Entscheidungsstichwort (Thema)
Bestimmtheit des Angebots zu im öffentlichen Interesse liegenden, zusätzlichen Arbeiten gemäß § 16 Abs. 3 Satz 2 SGB II
Leitsatz (amtlich)
1. Das Angebot zu im öffentlichen Interesse liegenden, zusätzlichen Arbeiten gemäß § 16 Abs. 3 Satz 2 SGB II stellt einen Verwaltungsakt dar.
2. Zum Erfordernis der inhaltlichen Bestimmtheit eines auf § 16 Abs. 3 Satz 2 SGB II gestützten Arbeitsangebots
3. Widerspruch und Anfechtungsklage gegen ein derartiges Arbeitsangebot haben keine aufschiebende Wirkung.
Normenkette
SGB II § 16 Abs. 3 S. 2
Tenor
1. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragsstellers vom 26.06.2005 gegen das Arbeitsangebot der Antragsgegnerin vom 03.06.2005 wird angeordnet. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
2. Die Antragsgegnerin hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Antragstellers zu erstatten.
Gründe
Der auf die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gerichtete Antrag, mit dem sich der Antragsteller gegen ein auf § 16 Abs. 3 Satz 2 SGB II gestütztes Arbeitsangebot wehrt, hat nach zweckentsprechender Auslegung seines Begehrens in dem aus dem Tenor zu entnehmenden Umfang Erfolg.
I. Gemäß § 123 SGG, der auch im Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes anwendbar ist (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG 8. Aufl. 2005, § 123 Rdnr. 2), ist das Gericht bei seiner Entscheidung über die mit dem Rechtsschutzbegehren erhobenen Ansprüche nicht an die Fassung der Anträge gebunden.
Erforderlichenfalls ist das Rechtsschutzbegehren durch Auslegung der wörtlich gestellten Anträge zu ermitteln. Im Zweifel ist dabei anzunehmen, dass derjenige Antrag gestellt werden sollte, der dem Rechtsschutzbegehren am ehesten zum Ziel verhilft (vgl. Meyer-Ladewig/ Keller/ Leitherer, a.a.O. Rdnr. 3 m.w.N.). Bei Anwendung dieser Grundsätze ist die im Antrag vom 14.06.2005 (auch) enthaltene Formulierung, „die Zuweisung in eine Maßnahme gemäß § 16 Abs. 3 Satz 2 SGB II vom 03.06.2005 aufzuheben”, als Antrag auf Anordung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen das im Schreiben vom 03.06.2005 unterbreitete Arbeitsangebot zu interpretieren bzw. in einen derartigen Antrag umzudeuten (vgl. zur Zulässigkeit der Umdeutung Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O, § 86b Rdnr. 9b m.w.N.).
II. Der so verstandene Antrag ist statthaft (dazu unter 1.) und führt das Rechtsschutzbegehren des Antragstellers zum Erfolg (dazu unter 2.), wohingegen der ebenfalls gestellte Antrag, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Leistungsbescheid vom 15.04.2005 anzuordnen, erfolglos bleibt (dazu unter 3.).
1. Gemäß § 86 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag u.a. in den Fällen, in denen der Widerspruch keine aufschiebende Wirkung hat, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. In diese Kategorie fällt das Rechtsschutzbegehren des Antragstellers. Denn das streitgegenständliche Arbeitsangebot vom 03.06.2005 ist als Verwaltungsakt zu qualifizieren (dazu unter a), und der zwischenzeitlich hiergegen erhobene Widerspruch des Antragstellers entfaltet keine aufschiebende Wirkung (dazu unter b).
Die im Schreiben der Antragsgegnerin vom 03.06.2005 enthaltene Mitteilung, dem Antragsteller eine Arbeitsstelle als Maßnahme gemäß § 16 Abs. 3 SGB II bei der ‚H. A., B. mbH' (HAB) vorschlagen zu können, stellt sich entgegen der Auffassung der Antragserwiderung als belastender Verwaltungsakt dar:
Gemäß § 31 Abs. 1 SGB X ist Verwaltungsakt jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Für das Vorliegen des – in Bezug auf das Schreiben vom 03.06.2005 allein zweifelhaften – Merkmales der „Regelung” ist entscheidend, ob die Behörde eine potentiell verbindliche Rechtsfolge gesetzt hat, d.h., ob durch das Schreiben Rechte begründet, geändert, aufgehoben oder verbindlich festgestellt werden oder die Begründung, Änderung, Aufhebung oder verbindliche Feststellung solcher Rechte mit Außenwirkung abgelehnt wird. Eine derartig potentielle verbindliche Regelung kann auch dann anzunehmen sein, wenn eine generelle und abstrakte Regelung des Gesetzes für den Einzelfall mit Bindungswirkung als bestehend oder nicht bestehend festgestellt, konkretisiert oder individualisiert wird (vgl. hierzu und zum Folgenden OVG Münster, Beschl. v. 28.05.2002, FEVS 54 S. 54 ff n.w.N.; VGH München, Beschl. v. 02.07.2001, FEVS 53 S. 181; OVG Greifswald, Beschl. v. 07.011.2002, – 1 M 152/02 – in: Juris).
Eine Regelung des Einzelfalles wird im Schreiben vom 03.06.2005 schon deshalb getroffen, weil die Antragsgegnerin verbindlich feststellen will, dass für den Antragsteller Gelegenheit zu gemeinnütziger und zusätzlicher Arbeit geschaffen worden ist. Mit dieser individualisierenden und konkretisierenden Wirkung geht das Schreiben ungeachtet seiner entgegenkommenden Wortwahl („… freue mich, Ihnen folgende Arbeitsstelle vorschlag...