Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Versicherungspflicht. Anspruch auf Gesundheitsvorsorge nach dem StVollzG. Bezug von Hilfe zum Lebensunterhalt im Anschluss an Inhaftierung. zuständiger Leistungsträger. vorläufiger Rechtsschutz

 

Leitsatz (amtlich)

Der Anspruch auf Gesundheitsfürsorge nach dem Strafvollzugsgesetz stellt einen "anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall" iS des § 5 Abs 1 Nr 13 SGB 5 dar. Bezieht ein Antragsteller nach seiner Inhaftierung nahtlos im Anschluss Leistungen nach dem Dritten Buch des SGB 12 bleibt nach der Regelung des § 5 Abs 8a SGB 5 der Sozialhilfeträger zuständig (§ 264 SGB 5).

 

Orientierungssatz

Der vorläufige Rechtsschutz dient nicht dem Rechtsschutz einer nicht unmittelbar am Verfahren beteiligten Behörde, die mit diesem Instrumentarium eigene Interessen durchzusetzen versucht.

 

Tenor

Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, dem Antragsteller vorläufig ab 10.05.2007 bis zur Bestandskraft des Bescheides der Antragsgegnerin vom 19.04.2007, Krankenversicherungsschutz nach § 264 Abs. 2 SGB V zu gewähren.

Die Antragsgegnerin hat die Hälfte der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Antragstellers zu tragen.

 

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung die Gewährung von Krankenversicherungsschutz durch die Antragsgegnerin. Der Antragsteller bezog bis 31.10.2006 Arbeitslosengeld II und war bei der Antragsgegnerin pflichtversichert. Anschließend befand er sich bis zum 02.04.2007 in Strafhaft. Seit 02.04.2007 absolviert er eine stationäre Therapie und erhält von der Beigeladenen laufende Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII. Die Beigeladene verwies den Antragsteller hinsichtlich des Krankenversicherungsschutzes an die Antragsgegnerin. Der Antragsteller beantragte bei der Antragsgegnerin die Aufnahme zur Pflichtversicherung. Mit Bescheid vom 19.04.2007 lehnte die Antragsgegnerin diesen Antrag ab mit der Begründung, er habe eine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall nach § 264 SGB V. Hiergegen legte der Antragsteller Widerspruch ein, über den bislang noch nicht entschieden wurde.

Am 10.05.2007 hat der Antragsteller einen Antrag auf einstweilige Anordnung gestellt mit dem Ziel der Gewährung von Krankenversicherungsschutz. Er trägt vor, das Sozialamt versichere ihn nicht nach § 264 SGB V und die Antragsgegnerin weigere sich, ihn zu versichern. Er sei daher seit 02.04.2007 ohne Krankenversicherungsschutz und müsse dringend zum Arzt. Am 25.05.2007 hat der Antragsteller mitgeteilt, dass er eine Mandelentzündung habe.

Die Beigeladene hat vor der Beiladung auf telefonische Nachfrage dem Gericht mitgeteilt, dass aus Sicht des Sozialamtes § 264 SGB V keine Anwendung finde und dementsprechend keine Anmeldung bei der Antragsgegnerin erfolge. Da der Antragsteller am 01.04.2007 keine Leistungen nach dem SGB XII bezogen habe, greife für ihn die Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V. Wegen der Bestimmtheit der Äußerung der Beigeladenen hat das Gericht angesichts der Eilbedürftigkeit von der Gewährung weiteren rechtlichen Gehörs nach der Beiladung abgesehen.

II.

Der Antrag ist zulässig und begründet. Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung liegen vor. Nach § 123 Sozialgerichtsgesetz (SGG), der auch im Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes gilt, ist das Gericht bei seiner Entscheidung nicht an die Fassung des Antrags gebunden. Erforderlichenfalls ist das Rechtsschutzbegehren durch Auslegung des Antrags zu ermitteln. Im Zweifel wird der Rechtsschutzsuchende den Antrag stellen wollen, der ihm am besten zum Ziel verhilft (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl. § 123 Rdn. 3). Nach diesen Grundsätzen ist der Antrag des Antragstellers dahingehend auszulegen, dass er die Gewährung von Krankenversicherungsschutz begehrt, wobei dies hauptsächlich durch eine gesetzliche Pflichtversicherung erfolgen soll und hilfsweise durch Krankenversicherungsschutz nach § 264 Abs. 2 SGB V.

Nach § 86 b Abs. 2 S. 1 SGG kann das Gericht - soweit ein Fall nach Abs. 1 nicht vorliegt - auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach Satz 2 der Vorschrift sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes setzt in diesem Zusammenhang einen Anordnungsanspruch, also einen materiell-rechtlichen Anspruch auf die Leistung, zu der der Antragsgegner im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verpflichtet werden soll, sowie einen Anordnungsgrund, nämlich einen Sachverhalt, der die Eilbedürftigkeit der Anordnung begründet, voraus. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind glaubhaft zu machen.

Dabei stehen Anordnungsanspruch...

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