Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Übernahme der Kosten für eine Gleitsichtbrille. Ansparung aus dem Regelbedarf oder Darlehen. kein Mehrbedarf. keine Eingliederungsleistungen bzw Finanzierung aus dem Vermittlungsbudget
Orientierungssatz
Die Kosten für die Anschaffung einer (Gleitsicht-)Brille sind von dem Hilfebedürftigen aus dem Regelbedarf nach § 20 SGB 2 zu finanzieren bzw anzusparen.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen. 2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Der 1969 geborene Kläger, der seit dem 01.09.2017 einer Teilzeittätigkeit als Wellnessmasseur nachgeht und ergänzende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) bezieht, begehrt die Verpflichtung des Beklagten, die Kosten für eine Gleitsichtbrille (Gläser und Gestell) in Höhe von 1.030,00 Euro sowie die Erstattung einer augenärztlichen Diagnostik in Höhe von 20,00 Euro (Bl. 1 ff., 11, 14 eVA; Bl. 3, 33, 36 PA) nach dem SGB II zu übernehmen.
Am 27.06.2019 beantragte der Kläger die Kostenübernahme für eine Gleitsichtbrille in Höhe von 1.030,00 Euro sowie die Erstattung von 20,00 Euro für eine augenärztliche Brillenglasberatung am 26.06.2019 (Bl. 1 ff., 7 ff., 19, 23 f. eVA; Bl. 25 ff. PA). Seine Krankenkasse übernehme die Kosten für Brillengläser erst ab sechs Dioptrien, ausweislich der augenärztlichen Verordnung erreiche er diese Werte nicht. Er begehre Leistungen aus dem Vermittlungsbudget, um seine berufliche Integration in den Arbeitsmarkt zu unterstützen und damit er seine bisherige Tätigkeit fortsetzen könne (Bl. 1 ff., 7 ff., 19, 23 f. eVA; Bl. 37 ff. PA).
Diesen Antrag lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 31.07.2019 ab, weil nach § 5 SGB II die vorrangige gesetzliche Verpflichtung anderer Träger von Sozialleistungen oder anderer Stellen gelte. Förderungen aus dem Vermittlungsbudget könnten für Leistungen nicht übernommen werden, für die andere (Sozial-) Leistungsträger dem Grunde nach zuständig seien. Dies gelte auch dann, wenn von den zuständigen Leistungsträgern keine Leistungen gewährt würden, Eigenanteile vorgesehen seien oder die Leistungen faktisch nicht erbracht würden. Für auftretende Bedarfe, die von der Regelleistung umfasst seien, komme ggf. die Gewährung eines Darlehens nach § 24 Abs. 1 SGB II in Betracht. Die Entscheidung beruhe auf § 16 Abs. 1, 3 SGB II i.V.m. § 44 Drittes Buch Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung - (SGB III) (Bl. 25, 30 eVA; Bl. 21 PA). Hiergegen wandte sich der Kläger mit Widerspruch vom 06. bzw. 07.08.2019 (Bl. 27 ff. eVA; Bl. 19 f. PA). Wenn die Leistung nicht aus dem Vermittlungsbudget erfolgen könne, sei zu prüfen, ob sie als Sonderbedarf ausgekehrt werden könne.
Mit Widerspruchsbescheid vom 17.09.2019 wies der Beklagte den Widerspruch zurück und darauf hin, dass die Übernahme der Kosten für den Erwerb einer neuen Gleitsichtbrille in Höhe von 1.030,00 Euro sowie die dazugehörige augenärztliche Diagnostik in Höhe von 20,00 Euro zu Recht abgelehnt worden sei. Die Voraussetzungen von § 16 SGB II i.V.m. § 44 SGB III lägen schon deswegen nicht vor, weil vorliegend weder eine Anbahnung noch eine Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung in Betracht komme, da sich der Kläger zum Antragszeitpunkt im Juni 2019 schon seit fast zwei Jahren in einem Beschäftigungsverhältnis befunden habe. Ein bereits bestehendes Arbeitsverhältnis könne nicht aus dem Vermittlungsbudget gefördert werden. Auch die sogenannte Stabilisierungsphase von sechs Monaten sei bereits abgelaufen. Zudem scheide eine Förderung aus dem Vermittlungsbudget bereits deshalb aus, weil nach § 5 SGB II der zuständige Krankenversicherer vorrangiger Leistungsträger sei. Auf die Entscheidungen des SG Nürnberg vom 30.08.2017 - S 22 AS 723/15 und des LSG Sachsen vom 07.12.2009 - L 3 AS 339/09 B PKH werde verwiesen. Ferner sei zu berücksichtigen, dass die Übernahme der Kosten für eine Gleitsichtbrille als Mehrbedarf gemäß § 21 Abs. 6 S. 1 SGB II nicht in Betracht komme, weil die Anschaffungskosten nur einmalig anfielen und nicht, wie es das Gesetz verlange, einen laufenden Bedarf darstellten; insoweit werde auf das Urteil des LSG Hamburg vom 09.04.2014 - L 4 AS 279/13 verwiesen. Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 25.10.2017 - B 14 AS 4/17 R) bestehe auch kein Anspruch auf einen Sonderbedarf aus § 24 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 Alt. 2, S. 2 SGB II, da es sich nicht um eine Reparatur, sondern um die Neuanschaffung einer Brille handele. Insoweit werde auf die Entscheidung des SG Hamburg vom 26.02.2018 - S 29 AS 888/17 verwiesen (Bl. 35 ff. eVA; Bl. 12 ff. PA).
Hiergegen hat der Kläger am 25.09.2019 Klage erhoben und vertieft sein Vorbringen dahingehend, dass er entsprechend der Eingliederungsvereinbarung vom 27.06.2017 bzw. vom 06.04.2020 weiterhin zur Anbahnung und Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung verpflichtet sei, so dass § 16 SGB II i.V.m. § 44 Abs. 1 SGB III einschlägig sei. Der Bekla...