Entscheidungsstichwort (Thema)

Wirtschaftlichkeitsprüfung in der vertragsärztlichen Versorgung. Leistungen der integrierten Versorgung. Regelung in der Prüfvereinbarung für sachliche Zuständigkeit der Prüfgremien

 

Leitsatz (amtlich)

Die sachliche Zuständigkeit der Prüfgremien nach § 106 SGB V für die Wirtschaftlichkeitsprüfung veranlasster Leistungen im Rahmen der integrierten Versorgung setzt eine ausdrückliche Regelung in der Prüfvereinbarung voraus.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 13.05.2020; Aktenzeichen B 6 KA 35/19 B)

 

Tenor

1. Die Bescheide des Beklagten vom 21.02.2013 werden aufgehoben.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen. Diese haben ihre Kosten selbst zu tragen.

3. Der Streitwert wird auf 47.890,26 EUR festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit von Arzneimittelregressen für Verordnungen von Immunglobulin (hier Octagam®) zur Behandlung der Multiplen Sklerose (nachfolgend MS) in den Quartalen 2/2008 bis 4/2009.

Die Kläger waren ua in den oben genannten Quartalen als Fachärzte für Neurologie in Hannover zur vertragsärztlichen Versorgung mit Sitz in Hannover zugelassen. Sie behandelten zudem Patienten der Beigeladenen zu 2) nach den Vorgaben eines zwischen der SIDA-e.V. und der Beigeladenen zu 2) am 03.01.2005 geschlossenen Vertrages zu Integrierten Versorgungsformen gemäß § 140a SGB V über die Versorgung von Patienten mit entzündlichen/degenerativen Erkrankungen des Zentralen Nervensystems (ZNS), onkologischen Erkrankungen und AIDS (nachfolgend SIDA-Vertrag). Dieser Vertrag sah in § 4 Abs 1 ua eine Teilnahmemöglichkeit für Versicherte mit der Diagnose ICD10 G 35 vor. Vertragsgegenstand war neben der pflegerischen Betreuung auch die „Pharmakotherapie (vor allem Infusionstherapie)“ (§ 6 SIDA-Vertrag). Die §§ 12, 12a und die Anlage 6 enthielten weitere Regelungen zur Arzneimittelversorgung, zum Bezugsweg und eine „Arzneimittelempfehlungsliste“. Auf den Inhalt des Vertrages wird ergänzend Bezug genommen.

Am 28.06.2010 beantragte die Beigeladene zu 2) gegenüber der Prüfungsstelle Niedersachsen (nachfolgen Prüfungsstelle) die Feststellung eines sonstigen Schadens für Verordnungen von Octagam® in den Quartalen 2 bis 4/2008 in Höhe von insgesamt 19.777,04 EUR betreffend ihre Versicherten P. (Verordnungen vom 13.05.2008, 27.05.2008, 24.06.2008, 22.07.2008, 19.08.2008, 23.09.2008, 18.11.2008, 16.12.2008), Q. (Verordnungen vom 15.04.2008, 13.05.2008, 10.06.2008, 08.07.2008, 01.09.2008, 29.09.2008, 15.12.2008), R. (Verordnungen vom 15.05.2008, 13.06.2008, 14.07.2008, 28.08.2008, 11.09.2008, 09.10.2008, 17.11.2008), S. (Verordnungen vom 23.07.2008, 20.08.2008, 16.09.2008) und T. (Verordnung vom 12.11.2008). Die Prüfungsstelle informierte mit Schreiben vom 28.06.2010 die Praxis der Kläger über die Anträge und gab Gelegenheit zu einer fallbezogenen Stellungnahme. Mit Eingabe vom 31.08.2010, auf deren Inhalt ergänzend Bezug genommen wird, äußerten sich die Kläger zu den fünf Behandlungsfällen. Am 19.01.2011 beantragte die Beigeladene zu 2) gegenüber der Prüfungsstelle die Feststellung eines sonstigen Schadens für Verordnungen von Octagam® in den Quartalen 1 bis 4/2009 in Höhe von insgesamt 28.113,22 EUR betreffend ihre Versicherten P. (Verordnungen vom 13.01.2009, 10.02.2009, 07.04.2009, 05.05.2009, 09.06.2009, 30.06.2009, 28.07.2009, 24.08.2009, 22.09.2009, 29.10.2009, 19.11.2009, 15.12.2009), Q. (Verordnungen vom 13.01.2009, 10.02.2009, 10.03.2009, 07.04.2009, 09.06.2009, 03.07.2009, 30.07.2009, 27.08.2009, 22.09.2009, 20.10.2009, 17.11.2009, 17.12.2009), R. (Verordnungen vom 09.01.2009) und Krüger (Verordnungen vom 22.06.2009, 08.07.2009, 04.08.2009, 01.09.2009, 29.09.2009, 27.10.2009, 24.11.2009). Die Prüfungsstelle informierte mit Schreiben vom 24.01.2011 die Kläger über die Anträge und gab Gelegenheit zu einer fallbezogenen Stellungnahme. Die Kläger äußerten sich mit Eingabe vom 29.03.2011 und verwiesen auf ihre Stellungnahme vom 31.08.2010 im Parallelverfahren. Ergänzend äußerten sie sich zur Patientin U.. Auf den Inhalt der dortigen Stellungnahme wird ergänzend Bezug genommen.

Die Beigeladene zu 2) verwies demgegenüber auf MDK-Gutachten für die Patienten T., S., Q. und P., die aufgrund der Weigerung der Kläger zur Vorlage der Behandlungsunterlagen auf der Grundlage der abgegebenen Stellungnahmen der Kläger erstellt wurden. Im Rahmen eines Vertrages zur integrierten Versorgung zwischen der AOK und der SIDA-e.V. habe es zwischen 2002 bis Ende 2004 eine Regelung zur pauschalen Vergütung von Immunglobulinen für MS-Patienten gegeben. Vom 01.01.2005 bis zum 30.06.2011 (Kündigung) sei vereinbart gewesen, dass alle Versicherten die wegen der Diagnose MS bereits mit Immunglobulin behandelt wurden, nicht umgestellt werden müssen. Diese Versicherten sein jedoch von der Beigeladenen auch nicht über die Prüfanträge einbezogen worden. Aus der Anlage 6 des SIDA-Vertrags ergebe sich zudem, dass die Behandlung mit Immunglobulinen ausgeschlossen werde.

Mit B...

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