Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Krankenhaus. Ausschlusswirkung bei Prüfung der Krankenhausbehandlung durch MDK nach § 275 Abs 1c SGB 5. Beachtung von Amts wegen. Übersendung der Akte an MDK trotz Fristversäumnis. keine Willenserklärung. Reichweite der Wirkung des § 275 Abs 1c SGB 5
Leitsatz (amtlich)
1. Die Ausschlusswirkung des § 275 Abs 1c SGB 5 ist von Amts wegen zu beachten.
2. In der Übersendung einer Akte an den MDK trotz vorherigem Fristversäumnis nach § 275 Abs 1c SGB 5 liegt keine Willenserklärung.
3. Zur Reichweite der Wirkung nach § 275 Abs 1c SGB 5.
Nachgehend
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 8.921,15 € nebst 5 Prozent Zinsen seit dem 08.06.2010 zu zahlen.
Die Beklagte trägt die Kosten.
Der Streitwert wird auf 8.921,15 € festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Höhe einer Vergütung für eine stationäre Behandlung.
Die Klägerin behandelte in einem von ihr betriebenen Krankenhaus eine Versicherte der Beklagten in der Zeit vom 17.02.2009 bis zum 11.04.2009 stationär und verlangte hierfür mit einer vom 13.04.2001 datierenden und per Datenträgeraustausch am 28.04.2009 übersandten Rechnung einen Betrag von 17.538,83 Euro, wobei sie als Hauptdiagnose “S22.06 Fraktur eines Brustwirbels: T11 und T 12„ zugrunde legte.
Die Beklagte beglich die Rechnung zunächst, zeigte jedoch mit Schreiben vom 14.06.2009 (eingegangen bei der Klägerin am 22.06.2009) an, sie habe den MDK mit der sozialmedizinischen Überprüfung der Dauer der stationären Behandlung sowie der Codierung beauftragt und begehrte die Übersendung näher bezeichneter Unterlagen. Nachdem sich letzteres zunächst verzögert hatte, kam der MDK schließlich in seinem Gutachten vom 20.04.2010 zu dem Ergebnis, die Codierung durch die Klägerin sei insoweit unzutreffend gewesen, als die Patientin sich die Brustwirbelkörperfraktur erst im Laufe der Krankenhausbehandlung zugezogen habe. Vielmehr müsse die Hauptdiagnose auf “I50.01 Sekundäre Rechtsherzinsuffizienz„ lauten. Gestützt hierauf nahm die Beklagte am 08.06.2010 eine Aufrechnung i.H.v. 8.921,15 Euro vor.
Am 18.08.2011 hat die Klägerin ihre Klage erhoben, die ursprünglich mit einer Verzinsungsforderung ab dem 16.05.2009 verbunden war.
Sie führt aus, die Beklagte könne sich nicht auf das Ergebnis der Prüfung durch den MDK berufen, da sie dessen Beauftragung erst nach Ablauf der gesetzlichen Frist von sechs Wochen angezeigt habe.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 8.921,15 Euro nebst 5 Prozent Zinsen seit dem 08.06.2010 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie führt aus, die Brustwirbelkörperfraktur sei bereits aus Rechtsgründen nicht als Hauptdiagnose in Betracht gekommen, denn nicht sie habe zur stationären Aufnahme der Patientin geführt. Insoweit komme es nicht auf ein mögliches Fristversäumnis bei der Unterrichtung der Klägerin von der Beauftragung des MDK an.
Im Übrigen könne sich die Klägerin auch nicht auf einen etwaigen Einwendungsausschluss berufen, da sie sich ohne Rüge des Fristversäumnisses auf eine inhaltliche Prüfung durch den MDK eingelassen habe. Es verstoße gegen das Verbot des venire contra factum proprium, wenn sie sich im Prüfverfahren nicht auf einen verspäteten Eingang der Anzeige berufe und dem MDK sogar ihre Unterlagen zur Verfügung stelle. Verzichte ein Krankenhaus zunächst bewusst auf den Schutz der Fristenregelung, so handele es treuwidrig, wenn es sich später auf genau diese Regelung berufe.
Die Klägerin repliziert hierauf, auch ein Ausschluss der von ihr zugrunde gelegten Hauptdiagnose aus Rechtsgründen lasse keinen zwingenden Schluss auf die richtige Hauptdiagnose zu. Dergleichen lasse sich nur unter Heranziehung medizinischen Sachverstandes klären. Hierfür sei es allerdings zu spät, denn das Gesetz sehe ausdrücklich eine sechswöchige Ausschlussfrist vor, die von Amts wegen zu beachten sei. Auch habe sie, die Klägerin, keinen Vertrauenstatbestand geschaffen, der die Beklagte zu nunmehr hinfälligen Dispositionen im Prüfverfahren veranlasst habe.
Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die übrige Prozessakte sowie die beigezogenen Akten beider Beteiligter verwiesen, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und mit dem zuletzt gestellten Verzinsungsantrag auch begründet.
A.)
Die Klage ist statthaft als echte Leistungsklage (§ 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz, SGG); sie ist nicht fristgebunden und eines Vorverfahrens bedurfte es nicht.
B.)
Die Klage ist in der Hauptsache und auch hinsichtlich der zuletzt korrigierten Zinsforderung begründet.
I.)
Der Vergütungsanspruch der Klägerin ergibt sich aus § 109 Abs. 4 Satz 3 Sozialgesetzbuch fünftes Buch gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) i.V.m. dem aus § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V folgenden Krankenhausbehandlungsanspruch der Versicherten. Die Zahlungsverpflichtung der Krankenkass...