Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Anspruch auf eine Lipidapherese. eine vom Vorschlag der Apherese-Kommission abweichende Prüfungskompetenz der Krankenkassen nur in Ausnahmefällen. Antragstellung iS von § 13 Abs 3a SGB 5 erst mit Entscheidung der Apherese-Kommission
Leitsatz (amtlich)
1. Eine vom Vorschlag der Apherese-Kommission abweichende Prüfungskompetenz kommt den Krankenkassen nur in Ausnahmefällen, nämlich bei geänderter Sachlage, evidenter Fehlentscheidung der Apherese-Kommission oder einer vergleichbaren Sachverhaltskonstellation in Betracht.
2. Ein Antrag im Sinne von § 13 Abs 3a SGB V ist bei der Krankenkasse erst mit Entscheidung der Apherese-Kommission als gestellt anzusehen, da die Entscheidung der Krankenkasse nach § 6 Anlage I RiLiMVV (juris: MVVRL) erst nach der Entscheidung der Apherese-Kommission ergehen kann.
Tenor
1. Der Bescheid der Beklagten vom 05.09.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.12.2018 wird aufgehoben.
2. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin eine Lipoproteinapheresetherapie als Sachleistung zur Verfügung zu stellen und insofern die beantragte Lipoproteina-pheresetherapie zu genehmigen.
3. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt von der Beklagten eine Lipidapheresetherapie.
Die am H. geborene Klägerin ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Sie leidet an einer progressiven koronaren Herzerkrankung (KHK). Bis 2004 rauchte die Klägerin. Im Januar 2008 wurde die erste perkutane transluminale koronare Angioplastie (PTCA) mit Setzung eines Stents bei der Klägerin durchgeführt.
Mit Schreiben vom 14.06.2018 stellte die Klägerin durch ihren behandelnden Internisten, I., bei der Apherese-Kommission der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen (KVN) einen Antrag auf Überprüfung der Indikationsstellung zur Durchführung einer Lipid-Apherese-Therapie. Dem Antrag waren der Patienten-Fragebogen und weitere Unterlagen beigefügt.
Mit Schreiben vom 05.07.2018 gab die KVN der Beklagten im Rahmen der Begutachtung der Apherese-Kommission Gelegenheit zur Stellungnahme.
Die KVN teilte der Beklagten mit Schreiben vom 10.08.2018 mit, dass die Kommission die Indikation zur Apherese als gestellt ansehe und die Behandlung und Durchführung befürworte.
Die Beklagte holte mit Schreiben vom 14.08.2018 eine Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) ein und teilte dies der Klägerin und ihrem Internisten mit Schreiben vom selben Tag mit. Der MDK kam im Gutachten vom 29.08.2018 zu dem Ergebnis, dass keine Indikation für eine Lipid-Apherese vorliege. Nichtmedikamentöse Maßnahmen zur LDL-Korrektur (Korrektur des Lipoproteins niederer Dichte = low-density Lipoprotrein) seien den Unterlagen nicht zu entnehmen. Die medikamentösen Optionen seien nicht ausgeschöpft. Eine Teilnahme am Koronarsport sei nicht zu erkennen. Es bestehe kein Progress unter korrigierten konventionellen kardiovaskulären Risikofaktoren und es gäbe bestehende Behandlungsoptionen. 2015 sei ein Bronchialkarzinom mit einer Oberlappenresektion behandelt worden. Es würden weitergehende Informationen benötigt. Die Apherese sei wegen der hierzu benötigten Shuntanlagen für die Klägerin kritisch. Aufgrund der Herzerkrankung seien zusätzliche Herzbelastungen durch einen Shunt als prognostisch ungünstig bzw. kontraproduktiv zu bewerten.
Die Beklagte lehnte den Antrag der Klägerin mit Bescheid vom 05.09.2018 ab. Es bestünden ernährungsmedizinische, bewegungsmedizinische und medikamentöse Behandlungsalternativen.
Mit Faxschreiben vom 10.09.2018 erhob die Klägerin bei der Beklagten Widerspruch gegen den ablehnenden Bescheid vom 05.09.2018. Mit E-Mail vom 14.09.2018 übersandte die Klägerin der Beklagten den Arztbericht vom 14.09.2018 nebst Herzkatheterbericht vom 04.09.2018 und weiteren Unterlagen. Das weitere Schreiben vom 29.10.2018 enthielt den Arztbericht vom 14.09.2018, den Antrag an die Apherese-Kommission mit dem Patienten-Fragebogen, den Arztbericht vom 22.10.2018 von I., die Arztbriefe vom 05. und 10.09.2018 von J., den Arztbericht von K. vom 04.09.2018 nebst Herzkatheterbericht, den Bericht über die stationäre Behandlung vom 08. bis 10.05.2018 nebst Herzkatheterbericht vom 08.05.2018, den Arztbrief von J. vom 09.02.2018 nebst Herzkatheterbericht vom 22.02.2018, den Arztbrief von J. vom 04.01.2018, den Bericht über eine Myokardszintigraphie vom 30.07.2018 und eine Bestätigung eines Fitnessstudios vom 12.09.2018 mit einer Bestätigung der Mitgliedschaft der Klägerin seit Januar 2012.
Die Beklagte holte ein erneutes Gutachten des MDK vom 07.11.2018 ein. Der MDK stellte einen LDL mit 119 mg/dl fest. Das Leitlinienziel laute auf 70 mg/dl. Der LDL-Wert sei auch nicht um 30 % zu reduzieren. Es würden Äpfel mit Birnen verglichen. Es gäbe Literaturdaten, denen zufolge bei unvollständig eingestelltem LDL der Lipoprotein(a)-Wert (LP(a)-Wert) über einen bestimmten Mechanismus in der Blut-Gefäßwand keinen weiteren Risikofaktor m...