Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Vergütung von Krankenhausbehandlungsleistungen. Zusammenfassen der Fallpauschalen bei Wiederaufnahme. schicksalhafte Komplikationen. Verantwortungsbereich des Krankenhauses. Überprüfbarkeit durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zur Auslegung des Begriffs Verantwortungsbereich in § 2 Abs 3 FPV 2008 (juris: KFPVbg 2008).

2. Schicksalhafte Komplikationen fallen in den Verantwortungsbereich des Krankenhauses iS des § 2 Abs 3 S 1 FPV 2008.

 

Orientierungssatz

§ 275 Abs 1c S 2 SGB 5 wird in der Rechtsprechung überwiegend als Ausschlussfrist verstanden (vgl BSG vom 16.12.2008 - B 1 KN 3/08 KR R = BSGE 102, 181 = SozR 4-2500 § 109 Nr 15 obiter dictum, LSG Essen vom 24.9.2009 - L 5 KR 81/09, LSG Celle-Bremen vom 13.7.2011 - L 1 KR 501/10), nach deren Ablauf Prüfungen durch den MDK "unzulässig" sind und die Krankenkasse keine medizinischen Einwendungen mehr vorbringen kann (so ausdrücklich LSG Celle-Bremen vom 13.7.2011 - L 1 KR 501/10 aaO, weiterhin SG Darmstadt vom 20.5.2010 - S 18 KR 344/08, SG Dortmund vom 22.7.2011 - S 8 KR 140/09, SG Hamburg vom 25.7.2011 - S 6 KR 151/11). § 275 Abs 1c S 2 SGB 5 enthält insoweit eine punktuell vom sozialprozessualen Amtsermittlungsgrundsatz abweichende Ausschlusswirkung, die insbesondere - schon um die Vorschrift nicht im Ergebnis leerlaufen zu lassen - auch im gerichtlichen Verfahren gilt (auch hierzu LSG Celle-Bremen vom 13.7.2011 - L 1 KR 501/10 aaO, SG Darmstadt vom 20.5.2010 - S 18 KR 344/08 aaO). Diese Präklusionswirkung betrifft allerdings nicht auch die rechtliche Frage nach der Auslegung des Begriffs "Verantwortungsbereich des Krankenhauses" iS des § 2 Abs 3 S 1 FPV 2008 (juris: KFPVbg 2008).

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten.

3. Der Streitwert wird auf 1.591,20 Euro festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Vergütung für eine Krankenhausbehandlung.

Die bei der Beklagten krankenversicherte R.W. (geb. ...1940, i.F.: Patientin) wurde zunächst in der Zeit vom 30.06.2008 bis zum 08.07.2008 in einem von der Klägerin betriebenen Krankenhaus vollstationär behandelt: Diagnostiziert war eine bursitis praepatellaris; die Therapie bestand in einer Resektion des betroffenen Schleimbeutels sowie der begleitenden Gabe von Antibiotika (aufgrund einer festgestellten Infektion mit Staphylokokken bei multiplen Resistenzen).

Am 10.07.2008 wurde die Patientin erneut aufgenommen und bis zum 15.07.2008 stationär behandelt. Festgestellt wurde diesmal eine fluktuierende Schwellung der betroffenen Körperregion. Durchgeführt wurden ein Debridement, tägliche Verbandswechsel und eine offenbar engmaschigere Therapie mit Antibiotika.

Die Klägerin forderte von der Beklagten mit Rechnung vom 22.07.2008 - versandt am 26.08.2008 - eigens für den Aufenthalt der Patientin vom 10. bis zum 15.07.2008 einen Betrag von 1594,80 Euro. Die Beklagte beauftragte am 13.10.2008 den MDK mit einer Überprüfung und teilte dies - nach eigenen Angaben - der Klägerin mit. Gestützt auf das Gutachten des MDK vom 13.11.2009 verrechnete sie den zunächst gezahlten Rechnungsbetrag im Januar 2010 mit einer anderen offenen Rechnung mit der Begründung, die Fallpauschalen seien für beide Aufenthalte zusammenzufassen, da es sich um eine Wiederaufnahme infolge von Komplikationen gehandelt habe.

Am 15.06.2011 hat die Klägerin Klage erhoben.

Sie führt aus, die Wiederaufnahme der Patientin sei nicht in den Verantwortungsbereich des Krankenhauses gefallen. Bereits der MDK habe eine Verantwortung des Krankenhauses für die aufgetretene Komplikation verneint und die Frage letztlich als eine rechtliche angesehen. Tatsächlich sei die Komplikation erst nach der Entlassung der Patientin aufgetreten und durch die Klägerin weder vorhersehbar noch vermeidbar und somit auch nicht zu verantworten gewesen. Schicksalhafte Komplikationen führten nicht zur Zusammenführung der Fallpauschalen. Eine ähnliche Auslegung der Fallpauschalenvereinbarung habe inzwischen auch das SG Landshut und des SG Köln vorgenommen.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 1.591,20 Euro nebst fünf Prozent Zinsen seit dem 25.01.2010 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie führt aus, der Sinn der einschlägigen Regelungen liege darin, dass der gesamte Behandlungsverlauf in einer Fallpauschale abgerechnet werde. Eine zweite Fallpauschale komme nur dann in Betracht, wenn die erste Behandlung medizinisch abgeschlossen sei. Das Auftreten von Komplikationen spreche indes deutlich für das Gegenteil. Hierzu gehörten auch schicksalhaft aufgetretene operationsimmanente Komplikationen, die als normales Risiko nach einem Eingriff unabwendbar seien. In den Verantwortungsbereich eines Krankenhauses fielen auch solche Komplikationen, die nicht auf Fehlverhalten des Krankenhauspersonals beruhten. Die eigens eingefügte Bezugnahme auf den Verantwortungsbereichs des Krankenhauses in der Fallpauschalenvereinbarung 2008 (FPV 2008) solle Kra...

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