Leitsatz (amtlich)

Die Methadon-Richtlinien fanden in den Jahren 1994 und 1995 auf einen ambulant durchgeführten Entzug keine Anwendung, da sich ihr Regelungsgehalt auf die Durchführung einer Drogensubstitution mit Methadon beschränkte.

Die Substitution mit Remedacen (DHC, Codein) stellt eine mögliche Form der Substitution dar.

An die Substitution von Drogenabhängigen mit Remedacen sowie an einen mit diesem Mittel durchgeführten ambulanten Entzug sind im übrigen vergleichbare Anforderungen zu stellen wie an mit Methadon durchgeführte Maßnahmen.

 

Tenor

Aufhebung der Beschlüsse vom 19.4.2001 und Verurteilung der Beklagten zur erneuten Entscheidung über die Widersprüche unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts

 

Tatbestand

Im Streit steht die Rechtmäßigkeit von Arzneikostenregressen für die Quartale IV/94, III/95 und IV/95.

Die Klägerin ist eine Gemeinschaftspraxis zweier zur vertragsärztlichen Versorgung in H. zugelassener Ärzte.

Auf Antrag der Beigeladenen zu 2) vom 18.9.1995 (Quartal IV/94), vom 25.6.1996 (Quartal III/95) und vom 16.9.1996 (Quartal IV/95) überprüfte der Prüfungsausschuss bei der Kassenärztlichen Vereinigung H. die Verordnungsweise der Klägerin in den von der Beigeladenen aufgeführten Einzelfällen.

Nach Anhörung der Klägerin – auf die Schreiben der Klägerin vom 16.10.1995, 9.10.1996 und 2.11.1996 wird Bezug genommen – setzte der Prüfungsausschuss mit Beschluss vom 29.5.1996 wegen der Verordnung von Remedacen in einem Einzelfall für das Quartal IV/95 einen Regress in Höhe von DM 287, 11 sowie mit Beschlüssen vom 12.2.1997 wegen der Verordnung von Dihydrocodein (DHC) in vier Fällen für das Quartal III/95 einen Regress in Höhe von DM 3.481, 92 und (in zwei Fällen) für das Quartal IV/95 in Höhe von DM 252, 86 fest.

Auf die Begründungen der Beschlüsse wird Bezug genommen.

Gegen diese Beschlüsse erhob die Klägerin jeweils Widerspruch, der mit Schriftsätzen vom 31.8.1996, 18.7.1997 und vom 18.7.1997 im wesentlichen damit begründet wurde, dass es sich in den beanstandeten Fällen um Entzugsbehandlungen gehandelt habe.

Der Beklagte wies die Widersprüche mit Beschlüssen vom 19.4.2001 im zurück. Zur Begründung führte der Beklagte – im wesentlichen gleichlautend – aus, nach Inkrafttreten der Richtlinien über die Einführung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (NUB-Richtlinien) sei die Drogensubstitution nur noch gemäß diesen Richtlinien oder dem Hamburger Vertrag möglich gewesen; dort sei ausdrücklich nur die Substitution mit Methadon vorgesehen. Dies gelte auch unter Berücksichtigung des BSG-Urteils vom 5.7.1995, weil dieses eine Substitution vor Inkrafttreten der NUB-Richtlinien betreffe.

Unter Berücksichtigung einer angemessenen Übergangsfrist – also spätestens ab dem 1.1.1992 – sei eine Substitution mit Codeinpräparaten nicht mehr zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen (GKV) zulässig gewesen, da die NUB-Richtlinien die Substitutionsbehandlung mit Methadon als Standard vorgäben. Etwas anderes gelte nur in den – realtiv seltenen – Fällen, in denen eine Methadonunverträglichkeit hinreichend glaubhaft gemacht werde.

Dass die Verordnungen nicht der Substitution, sondern einem ambulanten Entzug gedient hätten, sei für die Entscheidung nicht von Belang, da nach Inkrafttreten der NUB-Richtlinien Codeinpräparate auch bei rückläufiger Dosierung im Sinne einer Entzugsbehandlung nicht zu Lasten der GKV hätten verordnet werden können.

Eine Ausnahme sei auch im Hamburger Vertrag, der zeitlich begrenzt als Modellversuch durchgeführt worden sei, nicht vorgesehen.

Ergänzend wird auf den weiteren Inhalt der angefochtenen Beschlüsse verwiesen.

Gegen diese am 6.7.2001 zur Post gegebenen Beschlüsse richtet sich die am 16.7.2001 von der Klägerin durch ihren Bevollmächtigten erhobene Klage (Az. S 3 KA 254/01), von der mit Beschluss vom 6.9.2001 die Verfahren S 3 KA 125/02 (Quartal III/95) und S 3 KA 311/01 (Quartal IV/95) abgetrennt worden sind.

Die Klagen sind mit Schriftsatz vom 21.8.2001 – auf dessen Inhalt ergänzend verwiesen wird – und den mit Schriftsatz vom 22.8.2001 erfolgten Korrekturen wie folgt begründet worden:

Der Beklagte habe zutreffend festgestellt, dass in den strittigen Fällen weder eine Genehmigung nach dem Hamburger Vertrag noch eine Meldung oder Genehmigung nach den NUB-Richtlinien vorgelegen habe. Entzugsbehandlungen würden weder durch die Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung (BtMVV) noch durch die Richtlinien zur Substitutionsbehandlung in ihren verschiedenen Fassungen geregelt. Der Unterschied zwischen einem Entzug und einer Substitutionsbehandlung sei entscheidend.

Bei Heroinabhängigkeit könne man einen Entzug durchführen, der in der Vergangenheit ohne Medikamente durchgeführt worden und daher sehr quälend gewesen sei. Seit mehreren Jahren werde der Entzug vom Heroin mit Opiaten durchgeführt, die die quälenden Entzugssymptome linderten; dadurch dauere ein Entzug zwar länger, werde aber vom Patienten besser ertragen. Unter stationären Bedingungen könne man einen opiatgestützten Entzug meist in zw...

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