Entscheidungsstichwort (Thema)
Rentenversicherung. Erstattung überzahlter Geldleistung durch einen Dritten nach dem Tod des Rentenberechtigten
Leitsatz (amtlich)
Die Vollmacht über das Konto des verstorbenen Rentenbeziehers macht den Bevollmächtigten nicht ohne Weiteres zum Verfügenden iS des § 118 Abs 4 S 1 SGB 6. Das "Zulassen" einer Verfügung setzt ein Bewusstsein über die eigene Verfügungsberechtigung und über die Verfügungsmöglichkeit des Dritten voraus (Anschluss an SG Hamburg vom 20.6.2011 - S 6 R 1063/10, rechtskräftig).
Orientierungssatz
1. Zum Leitsatz vgl BSG vom 10.7.2012 - B 13 R 105/11 R = SozR 4-2600 § 118 Nr 11.
2. Hinweis der Dokumentationsstelle: Die Entscheidung ist rechtskräftig.
Tenor
1. Der Bescheid der Beklagten vom 14.03.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.11.2011 wird aufgehoben.
2. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen eine Rückerstattungsforderung der Beklagten in Höhe von 505,57 Euro. Sie wehrt sich dabei gegen eine Inanspruchnahme durch die Beklagte für die über den Sterbemonat an Herrn G. (im Folgenden Versicherter) hinaus gezahlte Rente.
Die Beklagte zahlte dem am H. geborenen Versicherten eine Rente wegen Erwerbsminderung. Nach dessen Tod im November 2009 floss die Rentenzahlung in Höhe von 597,21 Euro für den Monat Dezember 2010 weiter auf dessen Konto bei der J.. Der Zahlungseingang erfolgte am 30.12.2009. Am 04.01.2010 erfolgte eine Auszahlung an einem Geldautomaten mittels J. card, die für den Versicherten ausgestellt war, unter Eingabe der persönlichen Identifikationsnummer (PIN). Am 06.01.2010 führte die J. zu Gunsten der K. im Hinblick auf eine bestehende Unfallversicherung des Versicherten eine Lastschrift in Höhe von 5,78 Euro aus.
Das Rückforderungsersuchen der Beklagten ging am 19.01.2010 bei der J. ein. Diese erstattete der Beklagten einen Betrag von 91,44 Euro. Bei Eingang der Rentenzahlung habe das Konto ein Guthaben von 0,20 Euro aufgewiesen. Das Konto befinde sich im Übrigen auf Grund vorangegangener Verfügungen im Soll. Eine weitergehende Erstattung könne nicht erfolgen, so die J.. Gleichzeitig teilte die J. der Beklagten mit, dass für die Klägerin eine Unterschriftsberechtigung vorliege. Diese bestehe seit 1993. Weitere Verfügungsberechtigte seien nicht bekannt. Welche Person am Geldautomaten Geld vom Konto des Versicherten abgehoben habe, sei nicht ermittelbar.
Bereits vor dem Tod des Versicherten hatte sich ein Herr L. bei der Beklagten mit Schreiben vom 28.08.2009 gemeldet und mitgeteilt, dass sich der Versicherte in einem Hospiz befinde. Nähere Ermittlungen nach dem Tod des Versicherten ergaben, dass der Versicherte zu Gunsten von Herrn L. eine Vorsorgevollmacht eingerichtet hatte. Herr L. gab insoweit an, dass diese jedoch mit dem Tode des Versicherten erloschen sei. Er habe eigene Nachweise und Unterlagen sofort nach dem Tode des Versicherten vernichtet. Weitere Ermittlungen bezüglich des Herrn L. führte die Beklagte zunächst nicht durch.
Erben des Versicherten konnte die Beklagte nicht ermitteln.
Die Beklagte hörte daraufhin die Klägerin als Vollmachtsinhaberin über das Konto des Versicherten zu einer beabsichtigten Rückforderung von 505,57 Euro an. Im Rahmen des Anhörungsverfahrens wies die Klägerin darauf hin, dass sie zwar im Zeitraum von 1991 bis 1995 mit dem Versicherten zusammen gelebt habe, dieser jedoch bereits 1995 ausgezogen sei. Danach habe es keinen Kontakt mehr zu ihm gegeben. Sie selbst sei mehrfach umgezogen. Seit 1999 lebe sie mit ihrem jetzigen Verlobten zusammen. Sie habe die 500 Euro nicht per Geldautomat vom Konto des Versicherten abgehoben.
Mit Bescheid vom 14.03.2011 verlangte die Beklagte 505,57 Euro von der Klägerin erstattet. Sie habe über das Konto des Verstorbenen verfügt. Den dagegen am 12.04.2011 erhobenen Widerspruch, in dem die Klägerin ihre Angaben aus dem Anhörungsverfahren vertiefte, nahm die Beklagte zum Anlass, sich bezüglich einer Rückzahlung erneut an Herrn M. zu wenden. Dieser teilte mit Schreiben vom 10.05.2011 mit, dass er für den Verstorbenen kein Geld abgehoben habe. Seine Vollmacht sei auf die Krankenversicherung, das Sozialamt, das Arbeitsamt und die Wohnungsgenossenschaft begrenzt gewesen. Er habe weder über die J. card des Versicherten verfügt, noch über dessen PIN. Die Beklagte setzte die diesbezüglichen Ermittlungen nicht fort.
Mit Widerspruchsbescheid vom 18.11.2011 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Die Klägerin sei kontoverfügungsberechtigte Person über das Konto des Versicherten gewesen. Es liege eine Unterschriftsberechtigung vor. Daher seien die Kontobewegungen der Klägerin als kontoverfügungsberechtigte Person zuzuordnen. Auf eine tatsächliche Verfügung oder die Kenntnis der Unterschriftsberechtigung komme es nicht an. Entscheidend sei, dass die Klägerin eine Unterschriftsberechtigung inne gehabt habe und die Verfügungen zugelassen habe. Auf den Grund der Kontobewegungen nach dem Tod des Versic...