Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Landwirt. Begriff des Arbeitseinkommens wird durch Einkommenssteuerrecht ausgefüllt. Berücksichtigung von Pachteinnahmen

 

Orientierungssatz

1. Der in der Sozialversicherung verwendete Begriff des Arbeitseinkommens wird durch das Einkommenssteuerrecht ausgefüllt. Das bedeutet, dass steuerrechtlich als "Einkünfte aus selbstständiger Arbeit" bewertetes Einkommen als "Arbeitseinkommen als aus selbstständiger Tätigkeit" anzusehen ist. Ebenso sind Einkünfte aus dem Gewerbebetrieb gem § 2 Abs 1 S 1 EStG als Einkommen zu bewerten (vgl ua BSG vom 7.10.2004 - B 13 RJ 13/04 R = BSGE 93, 226 = Soz 4-2400 § 15 Nr 2).

2. Pachteinnahmen führen nur zu einer Einordnung als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, wenn der Verpächter die (steuerrechtlich relevante) Aufgabe des Betriebes erklärt hat. Andernfalls handelt es sich um Einnahmen aus Land- und Forstwirtschaft iS von § 13 EStG.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 23.01.2008; Aktenzeichen B 10 KR 1/07 R)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Höhe der Beiträge zur Kranken - und Pflegeversicherung.

Der Kläger war ursprünglich als Landwirt in H tätig. Später verpachtete er einen Teil der Flächen und betrieb auf den restlichen Grundflächen einen Gartenbaubetrieb mit direkter Vermarktung auf den H Wochenmärkten. Weil die Produktion geringer wurde, stufte das zuständige Finanzamt den Betrieb als Gewerbebetrieb i. S. v. § 15 Abs. 1 Einkommenssteuergesetz (EStG) und nicht mehr als land - und forstwirtschaftlichen Betrieb ein. Mit Vertrag vom 31.3.2000 verpachtete der Kläger den Wochenmarktstand an seine Ehefrau und stellte den landwirtschaftlichen Betrieb ein. Gegenüber dem Finanzamt gab der Kläger zur Vermeidung gravierender steuerrechtlicher Nachteile (Versteuerung des Aufgabegewinns) keine Betriebsaufgabeerklärung ab. In einem solchen Fall werden die Pachteinnahmen, die der Kläger bis zur Aufgabe des Marktgeschäftes am 1.1.2003 erzielt hat, steuerrechtlich als Einkünfte aus dem Gewerbebetrieb behandelt.

Der Kläger beantragte ab 13.10.1999 eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit und wurde von der Beklagten ab diesem Zeitpunkt als Rentenantragssteller kranken- und pflegeversichert (Bescheid vom 15.12.1999). Nach Gewährung einer Rente der gärtnerischen Alterssicherung erfolgte eine Mitgliedschaft als Rentenbezieher ab 1.4.2000 (Bescheid vom 3.5.2000).

Am 11.11.2002 reichte die Steuerberaterin des Klägers den Lohnsteuerbescheid für das Jahr 2000 ein. Es wird Bezug genommen auf den Steuerbescheid vom 23.1.2002, Blatt 30 und 31 der Verwaltungsakte der Beklagten.

Mit Bescheiden vom 22.1.2003 forderte die Beklagte vom Kläger die Zahlung von Versicherungsbeiträgen aus außerlandwirtschaftlichem Arbeitseinkommen in Höhe von 4724,28 EUR für die Zeit vom 1.4.2000 bis 31.12.2001 und vom 1.1.2002 bis 31.12.2002. Sie berücksichtigte bei der Beitragsbemessung sämtliche Einnahmen des Klägers. Am 7.2.2003 erhob der Kläger Widerspruch und argumentierte, dass es sich bei den zu Grunde gelegten Einkünften nicht um Arbeitseinkünfte handele. Mit Schreiben vom 26.2.2003 (Blatt 40 der Verwaltungsakte der Beklagten) bezifferte die Steuerberaterin des Klägers die Einkünfte für die Jahre 2000 bis 2002 und teilte mit, dass die Verpachtung des Marktstandes am 1.1.2003 eingestellt worden sei.

Mit Bescheiden vom 10.3.2003 setzte die Beklagte die Beiträge für die Jahre 2000 bis 2002 neu fest und berücksichtigte lediglich die Einahmen aus der Verpachtung des Marktstandes, weshalb sich die Forderung auf insgesamt 2386,66 EUR reduzierte. Mit Bescheid vom 11.7.2003 wies sie den Widerspruch des Klägers im Übrigen unter Verweis auf § 15 Sozialgesetzbuch - Viertes Buch (SGB IV) als unbegründet zurück. Maßgeblich sei danach das Einkommenssteuerrecht.

Der Kläger hat am 8.8.2003 Klage erhoben. Er vertritt die Auffassung, dass es keine Parallelität bei der Bestimmung des Arbeitseinkommens zwischen Steuerrecht und Sozialversicherungsrecht gebe. Voraussetzung sei der Einsatz der eigenen Arbeitskraft, die bei Pachteinahmen nicht gegeben sei. Der Betrieb sei faktisch aufgegeben worden. Nur zur Vermeidung steuerrechtlicher Nachteile sei keine Betriebsaufgabeerklärung abgegeben worden.

Der Kläger beantragt,

die Bescheide vom 22.1.2003 in der Fassung der Bescheide vom 10.3.2003 in der Fassung des Widerspruchbescheides vom 11.7.2003 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie bezieht sich im Wesentlichen auf ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid und argumentiert, dass der Wortlaut des § 15 SGB IV eindeutig sei und keine andere Auslegung zulasse.

Das Gericht hat die Verwaltungsakte der Beklagten beigezogen. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung vom 30.3.2007 die Zulassung der Sprungrevision beantragt. Die Beklagte hat der Einlegung der Sprungrevision bereits zugestimmt.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet. Die angefochtenen Beitragsbescheide sind rechtmäßig. Streitgegenständlich sind die Bescheide vom 22.1.2003 in der Fassung der ...

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