Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Rentenversicherung: Rente wegen Erwerbsminderung. Voraussetzung der Annahme einer Erwerbsminderung bei Schmerzzuständen und depressiven Episoden
Orientierungssatz
1. Eine schwere depressive Episode, die zu einer Erwerbsminderung führt, ist nur anzunehmen, wenn eine gedrückte Stimmung, ein Interessenverlust, Freudlosigkeit und ein verminderter Antrieb mit Ermüdbarkeit festzustellen sind, neben denen noch vier Zusatzsymptomen wie zum Beispiel eine verminderte Konzentration und Aufmerksamkeit, ein vermindertes Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen, Schuldgefühle und Gefühle der Wertlosigkeit, pessimistische Zukunftsperspektiven, Suizidgedanken, Schlafstörungen oder verminderter Appetit auftreten.
2. Allein das Vorliegen von Schmerzzuständen führt noch nicht zur Annahme einer Erwerbsminderung, solange die Schmerzen nicht derart ausgeprägt sind, dass sie zu einer wesentlichen Einschränkung der Alltagsstruktur führen, indem sie etwa zu einem sozialen Rückzug zwingen oder die Bewältigung des Alltags verhindern.
3. Einzelfall zur Beurteilung des Vorliegens einer Erwerbsminderung als Voraussetzung einer Erwerbsminderungsrente (hier: Erwerbsminderung verneint).
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI).
Die am ....1964 geborene p. Klägerin hat in P. eine pädagogische Ausbildung absolviert und dort insbesondere als Grundschullehrerin gearbeitet. Nach ihrem Umzug nach Deutschland im Dezember 1988 übte sie verschiedene Tätigkeiten aus. So war sie war als Büroaushilfe oder auch in der Gastronomie tätig. Zuletzt bezog die Klägerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II).
Die Klägerin stellte im Jahr 2008 bei der Beklagten einen Antrag auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, mit der Begründung sie leide an Depressionen, Hypotonie und Herzpalpitationen. Ihre Hausärztin Frau Dr. J. teilte in dem Befundbericht vom 13.06.2008 mit, das Hauptleiden bestünde in einer Depression verknüpft mit Angst, Panikattacken und Kopfschmerzen. Daraufhin wurde im Zeitraum 16.09.2008 bis 07.11.2008 zu lasten der Beklagten eine Rehabilitationsmaßnahme in der C. Klinik M. durchgeführt.
Bei Entlassung sahen die Ärzte der Klinik bei der Klägerin ein positives Leistungsvermögen für mittelschwere Arbeiten überwiegend im Gehen, Gehen oder Sitzen außerhalb von Nachtschichten. Sie stellten als negatives Leistungsvermögen die geistige/psychische Belastbarkeit im Sinne eines eingeschränkten Umstellungs- und Anpassungsvermögens der Klägerin fest. Zwar bestehe um Zeitpunkt der Entlassung noch Arbeitsunfähigkeit, bei Fortsetzung einer ambulanten Psychotherapie werde die Patientin perspektivisch wieder in jeder Tätigkeit über 6 Stunden einsetzbar sein (vgl. Entlassungsbericht vom 14.11.2008).
Laut eine später eingeholten sozialmedizinischen Stellungnahme des Ärztlichen Dienst der Bundesagentur für Arbeit/Agentur für Arbeit Hamburg vom 13.01.2011, erstellt durch Dr. B., lag nunmehr eine vorübergehende Leistungseinschränkung für Tätigkeiten über 3 Stunden täglich für voraussichtlich länger als 6 Monate aber nicht auf Dauer vor.
Die Klägerin stellte daraufhin am 11.05.2011 bei der Beklagten einen Rentenantrag, in dem sie im Wesentlichen angab, an schweren Depressionen, Angstzuständen, Panikattacken, Erschöpfung und Antriebslosigkeit, Konzentrations- und Gedächtnisstörungen zu leiden. Ferner gab sie einen Bandscheibenvorfall, Rücken- und Gehbeschwerden, Asthma, Magen-Darm-Beschwerden, Orientierungs- und Gleichgewichtsstörungen sowie Kreislaufproblemen und Persönlichkeitsstörungen an. Sie könne daher keine Arbeiten mehr verrichten und sei daher arbeitsunfähig erkrankt.
Die Beklagte lehnte den Antrag nach Einholung einer gutachterlichen Stellungnahme der Dr. med. F., Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie, vom 13.06.2013 mit Bescheid vom 18.06.2013 ab und führte zur Begründung aus, die Einschränkungen, die sich aus der Erkrankung ergeben, könnten nicht zu einem Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung nach § 43 SGB VI führen, da die Klägerin nach medizinischer Beurteilung noch mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig sein kann. Dagegen legte die Klägerin am 19.07.2013 Widerspruch ein, insbesondere mit der Begründung, die Beschwerden seien nicht ausreichend berücksichtigt worden, da sie am Tag der Untersuchung unter sehr starken Schmerzmitteln gestanden habe, weshalb sie nicht richtig habe reagieren können.
Die Beklagte holte sodann eine ergänzende gutachterliche Stellungnahme der Dr. med. F. vom 06.11.2013 ein. Diese führte aus, die Beschwerdeproblematik sei während der Begutachtung ausreichend zur Darstellung gekommen. Im Übrigen relativiere sich der Hinweis des starken Einflusses von Schmer...