Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsärztliche Versorgung. Zulassungsausschuss. Entscheidung über Herausgabe einer Bürgschaftsurkunde bei Gesellschafterwechsel. Verwaltungsakt

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Entscheidung über die Herausgabe einer Bürgschaft, die im Rahmen eines Zulassungsverfahrens nach § 95 Abs 2 S 6 SGB 5 abgegeben wurde, ist ein Verwaltungsakt.

2. Das Ausscheiden eines Gesellschafters aus einem MVZ und die Abgabe einer weiteren Bürgschaftserklärung durch den neu eintretenden Gesellschafter führt nicht automatisch zu einem Herausgabeanspruch im Hinblick auf die alte Bürgschaftsurkunde.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 11.09.2019; Aktenzeichen B 6 KA 2/18 R)

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen. Diese haben ihre Kosten selbst zu tragen.

3. Der Streitwert wird auf 5.000 EUR festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Herausgabe einer Bürgschaftsurkunde.

Die Klägerin ist ein Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) mit beschränkter Haftung und für die Fachgebiete Laboratoriumsmedizin, Mikrobiologie, Infektionsepidemiologie und hausärztliche Innere Medizin zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Gründer und Gesellschafter des MZV war u. a. zunächst die A. (Handelsregister des Amtsgerichts O.), später B. (im Folgenden: Altgesellschafterin). Zum 30.07.2009 fand ein Gesellschafterwechsel statt. Die Klägerin zeigte den Eintritt der neuen Gesellschafterin A., Handelsregister des Amtsgerichts P.) an und legte eine durch die neue Gesellschafterin ausgestellte Bürgschaftsurkunde vor. Zudem wurde die Herausgabe der von der Altgesellschafterin ausgestellten Bürgschaftsurkunde begehrt.

Der Zulassungsausschuss (ZA) stellte in seiner Sitzung vom 28.10.2009 den Gesellschafterwechsel fest, lehnte die Herausgabe der Bürgschaftsurkunde aber ab.

Gegen diese Entscheidung ließ die Klägerin Widerspruch erheben. Die neue Bürgschaftserklärung beziehe sich auch auf Altforderungen. Der Gesellschafterwechsel sei akzeptiert worden. Ein Sicherungsbedürfnis im Hinblick auf die Altgesellschafterin bestehe nicht. Den Widerspruch der Klägerin wies der Beklagte mit Beschluss vom 09.06.2010 zurück. Der Umstand, dass mit dem Wechsel ein weiterer Schuldner hinzugetreten sei, lasse die Verpflichtung der Altgesellschafterin für Forderungen aus der Zeit ihrer Gesellschafterstellung nicht entfallen. Ein Herausgabeanspruch könne überdies allenfalls der Altgesellschafterin zustehen, nicht aber der Klägerin.

Mit der am 13.08.2010 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Das dem § 95 Abs. 2 Satz 6 Fünften Buch- Sozialgesetzbuch (SGB V) zugrundeliegende Sicherstellungsbedürfnis im Hinblick auf potentielle Erstattungsansprüche werde im ausreichenden Maße durch die neue Bürgschaftserklärung gewährleistet. Insbesondere könne der neuen Bürgschaft keine zeitliche Beschränkung entnommen werden. Sie weist darauf hin, dass der ZA B. in einem vergleichbaren Fall die alte Bürgschaftsurkunde zurückgegeben habe. Die jetzt bestehende "Doppelabsicherung" sei gesetzlich nicht vorgesehen und auch nicht erforderlich. In der Geltendmachung des Herausgabeanspruches müsse eine Kündigung der Bürgschaft aus wichtigem Grund gesehen werden. Ein Herausgabeanspruch ergebe sich dann aus § 371 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Die Klägerin hält sich auch für aktivlegitimiert, da die Entscheidungen des Beklagten bzw. des ZA an sie gerichtet waren. Zudem sei die Bürgschaftserklärung der Altgesellschafterin im Rahmen des Zulassungsverfahrens für das MVZ abgegeben worden. Lediglich vorsorglich habe die Altgesellschafterin ihren Herausgabeanspruch an die Klägerin mit Erklärung vom 10.01.2012 abgetreten.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung seines Widerspruchsbescheides vom 09.06.2010 zu verpflichten, die Bürgschaftserklärung vom 18.02.2008 an die Klägerin herauszugeben,

hilfsweise, den Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 09.06.2010 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, über den Antrag der Klägerin nach Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.

Der Beklagten beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er verweist zur Begründung auf den Inhalt seines Widerspruchsbescheides. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung trägt der Beklagte vor, dass er selbst nicht im Besitz der Bürgschaftsurkunde sei, ein Herausgabeverlangen mithin ohnehin nicht erfüllt werden könne. Die Urkunde befinde sich als Aktenbestandteil beim ZA.

Das Gericht hat die Kassenärztliche Vereinigung Niedersachsen (KVN) und die Landesverbände der Krankenkassen zum Verfahren beigeladen.

Die KVN hat sich zum Verfahren geäußert. Sie hält die Klägerin nicht für aktivlegitimiert. Das SGB V enthalte zudem für das Klagebegehren keine Anspruchsgrundlage. Auch könne der Anspruch nicht auf § 371 BGB gestützt werden, da die Bürgschaftsschuld nicht durch den Austritt aus der Gesellschaft erloschen sei. Denn auch nach dem Austritt bestehe eine Haftung des Bürgen für alle bis zum Austritt entstandenen Forderung...

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