Entscheidungsstichwort (Thema)
Kassenärztliche Vereinigung. Korrektur von Honorarbescheiden bei missbräuchlicher Nutzung einer Praxisgemeinschaft. Plausibilitätsprüfung
Leitsatz (amtlich)
Zum Nachweis der Missbräuchlichkeit bei der Ausgestaltung einer Praxisgemeinschaft genügt nicht die Feststellung der Höhe des Anteils der gemeinsam behandelten Patienten. Im Einzelfall kann es notwendig sein, die berechtigt abgerechneten Fälle der gemeinsam behandelten Patienten herauszurechnen.
Nachgehend
Tenor
1. Die Beschlüsse vom 24. Juni 2004 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 3. Januar 2005 werden aufgehoben.
2. Die Beklagte trägt die Kosten.
Tatbestand
Streitig sind Regressforderungen der Beklagten als Folge von Plausibilitätsprüfungen der Quartalsabrechnungen 1/2002 bis 4/2002.
Die Kläger sind Fachärzte für Allgemeinmedizin und sind in J. in einer Praxisgemeinschaft niedergelassen und zur vertragsärztlichen Tätigkeit zugelassen. Der Kläger K. verfügt über die Genehmigung für die Sonographie des Abdomens, zu dem ist er berechtigt, psychosomatische Behandlungen abzurechnen. Der Kläger L. verfügt über die Genehmigung für die Sonographie des Abdomens und der Schilddrüse, zu dem darf er das Herzecho abrechnen sowie gastroskopische Untersuchungen durchführen. Der Kläger M. verfügt über die Genehmigung zur Erbringung der Leistungen nach GOP‚s 850 und 851. Zudem darf er Leistungen der kleinen Chirurgie und Langzeit- EKG‚s abrechnen.
Im Jahre 1984 begann der Kläger M. in J. mit einer Einzelpraxis. Im Jahre 1993 tat er sich mit L. zu einer Berufsausübungsgemeinschaft (Gemeinschaftspraxis) zusammen und wandelte diese bereits im Jahre 1994 in eine Praxisgemeinschaft um. 1997 wurde diese Praxisgemeinschaft mit Genehmigung der Beklagten mit dem Kläger K. erweitert.
In den vier Quartalen des Jahres 2002 gab es für den Bereich J. lediglich von samstags morgens von 07:00 Uhr bis montags morgens 07:00 Uhr einen organisierten Notdienst. Unter der Woche war kein offizieller Notdienst organisiert.
Im Rahmen der im niedersächsischen Ärzteblatt 9/2002 angekündigten Plausibilitätsprüfungen wurde in der Gemeinschaftspraxis der Kläger eine hohe Anzahl gemeinschaftlich behandelter Patienten festgestellt. Diese Anzahl, die etwa 88 Prozent der Patienten betraf, erschien dem Plausibilitätsausschuss unplausibel. Festgestellt wurden ungerechtfertigte Vertretungen, Überweisungen innerhalb der gleichen Fachgruppe zur Mit- und Weiterbehandlung und identische Einlesedaten der Krankenversichertenkarten.
Der Kläger K. rechnete in den vier Quartalen 2002 1797, 1982, 1931 und 1959 Behandlungsscheine ab. Der Kläger L. reichte 2034, 1933, 2075 und 2018 Scheine zur Abrechnung ein. Für den Kläger M. gelangten 2062 in den ersten beiden Quartalen und 2057 sowie 2093 Behandlungsscheine zur Abrechnung. Von allen drei Klägern wurden im ersten Quartal 2002 1382 Patienten, im zweiten Quartal 2002 1370 Patienten, im dritten Quartal 1362 und im vierten Quartal 1309 Patienten gemeinsam behandelt.
Mit den Beschlüssen vom 24. Juni 2004 und auf die Widersprüche der Kläger vom 9. Dezember 2004 kürzte die Beklagte zu Lasten des Klägers K. insgesamt 138.594,96 Euro, zu Lasten des Klägers M. 132.275,46 Euro und zu Lasten des L. 128.573,04 Euro. Zur Begründung führte die Beklagte aus, die Kläger hätten wie in einer Berufsausübungsgemeinschaft zusammen gearbeitet. Sie seien deshalb auch honorarmäßig wie eine Berufsausübungsgemeinschaft zu behandeln. Dementsprechend sei das Honorar so zu bemessen, als ob sie eine Berufsausübungsgemeinschaft betrieben hätten.
Gegen diese Honorarkürzungen wenden sich die Kläger mit ihren rechtzeitig bei dem Sozialgericht Hannover eingegangenen Klagen, die unter dem führenden Aktenzeichen S 16 KA 47/05 zur gemeinsamen Bearbeitung und Entscheidung verbunden wurden. Zur Begründung tragen sie vor, eine gemeinschaftliche Behandlung der Patienten habe in der Regel nicht stattgefunden. Lediglich während der urlaubsbedingten Abwesenheit von einem der Ärzte, oder in den Sprechstunden freien Zeiten wie nachts oder mittwochs oder freitags nachmittags hätten sich die drei Ärzte nach Absprache vertreten. Da die Kläger im Umkreis von sechs Kilometern die einzigen zur vertragsärztlichen Tätigkeit zugelassenen Ärzte seien, sei es nicht verwunderlich, dass ein größerer Prozentsatz von Patienten im Laufe eines Quartals mehrere Mitglieder der Praxisgemeinschaft in Anspruch genommen habe. Es habe sich stets um gegenseitige "kollegiale" Vertretungen im Rahmen der standesrechtlichen Berufspflichten gehandelt. Überweisungen zur Mit- und Weiterbehandlung seien nur dann erfolgt, wenn Leistungen indiziert waren, die lediglich einer der beiden anderen Kollegen erbringen durfte.
Die Kläger beantragen,
die Beschlüsse vom 24. Juni 2004 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 3. Januar 2005 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klagen abzuweisen.
Die Beklagte sieht keine Veranlassung, von ihren getroffenen E...