Entscheidungsstichwort (Thema)
Rente für Bergleute wegen verminderter Berufsfähigkeit im Bergbau. Verminderung des Zugangsfaktors. Rentenabschlag. Zeit vor Vollendung des 62. Lebensjahres
Orientierungssatz
1. Eine Verminderung des Zugangsfaktor ist bei einer Rente für Bergleute wegen verminderter Berufsfähigkeit im Bergbau wenigstens für die Zeit vor Vollendung des 62. Lebensjahres ausgeschlossen (Anschluss an BSG vom 16.5.2006 - B 4 RA 22/05 R = BSGE 96, 209 = SozR 4-2600 § 77 Nr 3).
2. Hinweis der Dokumentationsstelle des Bundessozialgerichts: Nachdem die Klage vor dem BSG (B 5 R 24/11 R) zurückgenommen wurde, ist dieses Urteil wirkungslos.
Tenor
1. |
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Der Bescheid vom 27.10.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.03.2007 wird aufgehoben und die Beklagte verurteilt, die Rente für Bergleute wegen verminderter Berufsfähigkeit im Bergbau ohne Verminderung des Zugangsfaktors zu gewähren. |
2. |
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Die Beklagte hat dem Kläger die Kosten des Verfahrens zu erstatten. |
3. |
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Die Sprungrevision wird zugelassen. |
Tatbestand
Streitig ist, ob der ... 1950 geborene Kläger eine höhere Rente wegen verminderter Berufsfähigkeit im Bergbau beanspruchen kann. Im Fokus der Auseinandersetzung steht das Problem, welcher Zugangsfaktor der Rente zugrunde zulegen ist.
Mit Rentenbescheid vom 27.10.2006 bewilligte die Beklagte dem Kläger ab 01.01.2006 eine Rente für Bergleute wegen verminderter Berufsfähigkeit im Bergbau. Hierbei kürzte sie die Rente um einen Abschlag von 3,6 %, ausgehend von einem Zugangsfaktor von 0,964.
Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger rechtzeitig Widerspruch unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 16.05.2006 (B 4 RA 22/05 R), wonach bei Personen, bei denen die Erwerbsminderung vor dem 60. Lebensjahr eingetreten ist, ein Abschlag von der Rente nicht erfolgen dürfe. Gleiches müsse - so der Kläger - im Rahmen des § 86a Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) - auch für Rente für Bergleute gelten.
Im Widerspruchsbescheid vom 21.03.2007 führte die Beklagte aus, sie teile die Rechtsauffassung des BSG - zumal als Einzelfallentscheidung - nicht. Nach §§ 77 Abs. 2, 86a SGB VI sei der Zugangsfaktor bei Renten wegen verminderter Berufsfähigkeit im Bergbau für jeden Kalendermonat, für den die Rente vor Ablauf des Kalendermonats der Vollendung des 63. Lebensjahres in Anspruch genommen wird, um 0,003 zu mindern. Die auszuzahlende Rente sei auch bei Inanspruchnahme vor dem 62. Lebensjahr nach geltendem Recht um einen Zugangsfaktor von 3,6 % zu verringern.
Am 25.04.2007 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Hannover erhoben unter Wiederholung seines Vorbringens aus dem Widerspruchsverfahren.
Der Kläger beantragt aus seinem schriftlichen Vorbringen heraus sinngemäß,
der Bescheid vom 27.10.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.03.2007 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilten, die Rente für Bergleute wegen verminderter Berufsfähigkeit im Bergbau ohne Verminderung des Zugangsfaktors zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Entscheidung des 4. Senates des BSG sei eine Einzelmeinung. Insoweit verweist die Beklagte auf laufende Musterverfahren.
Die Beteiligten haben einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung ausdrücklich zugestimmt und übereinstimmend die Zulassung der Sprungrevision angeregt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten und die Gerichtsakte Bezug genommen, die vorgelegen haben und Gegenstand der Entscheidungsfindung waren.
Entscheidungsgründe
Das Gericht konnte gem. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden.
Die zulässige Klage ist begründet. Die Beklagte hat zu Unrecht bei der Berechnung der Rente für Bergleute des derzeit noch nicht 62jährigen Klägers den Zugangsfaktor um einen Abschlag von 3,6 % gemindert. Der Rentenbescheid vom 27.10.2006 ist insoweit rechtswidrig.
Nach §§ 63 Abs. 6, 64 SGB VI ergibt sich der Monatsbetrag einer Rente, indem die unter Berücksichtigung des Zugangsfaktors ermittelten Entgeltpunkte mit dem Rentenartfaktor und dem aktuellen Rentenwert mit ihrem Wert bei Rentenbeginn miteinander vervielfältigt werden.
Gem. §{ 77 i.V.m. 86a SGB VI wird dabei der Zugangsfaktor bestimmt.
Für die Rente für Bergleute ist dabei vorgesehen, dass sich bei ihr der Zugangsfaktor für jeden Kalendermonat, für den die Rente vor Ablauf des Kalendermonates, in dem das 63. Lebensjahr vollendet wird, in Anspruch genommen wird, um 0,003 vermindert. Die Zeit des Bezuges einer Rente vor Vollendung des 62. Lebensjahres gilt nicht als Zeit einer vorzeitigen Inanspruchnahme (§ 77 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. 86a SGB VI).
Das BSG hat hierzu in seinem Urteil vom 16.05.2006 (B 4 RA 22/05 R) ausgeführt, dass eine Verminderung des Zugangsfaktors bei einer Erwerbsminderungsrente dann nicht eintrete, wenn diese vor der Vollendung des 60. Lebensjahres bezogen werde. Hierbei nimmt da...