Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilferecht: Örtliche Zuständigkeit des Sozialhilfeträgers bei Aufnahme in einem Unfallkrankenhaus. Einordnung eines Krankenhauses als Einrichtung der sozialhilferechtlichen Leistungserbringung

 

Orientierungssatz

1. Die Aufnahme zur Behandlung in einem Unfallkrankenhaus begründet keine Zuständigkeit des für den Ort des Krankenhauses zuständigen Sozialhilfeträgers. Vielmehr bleibt derjenige Träger für die Leistungsgewährung auch der stationären Leistungen zuständig, in dessen Zuständigkeitsbereich der aufgenommene Patient vor Aufnahme im Krankenhaus seinen ständigen Aufenthalt hatte.

2. Ein Unfallkrankenhaus stellt eine Einrichtung der sozialhilferechtlichen Leistungserbringung im Sinne des § 13 Abs. 2 SGB 12 dar.

 

Tenor

1. Es wird festgestellt, dass der Beklagte für die Gewährung der nach dem SGB XII gewährten und zu gewährenden Leistungen für den Hilfeempfänger M., geboren …1988, mit Wirkung vom 27.05.2012 und für die Zeit ab 01.05.2013 und 01.06.2014 der örtlich zuständige Träger der Sozialhilfe ist.

2. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Euro 106.284,38 für die in der Zeit vom 27.05.2012 bis 28.02.2015 aufgewendete Leistungen für den Hilfeempfänger M. zu zahlen sowie der Klägerin die bis zur endgültigen Übernahme weiter entstehenden laufenden gewährten Leistungen nach dem SGB XII zu erstatten.

3. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte. 4. Der Streitwert wird auf Euro 111.284,38 festgesetzt.

 

Tatbestand

Im Streit ist die örtliche Zuständigkeit des Sozialhilfeträgers und in diesem Zusammenhang ein Anspruch der Klägerin auf Erstattung von aufgewendeten Sozialhilfeleistungen und die Feststellung, dass der Beklagte verpflichtet ist, die angefallenen und zukünftig anfallenden Sozialhilfeleistungen zu übernehmen.

Der 1988 geborene Hilfeempfänger M., im Folgenden HE, befand sich nach einem Fahrradsturz, bei dem er eine komplette Querschnittlähmung erlitt, vom 27.05.2012 bis zum 30.04.2013 in stationärer Behandlung des B1 Unfallkrankenhauses H. (B.). Der HE, der bis zum 26.05.2012 ein befristetes Beschäftigungsverhältnis als Lagerist ausgeübt hatte, war seit 2010 bis zu seinem Unfall in Stelle/Kreis H1 in einer Gemeindeunterkunft als wohnhaft gemeldet, die im Zuständigkeitsbereich des Beklagten liegt. Eine amtliche Abmeldung erfolgte zum 01.08.2012. Der HE zog am 01.05.2013 in eine Wohngemeinschaft für beatmungspflichtige Schwersterkrankte nach H.- P., wo er aufgrund seiner Pflegebedürftigkeit (Grad der Behinderung: 100 Merkzeichen aG; Pflegestufe 3 a.F.) von einem ambulanten Pflegedienst versorgt wurde. Seit dem 01.06.2014 lebt der HE in einer eignen Wohnung in H.- W., in der er ebenfalls rund um die Uhr pflegerisch versorgt wird. Lt. Bescheid der Deutschen Rentenversicherung Bund vom 04.12.2013 ist der HE seit dem 27.05.2012 voll erwerbsgemindert. Mangels ausreichender Versicherungszeiten besteht kein Rentenanspruch. Am 15.08.2012 stellte die Betreuerin des HE bei der Klägerin einen Antrag auf Übernahme der Kosten der Krankenversicherung sowie beim Jobcenter team.arbeit. H. einen Antrag auf Gewährung von Leistungen zum Lebensunterhalt, der zunächst mangels ausreichender Unterlagen mit Bescheid vom 31.10.2012 abgelehnt wurde. Im Widerspruchsbescheid vom 26.11.2012 berief sich das Jobcenter auf § 7 Abs. 4 SGB II, wonach dieses nicht zuständig sei, da sich der HE bereits seit 6 Monaten und auf nicht absehbare Zeit und darüber hinaus in stationärer Behandlung im Krankenhaus befinde. Die Klägerin lehnte mit Bescheid vom 04.12.2012 unter Hinweis auf die örtliche Zuständigkeit des Beklagten gemäß § 98 Abs. 2 SGB XII eine Leistungsgewährung ab, da der HE dort vor Aufnahme in das Krankenhaus seinen gewöhnlichen Aufenthalt gehabt habe. Im Rahmen des anschließenden Eilverfahrens vor dem Sozialgericht Hamburg (S 4 AS 35/13 ER) gegen das Jobcenter wurde die Klägerin als Beigeladene mit Beschluss vom 05.02.2013 verpflichtet, für den HE mit Wirkung vom 04.01.2013 (Antragstellung beim Sozialgericht) unter Hinweis auf § 98 Abs. 2 Satz 3 SGB XII im Rahmen eines Eilfalles die laufenden Sozialhilfeleistungen zu übernehmen, denn der Aufenthalt des HE in einem Krankenhaus stelle eine Einrichtung i.S. von § 13 Abs. 2 SGB XII dar. Die dagegen erhobene Beschwerde der jetzigen Klägerin beim Landessozialgericht Hamburg blieb erfolglos (Beschluss vom 25.03.2013 Az.: L 4 AS 49/13 B ER). Die Klägerin übernahm daraufhin ab 04.01.2013 laufende Sozialhilfeleistungen für den HE in Form von rückständigen Beiträgen zur Krankenversicherung, Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt in Einrichtungen, mit Wirkung ab 01.05.2013 Leistungen der häuslichen Pflege sowie Leistungen der Grundsicherung, Leistungen der Beförderungspauschale und ab 01.06.2014 darüber hinaus Leistungen der Erstausstattung, Kaution, Kosten für die Anschaffung von Kühlschrank und Waschmaschine, die sich bis einschließlich 2/2015 auf insgesamt Euro 106.284,38 beliefen. Bereits am 12.06.2013 machte die Klägerin bei dem Beklagten einen Erstattu...

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