Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Arbeitsunfall. Feststellung einer posttraumatischen Belastungsstörung als Unfallfolge. "partielle" posttraumatische Belastungsstörung. keine Diagnose nach anerkannten Diagnosemanualen. Unfallereignis als wesentliche Ursache einer psychischen Störung. Auslegung eines Bescheides
Leitsatz (amtlich)
1. Zur juristischen Feststellung einer posttraumatischen Belastungsstörung als Unfallfolge.
2. Eine "partielle" posttraumatische Belastungsstörung ist keine (eigenständige) Diagnose im Sinne eines der anerkannten Diagnosemanuale. Mangels einer entsprechenden Einordnung in die Diagnosesysteme scheidet die Anerkennung einer partiellen posttraumatischen Belastungsstörung als Gesundheitsfolgeschaden bzw als psychische Symptome und dem folgend als Unfallfolgen aus.
3. Zur Auslegung des Bescheides der Beklagten unter zu Hilfenahme der maßgeblichen Verwaltungsunterlagen.
Orientierungssatz
1. Bei Bewertung der Frage, ob ein Unfallereignis wesentliche Ursache einer psychogenen Störung ist, muss bei psychischen Störungen der Schweregrad des Unfallereignisses, der Schweregrad des Unfallerlebens, der zeitliche Zusammenhang zwischen Unfall und psychischen Folgen, die Persönlichkeit des betroffenen Menschen in seinem sozialen Gefüge und seiner jeweiligen Lebenssituation sowie mögliche sekundäre Motive und psychosoziale Faktoren aus dem persönlichen Umfeld berücksichtigt werden (vgl LSG Stuttgart vom 25.1.2023 - L 3 U 984/21 = UV-Recht Aktuell 2023, 459 RdNr 62 unter Hinweis auf SG Hamburg vom 15.4.2005 - S 40 U 517/03 = juris RdNr 35 ).
2. Az beim LSG Hamburg: L 2 U 35/24 .
Tenor
1. Der Bescheid der Beklagten vom 5.4.2022 in der Gestalt Widerspruchs-bescheides vom 21.12.2022 wird abgeändert. Als weitere Folge des Arbeitsunfalls vom 17.5.2019 wird eine posttraumatische Belastungsstörung (ICD-10: F43.1) festgestellt.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Die Beklagte hat dem Kläger ¼ der notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Weitergewährung einer, als vorläufige Entschädigung gewährten Rente, als Dauerrente.
Der 1985 geborene Kläger erlitt am 17.5.2019 einen Arbeitsunfall als Wegeunfall, als er mit seinem Pkw auf der Autobahn einen schweren Autounfall erlitt. Nach dem Durchgangsarzt-bericht vom 17.5.2019 wurde der Kläger durch den Rettungsdienst in ein Krankenhaus gebracht und dort bis 20.5.2019 stationär behandelt. Als Diagnose im Durchgangsarztbericht wurde vorläufig eine Prellung des Ellenbogens links mit einer messbaren Hautrötung/Prellmarke von 5x5mm aufgenommen. Alle Extremitäten waren aktiv frei beweglich.
Im Entlassungsbericht aus der stationären Behandlung am 20.5.2019 wurde ebenfalls nur über eine Prellung des linken Ellenbogengelenks berichtet.
Ab 21.5.2019 erfolgte die Weiterbehandlung ambulant unter den Diagnosen Muskelzerrung: Unterarm (Radius, Ulna, Handgelenk) beidseitig; HWS-Distorsion und multiple Prellungen beidseitig.
Im MRT-Befund der Halswirbelsäule (HWS) vom 22.7.2019 wurde berichtet, dass kein Nachweis einer traumatischen Verletzung der HWS vorlag, bei leichter bis moderater Osteochondrose im Bereich HWK 6/7 .
Bei einer Untersuchung im Unfallkrankenhaus Hamburg am 17.9.2019 wurden Beschwerden im rechten Handgelenk vom Kläger geäußert bzw. medizinisch dokumentiert.
Unter dem 28.10.2019 berichten die Fachärzte für Neurologie Dr. G. und Dr. G1, dass beim Kläger ein muskuläres Schmerzsyndrom rechts nach HWS-Distorsion vorliege, aber keine Unfallfolgen auf neurologischem Fachgebiet. Der Kläger gebe immer noch Schmerzen im Bereich der Halswirbelsäule und beider Handgelenke an. Strukturelle Traumafolgen konnten im Rahmen der Kernspintomografie der Halswirbelsäule ausgeschlossen werden.
Unter dem 9.11.2019 berichtete Dr. K. aus dem Unfallkrankenhaus über den Kläger, dass sich in den MRT-Untersuchungen vom 7.11.2019 am linken Handgelenk keine Unfallfolgen finden würden.
Das MRT von der rechten Hand zeige einen kleinen älteren narbigen Defekt und insgesamt keine Unfallfolgen. Am 11.11.2019 wurde auch eine MRT-Untersuchung des rechten Ellenbogens durchgeführt, die keine Unfallfolgen nachweisen konnten, vgl. Bericht vom 22.11.2019.
Am 20.1.2020 fand ein arthroskopischer Eingriff am rechten Ellenbogengelenk statt.
Auf Veranlassung der Beklagten fertigte der Facharzt für Chirurgie und Unfallchirurgie Dr. K1 unter dem 19.8.2020 ein Gutachten und kam zusammengefasst zu dem Ergebnis, als Gesundheitserstschäden auf orthopädisch-chirurgischem Gebiet liege eine Prellung am linken Ellenbogengelenk vor. Am rechten Ellenbogengelenk seien die später arthroskopisch festgestellten gelösten Vernarbungen als Schadensanlage zu werten und nicht als Unfallfolge. Wenn am Tag der Erstuntersuchung und während der nächsten drei Tage keine Beschwerden am rechten Ellenbogengelenk dokumentiert worden seien, entbehre es einer Grundlage, hier von strukturellen Verletzungsfolgen auszugehen. Insbesondere ein frischer knöcherner Ausriss d...