Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Mehrbedarf. unabweisbarer laufender besonderer Bedarf. Wahrnehmung des Umgangsrechts mit inhaftiertem Stiefvater. Fahrtkosten. keine Anrechnung der im Regelsatz enthaltenen Verkehrspauschale. Höhe des Aufwendungsersatzes

 

Leitsatz (amtlich)

1. Aufwendungen für Besuchsfahrten in eine Justizvollzugsanstalt zur Wahrnehmung eines Umgangsrechts mit dem Stiefvater stellen im Rahmen der Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende für die Stiefkinder einen Mehrbedarf dar und sind deshalb vom Grundsicherungsträger zusätzlich zur Regelleistung zu übernehmen, wenn es sich bei dem Stiefvater um eine enge, den leiblichen Vater ersetzende Bezugsperson des Stiefkindes handelt und der Umgang dem Wohl des Kindes dient.

2. Eine wöchentliche Besuchsfrequenz bei einem 8jährigen Kind und der vorliegenden Entfernung zwischen Wohnort und Besuchsort (ca 50 km) ist angemessen und grundsätzlich ausreichend.

3. Die Anrechnung der ohnehin im Regelsatz enthaltenen Verkehrspauschale auf die geltend gemachten Fahrtkosten ist rechtswidrig.

4. Bei Nutzung eines eigenen Pkw für die Fahrt darf der Grundsicherungsträger zum Ersatz der Aufwendungen eine Kilometerpauschale in Höhe von 0,20 Euro festsetzen, soweit nicht tatsächliche höhere Kosten durch den Grundsicherungsempfänger nachgewiesen sind.

 

Tenor

1. Der Bescheid der Beklagten vom 29.01.2015 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 12.02.2015, in der Fassung des Änderungsbescheides vom 10.03.2015 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 04.11.2015 und Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.01.2016 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 28.01.2016 wird abgeändert und die Beklagte verurteilt, dem Kläger zu 3) einen höheren Mehrbedarf im Umfang von weiteren 62,36 Euro im August 2015 und weiteren 43,16 Euro im September 2015 zu gewähren.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die Beklagte trägt 4/5 der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Kläger.

 

Tatbestand

Die am I. geborene Klägerin zu 1), der am …1999 geborene Kläger zu 2) und der am …2007 geborene Kläger zu 3) begehren die Erstattung höherer Kosten der Ausübung des Umgangs mit dem in Haft befindlichen Ehemann der Klägerin zu 1), K., geb. L., der nicht der leibliche oder rechtliche Vater der Kläger zu 2) und 3) ist.

Vorliegend ist der Zeitraum vom 05.08.2015 bis zum 24.09.2015 streitgegenständlich. Die Beklagte zahlte 14,44 Euro pro Monat als Mehrbedarf an die Kläger aus.

Die Klägerin hat aus einer ersten Ehe drei (erwachsene) Kinder, sowie den Kläger zu 2), der den vollen Namen A. trägt. Der Kläger zu 3) stammt aus der zweiten Ehe der Klägerin. Bei der Geburt des Kindes waren der Kindesvater und Ehemann der Klägerin und die Klägerin zu 1) bereits getrennt. Sowohl der Kläger zu 2) als auch der Kläger zu 3) haben mindestens seit 2013 keinen Kontakt zu ihren leiblichen Vätern. Diese zahlen auch keinen Unterhalt.

Herr K. hat zwei leibliche Kinder aus erster Ehe (M., N.). Mit seiner zweiten Ehefrau hat er eine gemeinsame Tochter. Seine damalige Ehefrau hatte zudem zwei Töchter mit in die Ehe gebracht.

Herrn K. hat die Klägerin zu 1), die damals noch in O. wohnte, etwa 2008 über das Internet kennen gelernt. Seitdem haben auch der Kläger zu 2) und der Kläger zu 3) persönlichen Kontakt zu Herrn P.. 2010 ist die Klägerin zu 1) mit dem Kläger zu 2) und zu 3) in eine gemeinsame Wohnung mit Herrn P. gezogen. Am …2013 haben die Klägerin zu 1) und Herr K. geheiratet.

Bereits 2010 ist es, so die Klägerin zu 1), im Zusammenhang mit dem Sorgerechtsstreit um die gemeinsame Tochter des Herrn P. und dessen zweiter Ehefrau zu Vorwürfen im Hinblick auf den Kontakt zwischen Herrn P. und einer seiner Stieftöchter gekommen, die letztlich zur strafrechtlichen Verurteilung führten. 2/3 der Haft hat Herr P. im Februar 2018 verbüßt, 2020 würde die reguläre Entlassung erfolgen. Er befindet sich seit dem …2014 in Haft.

Mit Bescheid vom 29.01.2015 bewilligte die Beklagte den Klägern Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Bl. 192 VAe Bekl). Dabei berücksichtigte sie zu Gunsten der Klägerin zu 1) insbesondere einen Mehrbedarf für alleinerziehende Leistungsberechtigte, sowie als Einkommen Arbeitslosengeld (533,50 Euro), einen Unterhaltsvorschuss zu Gunsten des Klägers zu 3) über 180 Euro sowie bei dem Kläger zu 2) und zu 3) jeweils 184 Euro Kindergeld als Einkommen.

Die Klägerin zu 1) besuchte ihren Ehemann teils allein, teils in Begleitung des Klägers zu 3) in der JVA Q. oder fungierte als Fahrerin der beiden Kinder. Sie nutzte jeweils ihren PKW.

Die JVA regte an, einen Fahrtkostenerstattungsantrag bei der Beklagten zu stellen. Die Beklagte übernahm mit verschiedenen Änderungsbescheiden nachträglich die Fahrtkosten zwischen der Wohnung der Kläger und der JVA. Sie legte dabei eine einfache Entfernung vom Wohnort zur JVA von 47 km und eine Wegstreckenentschädigung von 0,20 Euro pro Kilometer zu Grunde. Die Klägerin hatte als Nachweis jeweils Besuchsscheine vorgelegt, aus denen sich die Besuchernamen und ...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?