren mit Beteiligten, bei denen in keiner Weise soziale Aspekte zuträfen, höhere Gebührenabrechnungen zu ermöglichen (vgl. BT-Drucks 11/6715, S. 4 zu Artikel 1 Nr. 1, 2 Ziffer 2 und 11/7417, S. 6 unter II. Ziffer 1). Hieraus geht deutlich hervor, daß es nicht seinem Willen entspricht, wenn für Beigeladene in Fällen wie dem vorliegenden die Abrechnung nach Gegenstandswert vorgenommen wird. Gerade der vom LSG Hamburg angesprochene Grundsatz der Chancengleichheit vor Gericht erfordert es, daß sich wirtschaftlich Schwächere auch als Beigeladene am Verfahren beteiligen können, ohne das Risiko zu hoher Anwaltskosten befürchten zu müssen. Sie dürfen nicht darauf verwiesen werden, entweder keine Anträge zu stellen, um sich so von einem der Hauptbeteiligten eine Kostenerstattung zu sichern, oder ganz auf anwaltliche Vertretun...